7,11: Der Om-Laut im Herzensraume und im Weltraume.

[367] Von der 6,35 geschilderten »den Weltraum durchdringenden Kraft« (nabhaso 'ntargatam tejas) war 6,37 gelehrt worden, dass sie durch den Laut Om zu verehren sei. Wie dies geschehe, zeigt näher der erste Teil unseres Abschnittes in folgender Weise. Die Wesenheit des Äthers im Herzensraume ist jene »höchste Kraft« (param tejas); und die Wesenheit des Äthers im Herzensraume ist ebenso sehr der Laut Om (tejas = brahman = veda = om). In Gestalt des Lautes Om steigt jene Kraft mit dem Odem empor und verbreitet sich, wie der emporquellende Rauch, weiter und weiter, bis sie, wie der Salzklumpen das Wasser oder wie die Hitze die geschmolzene Butter, schnell, wie der Gedanke des Meditierenden, das Universum durchdringt. Wegen dieser Schnelligkeit heisst der Laut Om der »blitzartige«, was hier auf sein »Erleuchten« des ganzen Leibes (nach dem Kommentator des Weltleibes) gedeutet wird.

[367] Es folgen zum Schlusse acht Verse, von denen jedoch nur zwei (Vers 4-5) jene Verehrung des Tejas durch Om betreffen, während die übrigen dazu nur in entfernterer Beziehung stehen.

Die Verse 1-3 sind nur eine metrische Zusammenfassung von Bṛih. 4,2,2-3.

Die Verse 4-5 zeigen, wie das Manas die Körperwärme, diese den Odem antreibt, den Laut Om zu erzeugen, welcher, von Herz zu Kehle und Zunge hin stetig wachsend, schliesslich zum Mutterschoss (mâtṛikam) des ganzen Veda wird.

Vers 6 schildert, in wörtlicher Wiederholung des Verses Chând. 7,26,2 (nur statt paçyo das üblichere paçyan setzend), die Erhabenheit des »Schauenden« über Tod, Krankheit und Schmerz.

In Vers 7-8 werden die vier Zustände der Mâṇḍûkya-Upanishad mit den vier Vierteln des Brahman (Ṛigv. 10,90,3-4) in der Weise in Verbindung gesetzt, dass Wachen, Traumschlaf, Tiefschlaf das eine Viertel ausmachen, während der »vierte Zustand« (turîyam, siehe oben S. 343. 344) die drei unsterblichen Viertel ist. Weil er beide, die Wahrheit und die Unwahrheit, kosten wollte, ist Brahman in die zweiheithafte Welt eingegangen. Mit diesem grossen Gedanken schliesst die Upanishad.


11. Wahrlich, die Wesenheit des im [Herzens-]Raume befindlichen Äthers, das ist jene höchste Kraft; diese ist dreifach dargelegt, im Feuer, in der Sonne und im Prâṇa.

Wahrlich, die Wesenheit des im [Herzens-]Raume befindlichen Äthers, das ist jene Silbe Om.

Durch sie bricht jene Kraft hervor, steigt empor und wird ausgehaucht, sei es ohne Unterlass, sei es in Stützung auf die Meditation des Brahman.

Hierbei tritt jene Kraft beim Wallen [des Atems], als die das Licht verschmähende Wärme auf; und, ähnlich wie es beim Wallen des Rauches geschieht, nachdem sie im Herzensäther nur als einzelner Zweig emporgequollen ist, so entfaltet sie sich weiter und wird zu einem Aste nach dem andern, [im Unendlichen aufgehend] wie wenn ein Salzklumpen ins Wasser geworfen wird, oder wie die Hitze [aufgeht] in der geschmolzenen Butter, oder wie der Gedanke des Meditierenden [ins Unendliche] sich ausbreitet.

Hierbei zitieren sie das Wort1: »Aber warum heisst er[368] [der Laut Om] der blitzartige? – Weil er, kaum ausgesprochen, den ganzen Leib [des Universums, Schol.] blitzartig erhellt.«

Darum also soll man durch den Laut Om jene unermessliche Kraft verehren.


1. Der Purusha im Aug'-Innern,

Der hier im rechten Auge weilt,

Der heisst Indra, und ihm Gattin

Ist, die im linken Auge weilt.2


2. Und in des Herzens Hohlraume

Ist der beiden Vereinigung,

Das ist die Kraft (tejas); ein Blutklumpen

Dient den beiden [als Nahrung] dort


3. Aus dem Herzen emporsteigend,

Im Auge nehmend ihren Stand,

Dient als Leitung eine Ader,

Für zwei eine, die spaltet sich.


4. Manas trifft auf das Leibfeuer,

Dieses regt an den Leibeshauch,

Der Leibhauch, in der Brust schaltend,

Erweckt den Ton, den lieblichen.


5. Im Herzen durch des Äthers Feu'r entspringend,

Ein Punkt des Punkts, wird's zweifach in der Kehle,

Und dreifach schon ist's auf der Zungenspitze,

Doch strömt es aus, dann ist's das Mutterwesen.


6. Der Schauende schaut nicht den Tod,

Nicht Krankheit und nicht Ungemach,

Das All nur schaut der Schauende,

Das All durchdringt er allerwärts.
[369]

7. Der im Auge und der im Traum,

Der im Tiefschlaf und der zuhöchst,

Das sind seine vier Abarten,

Doch am grössten der vierte ist.


8. Ein Viertel Brahman's in Dreien,

In dem letzten drei Viertel sind.

Zu schmecken Wahrheit und Täuschung,

Ward zweiheitlich das grosse Selbst.


Fußnoten

1 Hier scheint wirklich sogar Atharvaçira'-Up. 4 (wenn nicht deren Quelle) zitiert zu werden.


2 Nach Bṛih. 4,2,2-3. Vgl. Talav. Up. Br. 1,43,9.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 367-370.
Lizenz:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Catharina von Georgien

Catharina von Georgien

Das Trauerspiel erzählt den letzten Tag im Leben der Königin von Georgien, die 1624 nach Jahren in der Gefangenschaft des persischen Schah Abbas gefoltert und schließlich verbrannt wird, da sie seine Liebe, das Eheangebot und damit die Krone Persiens aus Treue zu ihrem ermordeten Mann ausschlägt. Gryphius sieht in seiner Tragödie kein Geschichtsdrama, sondern ein Lehrstück »unaussprechlicher Beständigkeit«.

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon