Einleitung.

[211] Wie der Ṛigveda das Handbuch des Hotar (Rufer), der Sâmaveda das des Udgâtar (Sänger), so ist der Yajurveda das des Adhvaryu oder ausübenden Priesters, welcher bei seinen Funktionen, ebenso wie Hotar und Udgâtar, zweierlei gebraucht: 1) Mantra's, d.h. eine Sammlung von Liedern und Sprüchen, für den Adhvaryu bestehend in Opfersprüchen (yajus), teils in Versen, teils in rhythmischer Prosa, 2) ein Brâhmaṇam, d.h. eine Anweisung zur richtigen Anwendung des Mantra-Materials nebst den nötigen Erläuterungen desselben. Während aber für den Ṛigveda und Sâmaveda Mantra's und Brâhmaṇam zwei verschiedene, aufeinander Bezug nehmende Werke, die Samhitâ und das Brâhmaṇam bilden, so ist dies für den Yajurveda nur in der jüngern der beiden Formen, in welchen er vorhanden ist, nämlich im weissen (d.h. geordneten) Yajurveda der Fall, der in der Schule der Vâjasaneyin's vorliegt, während hingegen der schwarze (ungeordnete) Yajurveda (vertreten durch die Schulen der Taittirîyaka's, Kâṭhaka's und Maitrâyaṇîya's) diese Trennung noch nicht durchgeführt hat, sondern, wie es auch für den Adhvaryu das Natürlichere ist, Mantra's und Brâhmaṇam, Opfersprüche und Gebrauchsanweisung, in einem und demselben Werke, der Samhitâ, vereinigt enthält. So besitzen die Kâṭhaka's und die Maitrâyaṇîya's nur eine Samhitâ, kein besonderes Brâhmaṇam neben derselben, und ebenso enthält die Taittirîya-Samhitâ in ihren sieben Büchern abwechselnd mantra-artige und brâhmaṇa-artige Stellen, wiewohl auch hier schon eine Scheidung sich zu bilden im Begriffe ist, indem z.B. Buch 6 unter anderm die Gebrauchsanweisung[211] zu der Mantra-Sammlung in Buch 1, und ebenso Buch 5 die zu Buch 4 enthält. An diese Samhitâ der Taittirîyaka's schliesst sich als Nachtrag in drei Büchern ein Brâhmaṇam und an dieses wieder als Nachtrag in zehn Abschnitten ein Âraṇyakam. Beide Werke sind jedoch, von den vier letzten Abschnitten und einigen andern Stellen des Âraṇyakam abgesehen, nicht was der Name besagt, sondern blosse Fortsetzungen der Samhitâ, teils Ergänzungen, teils nähere Ausführungen zu derselben enthaltend; beide bieten, ebenso wie die Samhitâ, Mantra-artiges und Brâhmaṇa-artiges in buntem Gemische, und die Bezeichnung dieser beiden Nachträge als Brâhmaṇam und Âraṇyakam ist offenbar später und künstlich nachbildend von den andern Veden herübergenommen und hat nicht wie bei ihnen ihren Grund in der Verschiedenheit des Inhalts. Eine Ausnahme machen, von vereinzelten Stellen abgesehen, nur Taitt. Âr. 7-9 und 10, welche ein wirkliches Âraṇyakam bilden, sofern sie die beiden Upanishad's dieser Schule enthalten. Eine Analysis sämtlicher drei den Taittirîyaka's angehörigen Schriftwerke mit ihren durcheinandergeworfenen Materialien, in ihren Beziehungen zueinander und zu den andern Schulen des Yajurveda, bietet für die Kritik einen reichen und interessanten Stoff, – wir müssen uns hier begnügen, den Hauptinhalt der einzelnen Bücher mit einem Worte anzudeuten.


A. Taittirîya-Samhitâ.

I. 1. Opfersprüche zum Neu- und Vollmondsopfer.

2. Opfersprüche zum Somakaufe.

3. Opfersprüche zum Tieropfer vor dem Somaopfer.

4. Opfersprüche zu den Somaspenden und zur Schlussfeier.

5. Anlegung und Wiederanlegung des heiligen Feuers.

6. Formeln und Vorschriften, den Yajamâna betreffend.

7. Fortsetzung. Vâjapeya.

8. Râjasûya.

II. Opfer zu besondern Zwecken und bei besondern Anlässen.

III. Nachträgliches zum Somaopfer, u.a.

IV. Sprüche zur Schichtung des Altars, u.a.

V. Schichtung des Altars. – Rossopfer.

VI. Gebrauchsanweisung der Sprüche in Buch I.

VII. Vieltägige Somafeste und Rossopfer.


B. Taittirîya-Brâhmaṇam.

I. 1. Anlegung des heiligen Feuers.

2. Gavâm ayanam.

3. Vâjapeya.

4. Nachträgliches zum Somaopfer.

5. Über günstige und ungünstige Tage, u.a.

