2. Die Sammlung der Muktikâ Upanishad.

[532] In dieser, wie der Name besagt, die Frage nach der Erlösung (mukti) behandelnden Upanishad, empfiehlt der als Inkarnation des Vishnu auftretende Râma dem ihn befragenden Hanumân als Mittel der Erlösung Vers 26-28 (ed. Jîvânanda Vidyâsâgara, Calc. 1872) die Upanishad's:


26. Mâṇḍûkya schon allein hinreicht

Für den Erlösung Wünschenden. –

Wem dann das Wissen noch mangelt,

Der liest die zehn Upanishad's.


27. Dann wird er, alsobald wissend,

Zu meiner Stätte gehen ein. –

Wer danach noch bedarf Stärkung

Des Wissens, Sohn der Añjanâ,


28. Der kommt zum Ziel, wenn er liest die

Zweiunddreissig Upanishad's.

Doch die hundertundacht lese,

Wer gleich beim Tod Erlösung wünscht.


[532] Diese 108 Upanishad's werden sodann von Râma dem Hanumân, und zwar in folgender Reihenfolge, aufgezählt:

1. Îçâ, 2. Kena, 3. Kâṭhaka, 4. Praçna, 5. Munḍaka, 6. Mâṇḍûkya, 7. Taittirîya, 8. Aitareya, 9. Chândogya, 10. Bṛihadâraṇyaka, 11. Brahma, 12. Kaivalya, 13. Jâbâla, 14. Çvetâçvatara, 15. Haṅsa, 16. Âruṇika, 17. Garbha, 18. Nârâyaṇa, 19. Paramahaṅsa, 20. Amṛitabindu, 21. Amṛitanâda, 22. Atharvaçiras, 23. Atharvaçikhâ, 24. Maitrâyaṇî1 25. Kaushîtaki, 26. Bṛihajjâbâla, 27. Nṛisiṅhatâpanîya, 28. Kâlâgnirudra, 29. Maitreya2, 30. Subâlâ, 81. Kshurikâ, 32. Mantrikâ3, 33. Sarvasâra4, 34. Nirâlamba, 35. Çuka rahasya, 36. Vajrasûcî, 37. Tejobindu, 38. Nâdabindu, 39. Dhyânabindu, 40. Brahmavidyâ, 41. Yogatattva, 42. Âtmabodha, 43. Nâradaparivrâjaka, 44. Triçikhibrâhmaṇa, 45. Sîtâ, 46. Yogacûḍâmaṇi, 47. Nirvâṇa, 48. Maṇḍalabrâhmaṇa, 49. Dakshiṇâmûrti, 50. Çarabha, 51. Skanda, 52. Tripâdvibhûtimahânârâyaṇa, 53. Advayatâraka, 54. Râmarahasya5, 55. Râmatâpanîya, 56. Vâsudeva, 57. Mudgala, 58. Çâṇḍilya, 59. Pai gala, 60. Bhikshuka6, 61. Mahâ, 62. Çârîraka, 63. Yogaçikhâ, 64. Turîyâtîtâvadhûta7, 65. Sannyâsa8, 66. Paramahaṅsaparivrâjaka, 67. Akshamâlikâ, 6. Avyakta, 69. Ekâkshara, 70. Annapûrṇâ, 71, Sûrya, 72. Akshi, 73. Adhyâtma, 74. Kuṇḍika9, 75. Sâvitrî, 76. Âtma, 77. Pâçupatabrahma, 78. Parabrahma10, 79. Avadhûta, 80. Tripurâtâpinî, 81. Devî, 82. Tripura, 83. Kaṭha(-rudra)11, 84. Bhâvanâ, 85. Rudrahṛidaya, 86. Yogakuṇḍalî, 87. Bhasmajâbâla, 88. Rudrâkshajâbâla, 89. Gaṇapati, 90. Darçana, 91. Târasâra, 92. Mahâvâkya, 93. Pañcabrahma, 94. Prâṇâgnihotra, 95. Gopâlatâpinî, 96. Kṛishṇa, 97. Yâjñavalkya12, 98. Varâha, 99. Çâṭyâyana, 100. Hayagrîva, 101. Dattâtreya, 102. Gâruḍa, 103. Kalisamtaraṇa, 104. Jâbâli, 105. Saubhâgyalakshmî, 106. Sarasvatîrahasya, 107. Bahvṛica, 108. Muktikâ.

