1. Die Potentialität als Vermögen der Bewegung

[142] Wir haben bisher von dem schlechthin Seienden gehandelt, von dem, worauf alle anderen Kategorien des Seienden bezogen werden, von der Substanz. Denn das Übrige, dem ein Sein zukommt, wird nach seinem Verhältnis zur Substanz bestimmt: Qualität und Quantität und was sonst die Geltung der Kategorie besitzt; alles dies muß, wie wir früher ausgeführt haben, den Begriff der Substanz mit einschließen. Da nun aber das Seiende, wie nach seinem Wesen, seiner Qualität oder Quantität, so auch andererseits nach dem Gesichtspunkte von Potentialität, von Entelechie als innerer Anlage und von Verwirklichung betrachtet wird, so wollen wir nunmehr dazu schreiten, auch über diese, über Potentialität und Entelechie, zu genaueren Bestimmungen zu gelangen.

Zuerst also von der Potentialität in ihrer ursprünglichen und nächsten Bedeutung, die freilich für das, was wir hier im Auge haben, nicht eigentlich in Betracht kommt. Denn Potentialität und Aktualität reicht weit hinaus über das, was bloß als das Gebiet der Bewegung aufgefaßt wird. Aber wenn wir zunächst über jene Bedeutung des Wortes gehandelt haben, werden wir bei der genaueren Erörterung des Begriffes der Aktualität auch auf die anderen Bedeutungen des Wortes zu sprechen kommen.

Daß von Potentialität und Vermögen in mehrfachem Sinne gesprochen wird, haben wir an anderer Stelle erörtert. Alle diejenigen Bedeutungen des Wortes Potentialität nun, bei denen bloße Gleichheit des Wortes vorliegt, können wir außer dem Spiele lassen. Zuweilen beruhen sie auf einer bloßen Ähnlichkeit; so »Potenz« in der Geometrie; so reden wir von »möglich« und »unmöglich« und meinen damit, etwas sei irgendwie der Fall oder nicht der Fall. Überall aber, wo dem Gebrauche des Wortes Potentialität eine wirklich Gemeinsamkeit des Begriffes zugrunde liegt, wird etwas bezeichnet,[142] was die Bedeutung eines Prinzips hat, und zwar wird es in Beziehung gesetzt zu einem einheitlichen ursprünglichen Prinzip, welches eine Veränderung bewirkt, sei es in einem anderen oder auch in dem Wirkenden selbst, sofern man in diesem das Leidende vom Wirkenden unterscheidet, wie z.B. wenn der Arzt sein eigener Patient ist. So gibt es eine Potentialität des passiven Verhaltens, die in dem leidenden Gegenstande selbst liegt, und sie bedeutet dann das Prinzip dafür, daß der Gegenstand durch die Einwirkung eines anderen oder doch eines solchen, was als ein anderes wirkt, verändert werden kann, oder auch einen Habitus der Unempfänglichkeit für die Veränderung zum Schlechteren und für die Verderbnis durch ein die Veränderung bewirkendes Prinzip, das in einem anderen oder einem als anderes Wirkenden vorhanden ist. In allen diesen Bestimmungen findet sich der Begriff der Potentialität in ihrem ursprünglichen Sinne wieder. Andererseits wird von Potentialität gesprochen entweder so, daß ein Tun und Leiden überhaupt, oder so, daß ein richtiges und angemessenes Tun und Leiden gemeint wird. Also auch in den hierher gehörigen Aussagen bleiben die oben bezeichneten Bedeutungen der Potentialität im Grunde bewahrt.

Es leuchtet ein, daß die Potentialität in ihrer Beziehung auf das aktive und auf das passive Verhalten in einem Betracht nur eine ist; denn potentiell ist etwas, sowohl sofern es von anderem eine Einwirkung zu empfangen, als auch sofern es auf anderes eine Einwirkung zu üben vermag; in anderem Betracht verhält es sich mit ihr in der einen Beziehung doch anders als in der anderen. Das eine Mal ist sie in dem Leidenden; denn vermöge eines gewissen Prinzipes, das es in sich enthält, und auch vermöge seiner Materie, die ein solches Prinzip ist, empfängt das Leidende die Einwirkung und empfängt sie als ein Gegenstand von einem anderen Gegenstande. Das Fett ist brennbar, und das in bestimmter Weise Widerstandsunfähige ist zerbrechlich, und das gleiche Verhältnis herrscht auch sonst in anderen Fällen. Das andere Mal ist die Potentialität in dem Wirkenden. So ist das Warme in dem Erwärmenden, und die Baukunst in dem Baukünstler vorhanden. Darum, sofern in einem Gegenstande beides ungeschieden ist, wirkt der Gegenstand nicht auf sich selbst; denn da ist nur eines und gibt es kein anderes.

