Erste Hälfte.

[545] Zunächst wird die Genealogie der Wissenschaft gegeben. Sie ist durch die Glieder:


Brahmán

Atharvan2

A gir3[545]

Satyavâha Bhâradvâja

A giras


zu Çaunaka gelangt, welcher, wie die Frager Chând. 5,11,1 mahâçâla (von grossem Reichtum) heisst und dem A giras die unzweifelhaft auf Chând. 6,1,2 (vgl. oben S. 154), vielleicht daneben noch auf Bṛih. 2,4,5 (Schluss) und 7-9, beruhende Frage vorlegt: »Was ist dasjenige, mit dessen Erkenntnis diese ganze Welt erkannt worden ist?« – A giras beginnt seine Antwort damit, dass er, was hier zuerst geschieht, niedere und höhere Wissen schaft unterscheidet, worunter jedoch nicht, wie später im Vedânta, die saguṇâ und nirguṇâ vidyâ zu verstehen ist; vielmehr begreift die niedere Wissenschaft das rituelle Wissen, wie es in den vier Veden und den, hier zuerst aufgezählten, sechs Vedâ ga's niedergelegt ist; die höhere Wissenschaft ist die Lehre vom Brahman, oder, wie es hier heisst, vom Aksharam (dem Unvergänglichen). Dieser Name, wie auch die Charakterisierung desselben durch negative Attribute, beruht wohl auf Bṛih. 3,8,8, während die folgenden, hier und in der Fortsetzung 2,1,1 das Hervorgehen der Welt aus Brahman schildernden Bilder durch Erweiterung aus Bṛih. 2,1,20 gewonnen sein dürften. Zum Schluss folgt Vers 8 eine Stufenreihe von Prinzipien, von denen Vers 9 behauptet, dass sie alle (wie sie, summarisch und ohne Ordnung, nochmals erwähnt werden) aus dem allwissenden Âtman hervorgegangen sind. Ihre Abfolge, mit Ça kara's, allerdings sich nicht konsequent bleibender Erklärung (v. 8 soll prâṇa, v. 9 brahman = Hiraṇyagarbha sein) ist:


yaḥ sarvajñaḥ, sarvavid (= Brahman)

annam (= Avyâkṛitam)

prâṇaḥ (= Hiraṇyagarbha)

manas

satyam (die Elemente), lokâḥ, karmâṇi.


Vergleichen wir diese Stufenfolge mit der oben S. 265 aus Kâṭhaka zusammengestellten, so zeigt sich, dass sie im wesentlichen dieselbe ist, nur dass sie, durch Verschmelzung von mahân âtmâ und buddhiḥ zu prâṇa, der Sâ khyalehre noch um einen Schritt näher gekommen ist. Doch möchten wir diese Bemerkung, bei der Unsicherheit der Erklärungen Ça kara's, nicht zu weitern Schlüssen benutzen. Vgl. auch die Anmerkungen zu 2,1,2-3 (S. 550. 551).


1. Brahmán entstand als erster von den Göttern,

Als Schöpfer dieses Weltalls und Behüter.

Der lehrte seinem ältsten Sohn Atharva(n)

Das Brahmanwissen, alles Wissens Grundstein.


2. Was Brahmán vormals lehrte dem Atharvan,

Das Brahmanwissen, sagte der dem A gir,

Dieser dem Satyavâha Bhâradvâja,

Und der dem A giras, das Höchst-und-Tiefste.
[546]

3. Da geschah es, dass Çaunaka, ein Mann von grossem Reichtume, dem A giras in geziemender Weise nahte und ihn fragte: »Was ist, o Ehrwürdiger, dasjenige, mit dessen Erkenntnis diese ganze Welt erkannt worden ist?«

4. Und er sprach zu ihm: »Zwei Wissenschaften soll man wissen nach dem, was die Brahmanwisser sagen, nämlich die höhere und die niedere.

5. Die niedere ist der Ṛigveda, Yajurveda, Sâmaveda, Atharvaveda,


Lautlehre, Kultus, Grammatik,

Wortschatz, Metrik, Astronomie.


Aber die höhere ist die, durch welche jenes Unvergängliche (aksharam) erkannt wird; 6. jenes, welches


Unsichtbar, ungreifbar, ohne Stammbaum, farblos,

Ohn' Aug' und Ohren, ohne Händ' und Füsse,

Ewig, durchdringend, überall, schwer erkennbar,

Jenes Unwandelbare,

Das als der Wesen Schoss die Weisen schauen.


7. Wie eine Spinne auslässt und einzieht [den Faden],

Wie auf der Erde spriessen die Gewächse,

Wie auf Haupt und Leib des Menschen, der lebt, die Haare,

So aus dem Unvergänglichen alles, was hier ist.


8. Durch Tapas breitet sich Brahman,

Aus ihm entwickelt Nahrung sich,

Aus Nahrung Odem, Geist, Wahrheit,

Welt und, in Werken, Ewigkeit.


9. Der Allkenner und Allwisser,

Dessen Tapas Erkenntnis ist,

Aus ihm ist alles dies: Brahman,

Name, Gestalt und Nahrung auch.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 545-547.
Lizenz:

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