Dass die Muktikâ von diesen 108 Upanishad's in erster Linie Mâṇḍûkya empfiehlt, ist, wenn wir die in der Sammlung einbegriffene Kârikâ, des Gauḍapâda darunter mitverstehen, von dogmatischem Standpunkte aus begreiflich: beide bieten eine vortreffliche Übersicht der Vedântalehre. Auch die weiter folgende Empfehlung der zehn (ersten) Upanishad's ist[533] vollkommen verständlich: es sind die Upanishad's der drei älteren Veden nebst den drei wichtigsten Atharva-Upanishad's (Muṇḍaka, Praçna, Mâṇḍûkya); auffallend ist nur die Ausschliessung von Çvetâçvatara, Maitrâyaṇî und namentlich Kaushîtaki. Diese zehn ersten Upanishad's der Muktikâ sind denn auch, und zwar in der von ihr angegebenen Reihenfolge, wiederholt in Indien gedruckt worden und dort in aller Händen. Unverständlich ist es hingegen, wenn die Muktikâstelle dann weiter die (ersten) zweiunddreissig Upanishad's bevorzugt wissen will; es befinden sich sehr zweifelhafte Produkte darunter, während viele, allgemein anerkannte Atharva-Upanishad's erst später in der Aufzeichnung folgen. Für die Reihenfolge ist, abgesehen von der Voranstellung der zehn Hauptupanishad's, ein Prinzip nirgendwo ersichtlich.

Diese 108 Upanishad's liegen seit 1883, in Telugucharakteren gedruckt, mit mancherlei Beigaben in einem 124 + 902 Seiten zählenden Bande vor, ohne Kommentare, ohne jede Worttrennung und leider vielfach unkorrekt, so dass stellenweise nicht durchzukommen ist, und vor eingehender Bearbeitung der in Aussicht stehende Neudruck der 108 Upanishad's in Bombay abzuwarten ist.13 Manche, auch anderweit bekannte Upanishad's erscheinen in dieser Sammlung ganz oder teilweise unter anderm Namen (vgl. die Anmerkungen auf S. 533), vieles davon in völlig veränderter Anordnung; mehrere auch in den übrigen Sammlungen vorkommende kleine Upanishad's sind in der Telugu-Ausgabe durch Zutaten auf das Zehnfache und Zwanzigfache ihres Umfangs erweitert, wie wir dies gelegentlich anmerken werden. Es scheint somit hier eine eigentümliche, nach dem Süden Indiens weisende und jedenfalls sehr beachtenswerte und nähere Untersuchung verdienende Upanishad-Tradition vorzuliegen, für deren Glaubwürdigkeit es allerdings kein gutes Vorurteil erweckt, dass von den 108 Upanishad's willkürlich und ohne einen Anschein von Berechtigung 10 dem Ṛigveda, 19 dem weissen, 32 dem schwarzen Yajurveda, 16 dem Sâmaveda und 31 dem Atharvaveda zugeschrieben werden. Dass auch diese Sammlung nur eine Auswahl aus einem noch grösseren vorliegenden Materiale ist, scheint zu folgen aus Muktikâ, Vers 44: sarvopanishadâm madhye sâram ashṭottaram çatam. Aber auch unter den 108 aufgenommenen Upanishad's sind viele, welche in keiner der demnächst zu nennenden Sammlungen Aufnahme, mithin keine allgemeinere Anerkennung gefunden haben.

Fußnoten

1 Ist = Maitr. 1-6,8. Statt 4,4-6 stehen die Verse 6,34 (oben S. 357-358). Adhyâya 5 wird als Schluss zu Adhyâya 4 gerechnet.


2 Der Eingang ist aus Maitrâyaṇa-Up., das Weitere eigentümlich.


3 Ist eine andre Rezension von Cûlikâ.


4 Ist im wesentlichen = Sarvopanishatsâra.


5 Der erste Adhyâya ist = Hanumaduktarâmopanishad.


6 Ist der Hauptsache nach = Âçrama, Cap. 4.


7 Ist eine Nachbildung von 19. Paramahaṅsa.


8 Ist Kaṇṭhaçruti 1-2 mit Zusätzen.


9 Ist Sannyâsa 2-5 in andrer Rezension.


10 Ist eine andre Rezension von Brahma-Up. mit starken Abweichungen.


11 Ist Kaṇṭhaçruti 3-5 mit Erweiterungen.


12 Ist nochmals Jâbâla-Up. 5-6 mit einer metrischen Coda.


13 Derselbe ist mir endlich (März 1896) während der Drucklegung des vorliegenden Werkes zugegangen. Çvetâçvatara ist vor Brahma, Kaivalya, Jâbâla versetzt, und Brahmabindu hat mit Brahma die Stelle getauscht, – beides gegen die Reihenfolge der Muktikâ. Mâṇḍûkya erscheint leider ohne Gauḍapâda's Kârikâ, und hinter Nârâyaṇa ist Mahânârâyaṇa eingeschoben. Gewisse orthographische Eigentümlichkeiten scheinen auf (ganze oder teilweise) Abhängigkeit vom Telugudruck zu deuten.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 532-534.
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