Neuntes Kapitel

[192] Es ist auch gut, wenn der Antwortende, bevor der Fragende den Angriff beginnt, für sich den Satz oder die Definition, welche er vertheidigen will, überlegt; denn es ist klar, dass er denjenigen Gründen entgegentreten muss, durch welche der Fragende den aufzustellenden Streitsatz widerlegen will.

Doch muss er sich in Acht nehmen, einen unglaubwürdigen Satz aufrecht zu erhalten. Dies Unglaubwürdige findet in zweifacher Weise statt; erstens dann, wenn man etwas behauptet, aus dem etwas Widersinniges folgt, z.B. wenn jemand behauptete, entweder bewege sich Alles, oder nichts; und zweitens, wenn man Etwas behauptet, was von einem schlechten Charakter zeugt oder der eigenen Ueberzeugung widerspricht, wie z.B., dass die Lust das Gute sei, oder dass Unrecht thun besser sei, als Unrecht leiden. Denn man hasst nicht den, welcher der Vertheidigung wegen im Streit dergleichen behauptet, aber den, welcher es als seine Meinung ausspricht.

Quelle:
Aristoteles: Die Topik. Heidelberg 1882, S. 192-193.
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