Dem gegenüber bedeutet nun das Unvermögen und das Unvermögende die Privation, die zu dem Vermögen von solcher Art im Gegensatze steht; es steht also jedesmal das Vermögen dem Unvermögen gegenüber mit identischem Inhalt und in identischer Beziehung. Der Begriff der Privation[143] aber hat verschiedene Bedeutungen. Privation heißt das Nichthaben, und insbesondere das Nichthaben da, wo dem Gegenstande das, was er eigentlich haben sollte, fehlt, entweder überhaupt oder zu der Zeit, wo er es haben sollte, und entweder in bestimmter Weise, wie beim völligen Fehlen, oder in beliebiger Weise. Mitunter reden wir auch von Privation da, wo das Mangeln dessen, was man haben sollte, durch äußere Gewalt herbeigeführt ist.

Prinzipien von der bezeichneten Art kommen nun teils in dem Unbeseelten, teils in dem Beseelten vor, und zwar in der Seele, und hier in demjenigen Bezirke der Seele, der der Vernunft teilhaftig ist. Daraus er gibt sich, daß auch von den Vermögen die einen vernunftlos sind, die anderen an der Vernunft teilhaben. Nun ist alle Kunst und alle auf das Hervorbringen gerichtete Fertigkeit zu den Vermögen zu rechnen; denn sie sind Prinzipien für eine in einem anderen oder im Gegenstande selbst, sofern er ein anderes ist, hervorzubringende Veränderung. Die Vermögen nun, die mit der Vernunft zusammenhangen, sind, während sie dieselben bleiben, Prinzipien für Wirkungen von entgegengesetzter Art; diejenigen Vermögen dagegen, die nicht von der Vernunft begleitet sind, sind jedes einzelne Prinzip nur für eine Art von Wirkung; so ist das Warme nur für die Erwärmung wirksam, während die ärztliche Kunst für beides, für Krankheit und für Gesundheit, wirksam ist. Der Grund dafür ist der, daß die Einsicht begrifflicher Natur ist, der Begriff aber als einer und derselbe die Sache und ihre Privation umfaßt, wenn auch nicht in ganz gleichem Sinne; denn der Begriff umfaßt wohl in gewissem Sinne beides, aber eigentlicher gilt er doch für das positive Glied des Gegensatzes. Deshalb umfassen notwendig auch die betreffenden Fertigkeiten beide Glieder des Gegensatzes, das eine aber als solche durch ihr Wesen, das andere mittelbar. Bezeichnet doch auch der Begriff das eine als solcher unmittelbar, das andere gewissermaßen in vermittelter Weise; denn das dem Positiven Entgegengesetzte bezeichnet er in der Form der Negation und der Ablehnung; wie die Privation von vornherein das dem Positiven Entgegengesetzte, so bezeichnet die Negation ihn durch Ablehnung des Positiven. Da nun das Entgegengesetzte nicht an dem Identischen vorhanden ist, die Fertigkeit aber ein Vermögen vermittelst begrifflichen Erfassens bedeutet, und die Seele das Prinzip der Bewegung in sich enthält, so versteht der kundige Mann, während das Heilsame nur Heilung, das Wärmende Wärme und das Abkühlende Kälte bewirkt, wie das eine so auch das Gegenteil davon zu bewirken. Denn der Begriff umfaßt beides, wenn[144] auch nicht mit ganz gleichem Range, und er wohnt der Seele inne, die das Prinzip der Bewegung enthält; dadurch vermag sie von demselben Prinzip aus, an ein Identisches anknüpfend, beide Glieder des Gegensatzes herbeizuführen. Das mit Vernunft ausgestattete Potentielle wirkt also in entgegengesetzter Weise als das nicht mit Vernunft begabte Potentielle, weil in dem Begriff als dem einheitlichen Prinzip das Entgegengesetzte in einem umfaßt wird. Zugleich aber erhellt, daß das Vermögen, richtig und angemessen zu wirken, das Vermögen überhaupt zu wirken oder zu erleiden selbstverständlich mit einschließt, aber dieses letztere Vermögen nicht ebenso immer das erstere. Denn es ist zwar notwendig, daß, wer in der rechten Weise wirkt, überhaupt wirkt; aber es ist nicht notwendig, daß, wer überhaupt wirkt, in der rechten Weise wirkt.

Manche nun, wie die Megariker, behaupten, ein Vermögen habe etwas nur, sofern es wirklich tätig sei, und wenn es nicht tätig sei, habe es auch das Vermögen nicht. Wer nicht baue, der habe auch nicht das Vermögen zu bauen; nur der Bauende, solange er baue, habe es, und ebenso in anderen Fällen. Es ist nicht schwer einzusehen, in welche Ungereimtheiten sie sich damit verwickeln. Denn offenbar ist dann einer auch nicht Baumeister, wenn er nicht baut; denn Baumeister sein heißt die Fähigkeit zum Bauen besitzen. Und ebenso ist es bei den anderen technischen Fertigkeiten auch. Wenn es nun unmöglich ist, derartige Fertigkeiten zu besitzen, ohne daß man sie erlernt oder erworben hat, und sie nicht zu besitzen, wenn man sie nicht zuvor verloren hat, sei es durch Vergessen oder durch eine Veränderung der Person oder durch die Länge der Zeit, – denn daß mittlerweile die Kunst selbst untergegangen wäre, kann doch nicht wohl der Grund sein, da diese ewig ist –, so wird einer die Fertigkeit nicht besitzen, solange er untätig ist; woher bekommt er sie dann aber, wenn er nun auf einmal wieder zu bauen anfängt? Bei dem Unbeseelten aber verhält es sich ganz ebenso. Es würde nichts kalt, noch warm, noch süß sein, es würde überhaupt nichts eine sinnliche Qualität haben, als in dem Augenblick, wo es wirklich so empfunden wird. Und so kommt denn schließlich heraus, daß es einfach der Satz des Protagoras ist, den sie nachsprechen.

Aber weiter. Es wird auch nichts die Fähigkeit der Wahrnehmung besitzen, so lange es nicht tatsächlich wahrnimmt. Wenn nun blind heißt, was kein Sehvermögen hat, während es seiner Natur nach zu dieser Zeit und in dieser Weise das Vermögen haben sollte, so wird einer und derselbe vielmals an einem Tage blind und taub sein. Ferner, wenn unvermögend heißt,[145] was des Vermögens entbehrt, so wird das, was noch nicht eingetreten ist, auch nicht die Möglichkeit haben zu geschehen; wenn aber einer behauptet, das, was nicht die Möglichkeit hat zu geschehen, das geschehe oder werde geschehen, so sagt er etwas Falsches aus. Denn gerade dies bedeutet doch der Ausdruck »nicht die Möglichkeit haben«. Damit heben also solche Ausführungen auch alle Bewegung und alles Entstehen auf. Was einmal steht, wird immer stehen, und was einmal sitzt, wird immer sitzen, und wenn es sitzt, niemals wieder aufstehen. Denn es ist unmöglich, daß dasjenige aufstehe, was nicht das Vermögen hat, aufzustehen.

Das ganze Gerede hat also gar keinen Sinn. Daß Vermögen und Wirklichkeit zweierlei ist, liegt klar am Tage. Die Ansicht dagegen, von der wir reden, macht aus Vermögen und Wirklichkeit eines und dasselbe; man beeifert sich, einen Unterschied aufzuheben, der doch wahrhaftig nicht unerheblich ist. Kann es doch vorkommen, daß etwas zwar das Vermögen hat zu sein und doch nicht ist, und daß etwas das Vermögen hat nicht zu sein und doch ist; ebenso ist es bei anderen Aussagen der Fall, so daß etwas das Vermögen hat zu gehen und doch nicht geht, und daß etwas, was nicht geht, doch das Vermögen hat zu gehen.

