7,8-10: Polemik gegen Häretiker.

[365] Die nun folgende Polemik gegen ketzerische Bestrebungen führt mit Sicherheit in eine Zeit, in welcher bereits ausservedische Richtungen, und zwar als Gegenstand eines besondern Studiums (na avaidikam adhîyîta) bestanden, sowie auch Lebensordnungen, welche der vedischen feindlich gegenüberstanden (veda-âdi-çâstra-hiṅsaka-dharma). Dass darunter, nebst andern, auch buddhistische Häresien zu verstehen sind, ist durchaus wahrscheinlich, aber die Schilderung ist nicht konkret genug, um es mit Bestimmtheit zu erweisen. Die Anrede zu Anfang »o König!« (welcher nicht mehr Bṛihadratha sein kann) scheint darauf hinzudeuten, dass das Stück aus einem andern, unserer Upanishad ursprünglich fremden Zusammenhange herüber genommen ist.


8. Nunmehr, o König, über die Anfechtungen der Erkenntnis.

Das, fürwahr, ist der Ursprung des Netzwerkes der Verblendung, dass der des Himmels Würdige mit solchen, die des Himmels unwürdig sind, [in Berührung kommt,] das ist es; eine Nyagrodhalaube öffnet sich vor ihnen, und sie klammern sich an niederes Strauchwerk an;

ferner sind da solche, welche stets ausgelassen, stets sich herumtreibend, stets bettelnd, stets von ihren Künsten lebend sind;

ferner sind da solche, welche in den Städten betteln, für Unbefugte das Opfer veranstalten, sich bei Çûdra's in die Lehre begeben oder als Çûdra's des Schriftkanons kundig sind;[365]

ferner sind da solche, die als Gauner, Heuchler, Tänzer, Söldner, Landstreicher, Komödianten oder im Königsdienste einen Fehltritt oder dergleichen begangen haben;

ferner sind da solche, welche, wo Gefahr von Yaksha's, Râkshasa's, Gespenstern, Geisterscharen, Kobolden, Schlangen, Dämonen usw. droht, aus Gewinnsucht behaupten: »wir beschwören sie«;

ferner sind da solche, welche sich ohne Berechtigung die roten Kleider, die Ohrringe und den Schädelschmuck [gewisser Asketen] anmassen;

ferner sind da solche, welche durch das Gaukelwerk und Blendwerk trügerischer Argumentation und Nutzanwendung die Vedagläubigen zu bedrängen lieben; –

mit diesen allen soll man nicht verkehren, denn sie sind offenbar nur Diebe und des Himmels unwürdig.

Denn so heisst es:


Durch Âtmanleugnungs-Blendwerke

Und falscher Nutzanwendung Schein

Verführt, weiss nicht mehr zu scheiden

Veda und Menschenwitz das Volk.


9. Nämlich Bṛihaspati war es, welcher, die Gestalt des Çukra [des Lehrers der Asura's] annehmend, um den Indra zu schützen, den Asura's zu ihrem Verderben diese Nichtwissenschaft (avidyâ) mitgeteilt hat, nach welcher das Böse gut und das Gute böse heisst, und sie zum Studium einer Satzung auffordern, welche die Lehrgebäude des Veda und [seiner Anhänge] umstürzen soll. Darum soll man diese Lehre nicht studieren, denn sie ist verkehrt und ist unfruchtbar, und ihr Lohn ist blosse [zeitliche] Lust [nur das preyas, nicht das çreyas, Kâṭh. 2,1], wie die eines vom rechten Wandel Abtrünnigen, daher man sich mit ihr nicht befassen soll. Denn die Schrift sagt (Kâṭh. 2,4. Îçâ 11 [missverstanden]. Kâṭh. 2,5):


Weit sind verschieden und entgegenstehend,

Was man das Wissen nennt und das Nichtwissen;

Nach Wissen seh' ich Naciketas trachten,

Der Lüste Heerschar hat dich nicht zerrüttet.
[366]

Doch wer Wissen und Nichtwissen,

Eins wie das andre kennt, erlangt

Rettung vom Tod durch Nichtwissen

Und durch Wissen Unsterblichkeit.


In des Nichtwissens Tiefe hin sich windend,

Sich selbst als Weise, als Gelehrte wähnend,

So laufen ziellos hin und her die Toren,

Wie Blinde, die ein selbst auch Blinder anführt.


10. Es geschah einmal (vgl. Chând. 8,7 fg)., dass die Götter und die Dämonen, nach dem Âtman verlangend, dem Brahman sich nahten, ihm Verehrung zollten und sprachen: »Ehrwürdiger, wir sind nach dem Âtman verlangend, den mögest du uns mitteilen!« Brahman aber, nach langem Nachdenken, erkannte, dass die Dämonen den Âtman suchten, wo er nicht zu finden war; und darum zeigte er ihnen den Âtman da, wo er ganz und gar nicht zu finden ist. Darum leben sie in Verblendung und in Anklammerung [an das Irdische], zerschlagen das rettende Boot, und indem sie der Unwahrheit die Ehre geben, betrachten sie, wie bei einem Blendwerke (indrajâlam), die Unwahrheit als die Wahrheit. Darum, was in den Veden geboten wird, das ist die Wahrheit, und was in den Veden gelehrt wird, darnach leben die Weisen. Darum soll ein Brahmane nichts Unvedisches studieren, denn der Erfolg würde sein wie bei jenen [Dämonen].

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 365-367.
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