6-7. Brâhmaṇam des Râjasûya.

8. Fortsetzung des Râjasûya und Verschiedenes.

[212] II. 1. Agnihotram.

2-3. Daçahotar-Opfer (eine Form des Agnihotram).

4-5. Upahoma, ein Zusatzopfer, an zehn Götter.

6. Kaukilî Sautrâmaṇî, eine Sautrâmaṇî (Tieropfer mit Milch- und Surâspenden gegen Schluss der Somafeier) mit Sâman-Begleitung.

7. Verschiedene Sava's (Einweihungsopfer, eintägig).

8. Tieropfer zu besondern Zwecken.

III. 1. Nakshatra-ishṭi, Opfer an die Mondstationen.

2. Darçayâgavidhi, Neumondsopfer.

3. Paurṇamâsa-ishṭi, Vollmondsopfer.

4. Naramedhapaçukathanam, Menschenopfer.

5. Mantra's bei bestimmten Anlässen im Verlaufe des Opfers.

6. Pâçukahotraniruktiḥ, Tieropfer.

7. Acchidrakâṇḍakathanam, Sühnungen für Versehen beim Opfer.

8. Açvamedha, Rossopfer, erster Tag.

9. Açvamedha, zweiter und dritter Tag.


10. Sâvitracayanam, besondere Form der Altarschichtung.

11. Nâciketacayanam, besondere Form der Altarschichtung.

12. 1-2. Divaḥçyenî-ishṭi's Opfer in Zusammenhang mit dem Câturhotracayanam.

3-4. Âpâdyâ-ishṭi's Opfer in Zusammenhang mit dem Câturhotracayanam.

5. Câturhotracayanam, bes. Form der Altarschichtung.

6-9. Vaiçvasṛijacayanam, besondere Form der Altarschichtung.


ashṭau kâṭhakâni, acht ursprünglich der Schule der Kaṭha's gehörige, bei diesen aber nicht mehr erhaltene Abschnitte.


C. Taittirîya-Âraṇyakam.

1. Âruraketuka agni, besondere Form der Altarschichtung.

2. Svâdhyâyabrâhmaṇam, über brahmanische Erziehung und Vedastudium.


ashṭau kâṭhakâni, acht ursprünglich der Schule der Kaṭha's gehörige, bei diesen aber nicht mehr erhaltene Abschnitte.


3. Mantra's zum Câturhotracayanam.

4. Mantra's zur Pravargya-Zeremonie.

5. Verwendung derselben beim Pravargya.

6. Pitṛimedha, Bestattungszeremonien.

7. Çikshâ-vallî

8. Ânanda-vallî

9. Bhṛiguvallî

Taittirîya-Upanishad.


10. Mahâ-Nârâyaṇa-Upanishad (Yâjñikî Upanishad).


Wie diese Übersicht zeigt, haben die Taittirîyaka's als Ende ihres Veda (Taitt. Âr. 7. 8. 9. 10) vier upanishad-ähnliche Abschnitte, in deren Benennung, Zusammenfassung und Anordnung sich mehrfach Verschiedenheiten vorfinden, sofern namentlich die enger zusammengehörigen Abschnitte Taitt. Âr. 8 und 9 von der Âtreyî çâkhâ (einer Zwischenschule der Taittirîyaka's) als Vâruṇî Upanishad zusammengefasst und an den Schluss des Veda gebracht werden, so dass ihnen Ait. Âr. 10 unter dem Namen [213] Yâjñikî Upanishad vorausgeht. Wir halten uns an die Anordnung Ça kara's, welcher Ait. Âr. 7. 8. 9 als Taittirîya-upanishad zusammenfasst und sie als Çikshâ-vallî, Ânanda-vallî und (wenn auch dieser Name bei Ça kara selbst nicht nachweisbar ist) Bhṛigu-vallî unterscheidet. Wenn die verschiedenen Schulen çâkhâ's oder »Äste« des Vedabaumes heissen, so bezeichnet vallî, »die Schlingpflanze«, sehr treffend die Art, wie die Upanishad sich an das Brâhmaṇam anzuschmiegen und doch demselben gegenüber bis in die Wurzeln hinein volle Selbständigkeit zu wahren pflegt.

Quelle:
Sechzig Upanishads des Veda. Darmstadt 1963 [Nachdruck der 3. Aufl. Leipzig 1921], S. 211-214.
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