Dritter Khaṇḍa.

[71] Fortsetzung: wie in psychischer Hinsicht (adhyâtmam) ein Symbol des Prâṇa, so ist in kosmischer Hinsicht (adhidaivatam) der Udgîtha ein Symbol der Sonne (1-2). – Auch als Vyâna soll man den Udgîtha verehren (3-5). – Sodann werden nach dem Schema (vgl. Talav. Up. Br. 1,57,7):


ud-prâṇadyausÂdityasâmaveda

-vâcantarikshamVâyuyajurveda

thaannampṛithivîAgniṛigveda


in spielender Weise die drei Silben des Wortes udgîtha auf die drei Hauptverrichtungen des Menschen (Atmen, Reden, Essen), die drei Hauptgebiete der Welt, ihre drei Regenten und die drei Veden gedeutet (6-7). – Zum Schlusse folgt (ähnlich wie am Schlusse des verwandten Abschnittes Bṛih. 1,3 der Pavamânânâm Abhyâroha) eine Âçîḥ-samriddhi) d.h. eine Anweisung, woran man beim Singen des Udgîtha zu denken habe, um dieser Zeremonie den vollen Erfolg zu sichern (8-12).


1. Nunmehr in bezug auf die Gottheit.

Der dort glüht (die Sonne), als den soll man den Udgîtha verehren. Denn indem er aufgeht (ud-yan) lobsingt er (udgâyati) für die Geschöpfe. Und indem er aufgeht, verscheucht er Dunkel und Furcht. Wahrlich, ein Verscheucher von Dunkel und Furcht wird, wer solches weiss.

2. Auch sind dieser (Prâṇa) und jener (die Sonne) gleichartig. Heiss ist dieser, und heiss ist jener. Als Klang bezeichnet man diesen, als Klang [svara, im Anklang an svar Licht], als [täglich] Wiederneuklang auch jenen. Darum soll man als diesen hier und als jenen dort den Udgîtha verehren.

3. Aber auch als den Vyâna (Zwischenhauch) soll man den Udgîtha verehren. Denn dass man aushaucht, das ist der Prâṇa (Aushauch), und dass man einhaucht5, das ist der Apâna (Einhauch); aber das Bindeglied zwischen Prâṇa und Apâna, das ist der Vyâna. Der Vyâna aber ist dasselbe wie die Rede; daher kommt es, dass man ohne auszuhauchen und ohne einzuhauchen die Rede ausspricht.[71]

4. Die Rede wiederum ist dasselbe wie die Ṛic; daher kommt es, dass man ohne auszuhauchen und ohne einzuhauchen die Ṛic ausspricht. Die Ṛic wiederum ist dasselbe wie das Sâman; daher kommt es, dass man ohne auszuhauchen und ohne einzuhauchen das Sâman singt. Das Sâman endlich ist dasselbe wie der Udgîtha; daher kommt es, dass man ohne auszuhauchen und ohne einzuhauchen den Udgîtha singt.

5. Aber auch sonst was noch für kraftanstrengende Tätigkeiten sind, wie das Reiben des Feuers, das Laufen um die Wette, das Spannen eines starken Bogens, die verrichtet man ohne auszuhauchen und ohne einzuhauchen. – Aus dieser Ursache soll man den Udgîtha als den Vyâna verehren.

6. Ferner auch soll man die Silben des Wortes udgîtha verehren (vgl. Talav. Up. Br. 1,57,7-8):

ud ist der Prâṇa, denn durch den Prâṇa steht man aufrecht (ut-tishṭhati, vgl. Kaush. 3,3, oben S. 45), ist die Rede, denn Anrufungen (giraḥ) sind Reden; tha ist die Nahrung, denn in der Nahrung ist die ganze Welt beruhend (sthita);

7. ud ist der Himmel, der Luftraum, tha die Erde;

ud ist Âditya, ist Vâyu, tha Agni;

ud ist der Sâmaveda, der Yajurveda, tha der Ṛigveda.

Dem lässt die Rede Melktrank strömen, den Melktrank, der der Rede eigen ist, der wird nahrungreich, nahrunggeniessend, wer, solches wissend, diese Silben des Wortes ud-gî-tha verehrt.

8. Nunmehr vom Gelingen des Segenswunsches. Als Zufluchtsstätten soll man sie [die folgenden] verehren.

Man nehme seine Zuflucht zu dem Sâman, mit welchem man das Stotram singen will.

9. Man nehme seine Zuflucht zu der Ṛic, auf welcher es beruht, zu dem Ṛishi, welchen es zum Dichter hat, zu der Gottheit, welche man in dem Stotram preisen will.

10. Man nehme seine Zuflucht zu dem Metrum, in welchem man das Stotram singen will; man nehme seine Zuflucht zu der Stomaform, in welcher man das Stotram für sich singen will.

11. Man nehme seine Zuflucht zu der Himmelsgegend, nach welcher hin man das Stotram singen will.[72]

12. Endlich ziehe man sich zurück auf sich selbst und singe das Stotram, indem man unentwegt an seinen Wunsch denkt.

Dann ist Hoffnung, dass einem der Wunsch sich erfüllt, welchen wünschend man das Stotram singt, – welchen wünschend man das Stotram singt.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 71-73.
Lizenz: