7,1-7: Der Âtman als die Weltsonne und ihre Strahlen.

[363] Der Âtman ist die Weltsonne, alle Götter, Metra, Stoma's, Sâman's, Jahreszeiten, Lebenshauche, göttliche, dämonische und irdische Wesen sind nur seine nach Osten, Süden, Westen, Norden, oben und unten ausgehenden und wieder in ihn zurückkehrenden Strahlen, – das ist der Grundgedanke dieses (in ähnlicher Weise wie Chând. 3,1 fg). für unser Gefühl etwas zu weit ausgesponnenen Stückes; die Identität dieses Âtman mit den beiden Hauptgöttern des Volksglaubens, Çiva und Vishṇu, sowie die Einheit des im Feuer, im Herzen und in der Sonne verkörperten Geistes werden am Schlusse nochmals nachdrucksvoll hervorgehoben.


1. Agni, die Gâyatrî, der Stoma Trivṛit, das Sâman Rathantaram, der Frühling, der Prâṇa, die Sterne, die Vasu's, – die gehen nach Osten aus ihm hervor, sie leuchten, sie regnen, sie preisen ihn, gehen wieder in ihn ein und blicken aus ihm durch eine Spalte hervor, – er aber ist undenkbar, gestaltlos, tief, verborgen, tadellos, kompakt, abgründlich, guṇalos, glanzvoll, guṇageniessend, furchtbar, entwicklunglos, Meister der Yogin's, allwissend, machtvoll, unermesslich, anfanglos, endlos, selig, ungeboren, weise, unbeschreiblich, allschaffend, allbeseelend, allgeniessend, allbeherrschend, von allem des Innern Innerstes.

2. Indra, die Trishṭubh, der Stoma Pañcadaça, das Sâman Bṛihad, der Sommer, der Vyâna, der Soma, die Rudra's, – die gehen nach Süden aus ihm hervor, sie leuchten, sie regnen, sie preisen ihn, gehen wieder in ihn ein und blicken aus ihm durch eine Spalte hervor, – er aber ist ohne Anfang und Ende, unermesslich, unbegrenzt, unbewegbar von anderm, frei, kennzeichenlos, gestaltlos, von unendlicher Kraft, Schöpfer und Erleuchter.

3. Die Marut's, die Jagatî, der Stoma Saptadaça, das Sâman Vairûpam, die Regenzeit, der Apâna, der Planet Çukra[363] (Venus), die Âditya's, – die gehen nach Westen aus ihm hervor, sie leuchten, sie regnen, sie preisen ihn, gehen wieder in ihn ein und blicken aus ihm durch eine Spalte hervor, – er aber ist die ruhige, wortlose, furchtlose, kummerlose, Wonne seiende, gesättigte, feste, unwankende, unsterbliche, unerschütterliche, beständige, nach Vishṇu benannte (Kâṭh. 3,9 und oben 6,26), alles unter sich habende Stätte.

4. Die Viçve Devâḥ, die Anushṭubh, der Stoma Ekaviṅça, das Sâman Vairâjam, der Herbst, der Samâna, Varuṇa, die Sâdhya's, – die gehen nach Norden aus ihm hervor, sie leuchten, sie regnen, sie preisen ihn, gehen wieder in ihn ein und blicken aus ihm durch eine Spalte hervor, – er aber ist innerlich rein, geläutert, leer, beruhigt, prâṇalos, âtmanlos, unendlich.

5. Mitra-Varuṇa, die Pa kti, die Stoma's Triṇava und Trayastriṅça, die Sâman's Çâkvaram und Raivatam, der Winter und die kalte Jahreszeit, der Udâna, die A giras', der Mond, – die gehen nach oben aus ihm hervor, sie leuchten, sie regnen, sie preisen ihn, gehen wieder in ihn ein und blicken aus ihm durch eine Spalte hervor, – ihn aber [wisse man] als den Prâṇava genannten, den Lenker, den lichtgestaltigen, schlummerlosen, alterlosen, todlosen, leidlosen.

6. Çani (Saturn), Râhu (der Drachenkopf), Ketu (der Drachenschwanz), die Schlangen, Rakshas', Yaksha's, Menschen, Vögel, Ungetüme, Elefanten usw., – die gehen nach unten aus ihm hervor, sie leuchten, sie regnen, sie preisen ihn, gehen wieder in ihn ein und blicken aus ihm durch eine Spalte hervor, – aus ihm der da der Weise, Auseinanderhalter, allem Innerliche, Unvergängliche, Reine, Lautere, Glanzvolle, Geduldige, Ruhige ist.

7. Und er, fürwahr, ist »der Âtman im innern Herzen, der gar kleine« (Chând. 3,14,3), gleichwie ein flammend Feuer allgestaltig, ihm dient als Nahrung dies Weltall, ihm eingewoben sind die Wesen alle (vgl. Bṛih. 3,8), »er ist der Âtman, der sündlose, frei von Alter, frei von Tod und frei von Leiden, ohne Zweifel und ohne Fesseln, sein Ratschluss[364] ist wahrhaft, wahrhaft sein Wünschen« (Chând. 8,1,5 frei); »er ist der oberste Herr, er ist der Gebieter der Wesen, er ist der Hüter der Wesen, er ist die Brücke, welche auseinanderhält« (Bṛih. 4,4,22). Ja, wirklich, dieser Âtman ist [wie es schon oben 6,8, S. 334 hiess] Îçâna, Çambhu, Bhava, Rudra, Prajâpati, Allschöpfer, Hiraṇyagarbha, die Wahrheit, der Prâṇa, der Zugvogel, der Gebieter, der Unerschütterliche, Vishṇu, Nârâyaṇa; und der da in dem Feuer weilt, und der in dem Herzen weilt, und der in der Sonne weilt, das ist er allein. Dir, diesem Allgestaltigen und doch in dem wahren Äther [des Herzens] Verborgenen sei Verehrung!

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 363-365.
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