Man sagt, etwas habe ein Vermögen, wo es nicht in das Bereich des Unmöglichen gehört, daß das, was den Inhalt des Vermögens bildet, wirklich werde. So z.B., wo das Vermögen zum Sitzen vorhanden ist und die Umstände das Sitzen möglich machen, da ergibt sich nichts Unmögliches, wenn einer wirklich sitzt. Ganz ebenso ist es mit dem Vermögen bewegt zu werden oder anderes zu bewegen, zu stehen oder anderes zu stellen, zu sein oder zu werden, nicht zu sein oder nicht zu werden.

Das Wort Energie, das »Verwirklichung« zur Entelechie, der Wesensvollendung hin bedeutet, ist von der Bewegung, wovon es vorzugsweise gilt, auf das übrige übertragen worden. Denn als Energie wird vor allem die Bewegung aufgefaßt. Daher kommt es, daß man von dem was nicht ist, nicht aussagt, daß es bewegt wird. Andere Aussagen, z.B. daß es Objekt des Gedankens und des Begehrens sei, macht man wohl von dem was nicht ist, aber nicht die Aussage, daß es bewegt sei, und dies deshalb, weil damit das was nicht in Wirklichkeit ist, als in Wirklichkeit seiend bezeichnet würde. Denn unter dem, was nicht ist, gibt es solches, was ein potentielles Sein hat; aber es ist nicht, weil der Prozeß der Verwirklichung nicht eingetreten ist.

Hat nun der Ausdruck »ein Vermögen haben« die bezeichnete Bedeutung, was die nachfolgende Verwirklichung betrifft, so folgt offenbar, daß die[146] Aussage nicht richtig sein kann: dieses bestimmte ist zwar ein Mögliches, es wird aber niemals wirklich sein. Damit wäre der Begriff der Unmöglichkeit außer Augen gelassen. Man nehme ein Beispiel. Wenn jemand sagt, es sei zwar ganz wohl möglich, die Diagonale und die Seite des Quadrats mit demselben Maße zu messen, nur würden sie gleichwohl nie so gemessen werden, dann erwägt er nicht den Begriff der Unmöglichkeit. Allerdings, nichts hindert, daß etwas, was die Möglichkeit hat zu sein oder zu werden, doch nicht sei und nicht werde. Dagegen ergibt sich aus dem Begriff des Möglichen mit Notwendigkeit dies, daß, wenn wir annehmen, es sei etwas oder sei geworden, was nicht ist, was aber doch möglich ist, solche Annahme nichts Unmögliches enthalten darf. Sie würde aber in jenem Falle ein Unmögliches sein; denn daß die Diagonale kommensurabel sei, ist etwas Unmögliches.

Es heißt eben nicht dasselbe: etwas ist falsch, und etwas ist unmöglich. Daß du jetzt stehst, ist falsch; aber unmöglich ist es nicht. Zugleich aber ist offenbar, daß, wenn aus dem Sein von A das Sein von B notwendig folgt, mit der Möglichkeit, daß A ist, notwendig auch die Möglichkeit von B gegeben ist. Denn wenn die Möglichkeit von B nicht notwendig folgte, so hinderte nichts die Möglichkeit, daß B nicht sei; B wäre also unmöglich. Gesetzt nun, A sei möglich. Hat A die Möglichkeit zu sein, so ergibt sich, daß es nichts Unmögliches ist, wenn A als seiend gesetzt wird. Dann müßte notwendig auch B sein; B aber hieß ja vorher unmöglich. Gesetzt nun, B sei unmöglich. Ist das Sein von B unmöglich, so wird auch das Sein von A unmöglich. A aber war doch als möglich gesetzt; also ist auch B möglich. Also wenn A ein Mögliches, so ist auch B ein Mögliches, vorausgesetzt, daß das Verhältnis zwischen ihnen das ist, daß mit dem Sein von A auch das Sein von B notwendig gegeben ist. Wäre also bei diesem Verhältnis von A und B die Möglichkeit von B nicht in jener Weise gegeben, so würde auch das Verhältnis von A und B nicht das sein können, wie es doch gesetzt wurde. Und ist umgekehrt mit der Möglichkeit, daß A sei, auch die Möglichkeit, daß B sei, gegeben, so muß, wenn A ist, notwendig auch B sein. Denn daß die Notwendigkeit zu sein für B notwendig mit der Möglichkeit von A gegeben ist, bedeutet eben dies, daß notwendig, falls A und zurzeit wo A und in der Weise wie A zu sein das Vermögen hatte, auch B das Vermögen hat zu sein und gleichfalls zu dieser Zeit und in dieser Weise.

