3.

[820] Umdeutung des Om-Lautes auf den Râma-Mythus, nebst nachfolgender Reproduktion von Mâṇḍûkya-Up. 1-7 (oben S. 577 fg). und Nṛisiṅhott. 2 (S. 784).


Entsprungen aus dem a-Laute,

Ist Lakshmaṇa dem Viçva gleich;

Entsprungen aus dem u-Laute,

Ist Çatrughna der Taijasa.


Entsprungen aus dem m-Laute,

Ist Bharata dem Prâjña gleich;

Der Halbmora entspricht Râma,

Der Brahman-Wonne leibhaft ist.


Dem Râma nah sich anschmiegend,

Als Welt-Wonne-Verleiherin,

Ursprung, Bestand, Vergang wirkend

Aller Wesen, soll wissen man


Jene erhabene Sîtâ,

Die da heisst Mûla-Prakṛiti;

Weil sie Praṇava (der Om-Laut) ist, nennen

Brahmankenner sie Prakṛiti.


»Om! Diese Silbe ist die ganze Welt. Ihre Erläuterung ist wie folgt. Das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige, dieses alles ist der Laut Om. Und was ausserdem noch über die drei Zeiten hinausliegend ist, auch das ist der Laut Om. Denn dies alles ist Brahman, Brahman aber ist der Âtman, und dieser Âtman ist vierfach.

Der im Stande des Wachens befindliche, nach aussen erkennende, siebengliederige, neunzehnmündige, das Grobe geniessende Vaiçvânara ist sein erstes Viertel.

Der im Stande des Träumens befindliche, nach innen erkennende, siebengliederige, neunzehnmündige, das Auserlesene geniessende Taijasa ist sein zweites Viertel.

Der Zustand, wo er eingeschlafen keine Begierde mehr empfindet und kein Traumbild schaut, ist der Tiefschlaf. Der im Stande des Tiefschlafes befindliche, einsgewordene, durch und durch ganz aus Erkenntnis bestehende, aus Wonne bestehende, die Wonne geniessende, das Bewusstsein als Mund habende Prâjña ist sein drittes Viertel. Er ist der Herr des[821] Alls, er ist der Allwissende, er ist der innere Lenker, er ist die Wiege des Weltalls, denn er ist Schöpfung und Vergang der Wesen.

Nicht nach innen erkennend und nicht nach aussen erkennend, noch nach beiden Seiten erkennend, auch nicht durch und durch aus Erkenntnis bestehend, weder bewusst noch unbewusst2, – unsichtbar, unbetastbar, ungreifbar, uncharakterisierbar, unbezeichenbar, nur in der Gewissheit des eigenen Selbstes gegründet, die ganze Weltausbreitung auslöschend, beruhigt, selig, zweitlos, – das ist das vierte Viertel, das ist der Âtman, den soll man erkennen« (oben S. 577-579).

Ewig aufleuchtend, vom Nichtwissen und seinen Wirkungen befreit ist dieser Âtman, der Bande entledigt, allezeit der Zweiheit fremd, wonnegestaltig, Allgrundlage, reines Sein, von sich werfend Nichtwissen, Finsternis und Betörung (oben S. 784). »Er bin ich«, so soll man denken; das Wort »Ich« bedeutet Om, Jenes, das Seiende, welches das höchste Brahman, welches Râmacandra ist. Jenes aus Geist bestehende bin ich, bin Om, Jenes, Râmabhadra, das höchste Licht. In das Wort »Ich« soll man den Âtman fassen und ihn im Geist mit Brahman einsmachen.


Wer mit Aufrichtigkeit allzeit

»Ich bin Râma!« dies Wort bekennt,

Der ist nicht mehr dem Samsâra

Angehörig, ist Râma selbst.


So lautet die Upanishad; und wer solches weiss, der wird ein Erlöster. – So sprach Yâjñavalkya.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 820-822.
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