Erster Prapâṭhaka.

[65] Wie die Upanishad's des Ṛigveda ausgehen von einer allegorischen Betrachtung des Uktham (Ait. Âr. 2, 1-3; Kaush. Up. 2,6, oben S. 10. 32), so beschäftigen sich die beiden ersten Prapâṭhaka's der zum Sâmaveda gehörigen Chândogya-Upanishad mit mystischen Ausdeutungen des Sâman und seines Hauptteils, des vom Udgâtar selbst gesungenen Udgîtha (Hochgesang).

Der Agnishṭoma, das Somaopfer in seiner einfachsten Form, hat nach einer Reihe vorbereitender Tage nur einen Sutyâ-Tag, an welchem der Soma im Prâtaḥ-savanam, Mâdhyandina-savanam und Tṛitîya-savanam des Morgens, Mittags und Abends gekeltert wird. Die Hauptmomente bei der Kelterungsfeier sind: 1) graha, die Schöpfung des ausgepressten Soma in Becher, durch den Adhvaryu und seine Gehilfen, hierauf 2) das stotram, der Lobgesang des Udgâtar und seiner Gehilfen, sodann 3) das çastram, die Rezitation des Hotar und seiner Gehilfen, und endlich 4) die âhuti, die Libation des Soma im Feuer. Dieser Vorgang von Schöpfung, Lobgesang, Rezitation und Libation (graha, stotram, çastram, âhuti) wiederholt sich (von einzelnen Modalitäten abgesehen) bei der Frühspende des Agnishṭoma fünfmal, bei der Mittagsspende fünfmal und bei der Abendspende zweimal. Alle die dabei vorkommenden graha, stotra und çastra haben verschiedene Namen und erfahren mannigfache Deutungen.

Ein Stotram, welches zu singen dem Udgâtar und seinen Gehilfen, dem Prastotar und Pratihartar obliegt, pflegt aus einigen Versen zu bestehen, deren jeder von den genannten Priestern beim Gesange in fünf Teile, hińkara, prastâva, udgîtha, pratihâra und nidhanam, zerlegt wird. – So liegen z.B. dem Sâman Rathantaram, welches als zweites Stotram der Mittagsspende benutzt wird, die Verse zugrunde (Ṛigv. 7,32,22-23 = Sâmav. I, 3,1,5,1 und II, 1,1,11,1):


22. abhi tvâ, çűra, nonumo adugdhâ iva dhenavaḥ

îçânam asya jagataḥ svardṛiçam,

îçânam, Indra, tasthushaḥ.


23. na tvâvân anyo divyo na pârthivo

na jâto, na janishyate,

açvâyanto, maghavan Indra, vâjino

gavyantas tvâ havâmahe.


Diese gestalten sich (nach Haug, Ait. Br. II, 198, wenn wir pratihâra und upadrava [s.u.] vereinigen) zu folgendem Stotram:


I.

a. hińkâra (vom Udgâtar gesungen).

b. prastâva (vom Prastotar gesungen): hum! âbhi tvâ çűra nonumo, vâ

c. udgîtha (Udgâtar): om! âdugdhâ iva dhenava'

îçânam asya

jagataḥ suvârdṛiçâm

[66] d. pratihâra (Pratihartar): â-îçânam â Indrâ

susthűshâ ovâ hâ uvâ

e. nidhanam (alle drei): as!


II.

a. hińkâra.

b. prastâva: îçovâ

c. udgîtha: om! -nâm Indra susthusho

na tvâvân anyo diviyo na pârthivâḥ

d. pratihâra: na jâto nâ jâ-nâ-ishyâtâ ovâ hâ uvâ

e. nidhanam: as!


III.

a. hińkâra.

b. prastâva: na jovâ

c. udgîtha: om -to na janishyate açvâyanto maghavan

Indra vâjinâḥ

d. pratihâra: gavyantas tvâ hâ-vâmâhâ ovâ hâ uvâ

e. nidhanam: as!


Von andern Sâman's ausser dem Rathantaram werden noch Gâyatram, Vâmadevyam, Bṛihad, Vairűpam, Vairâjam, Çâkvaram, Raivatam, Yajńâyajńîyam, Râjanam und Sâman im allgemeinen Chând. Up. 2,11-21 erwähnt und nach ihren fünf Teilen, hińkâra, prastâva, udgîtha, pratihâra und nidhanam, allegorisch verarbeitet.

Neben diesem fünffachen Sâman gibt es ein siebenfaches Sâman (Chând. 2,8-10), welches entsteht, indem zwischen Prastâva und Udgîtha die Silbe om noch als ein neues Glied, der Âdiḥ, eingeschoben, und ferner der Pratihâra in Pratihâra und Upadrava zerlegt wird.

Soviel zur Einleitung in Prapâṭhaka 1 und 2 im allgemeinen. Wenn die in ihnen mit diesen Dingen getriebenen Allegorien für uns Fernstehenden auch nichts Anziehendes haben, so dürfen wir doch als sicher annehmen, dass sie nicht neben den wertvollsten philosophischen Gedanken als gleichberechtigt stehen würden, wären sie nicht dem Inder (der in diesen liturgischen Vorstellungen erzogen war, und der nur durch Umdeutung derselben von ihnen den Übergang zu einer höhern, philosophischern Ansicht der Dinge zu gewinnen wusste) sehr wichtig und interessant gewesen. Ein Historiker aber in vollem Sinne wird nur der heissen können, der sich so ganz in den Geist der Fremde und Vergangenheit zu versetzen weiss, dass er auch ihre Gefühle für Wert und Unwert der Dinge vorübergehend zu den seinigen zu machen vermag.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 65-67.
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