Vermögen sind teils angeboren wie die Sinnesvermögen, teils eingeübt wie das Spielen eines Instruments, teils erlernt wie die künstlerischen[147] Fertigkeiten. Die einen, die man durch Gewöhnung und Verstand erwirbt, besitzt man nicht anders als nachdem man sich zuvor darin geübt hat; für die anderen, die den bezeichneten Charakter nicht tragen, und für die passiven Vermögen gilt dieses Erfordernis nicht. Das, was ein Vermögen hat, vermag aber immer Bestimmtes, zu bestimmter Zeit, in bestimmter Weise, und was sonst noch an Bestimmungen begrifflich dazu gehört. Nun eignet das Vermögen anderes in Bewegung zu setzen das eine Mal solchen Wesen, die mit Vernunft begabt sind, und deren Vermögen haben dann an der Vernunft ihren Halt; andere Wesen sind nicht mit Vernunft begabt, und so sind denn auch ihre Vermögen nicht durch Vernunft geleitet. Das erstere wird nur bei beseelten Wesen, das letztere bei beiden Arten von Wesen gefunden. Bei den vernunftlosen Vermögen erfolgt, sobald das was die Wirkung übt und das was die Wirkung erleidet in der ihrem Vermögen entsprechenden Weise zusammentreffen, das Tun und das Leiden mit Notwendigkeit; bei den durch Vernunft geleiteten ist solche Notwendigkeit nicht vorhanden. Denn während die Vermögen der ersteren Art sämtlich eine Verwirklichung, jegliches nur in einem Sinne gestatten, lassen die von der letzteren Art zwei entgegengesetzte Richtungen der Verwirklichung zu. Sie würden also, falls die Wirkung mit Notwendigkeit einträte, das Eine und zugleich das Entgegengesetzte wirken, und dies ist unmöglich. Es muß also ein anderes vorhanden sein, was darüber entscheidet, in welchem Sinne die Wirksamkeit erfolgt, und darunter verstehe ich den Trieb oder den Vorsatz. Das Wesen wird, wenn es mit dem für die Einwirkung Empfänglichen in die seinem Vermögen entsprechende Berührung tritt, dasjenige tun, was dem Antriebe gemäß ist, dem die Entscheidung zufällt. Alles also, was Träger von Vermögen ist, die mit Vernunft verbunden sind, tut, wenn der innere Antrieb dazu drängt, notwendig das, wozu es das Vermögen hat, und in der Weise, wie es das Vermögen hat. Es hat aber das Vermögen, wenn das der Einwirkung Empfängliche vorhanden und in dieser bestimmten Verfassung ist; ist das nicht der Fall, so hat es auch das Vermögen des Wirkens nicht Die Einschränkung: falls kein äußerer Umstand hindert, braucht nicht erst ausdrücklich hinzugefügt zu werden. Denn jegliches hat das Vermögen zu wirken eben nur in dem Sinne, wie man von Vermögen überhaupt sprechen kann; ein Vermögen aber ist nicht schlechthin vorhanden, sondern nur unter gegebenen Bedingungen, und dazu gehört auch der Ausschluß äußerer Hindernisse. Denn durch diese würden auch solche Bestimmungen aufgehoben werden, die zum Begriff der Sache gehören.[148]

Deshalb würde jemand, gesetzt auch er wollte oder er begehrte zweierlei verschiedene oder entgegengesetzte Wirkungen zugleich zu üben, es doch nicht vollbringen können. Denn das Vermögen, was er hat, hat er doch nicht in dieser Form, und ein Vermögen, Entgegengesetztes zugleich zu tun, gibt es überhaupt nicht; man wirkt aber immer nur das, wozu man das Vermögen hat.

Quelle:
Aristoteles: Metaphysik. Jena 1907, S. 142-149.
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