Elftes Kapitel

[23] Wenn in der dritten Schlussfigur die Aussenbegriffe sich allgemein zu dem Mittelbegriffe verhalten und beide Vordersätze bejahend lauten, so ergiebt sich ein nothwendiger Schlusssatz, wenn auch nur einer der Vordersätze ein nothwendiger ist, gleichviel welcher. Lautet aber der eine Vordersatz verneinend und der andere bejahend, so ist der Schlusssatz nur dann ein nothwendiger, wenn der verneinende Vordersatz der nothwendige ist; ist aber der bejahende Vordersatz der nothwendige, so ist der Schlusssatz kein nothwendiger.

Es sollen also zunächst beide Vordersätze bejahend lauten und A und B sollen beide in dem ganzen C enthalten sein, aber nur der Satz A C soll ein nothwendiger sein. Da nun hier B in dem ganzen C enthalten ist, so wird auch C in einigen B enthalten sein, weil dieser allgemeine Satz sich in einen beschränkten umkehren lässt; da nun A in allen C nothwendig enthalten ist und da C in einigen B enthalten ist, so muss auch A in einigen B nothwendig enthalten sein, denn B ist unter dem C enthalten. Es hat sich also hier die erste Schlussfigur ergeben. Ebenso wird der Beweis geführt, wenn der Vordersatz B C der nothwendige ist; denn in Folge der Umkehrung von A C ist C in einigen A enthalten und wenn also B in allen C nothwendig enthalten ist, so wird B auch in einigen A nothwendig enthalten sein.[23]

Es sei ferner der Satz A C verneinend und der Satz B C bejahend, aber der verneinende der nothwendige. Da hier der Satz B C sich in den Satz umkehren lässt, dass C in einigen B enthalten ist, aber A nothwendig in keinem C enthalten ist, so muss auch A nothwendig in einigen B nicht enthalten sein, denn B ist hier unter C enthalten.

Ist aber der bejahende Satz ein nothwendiger, so wird der Schlusssatz kein nothwendiger. Denn es sei der Satz B C der bejahende und notwendige, der Satz A C aber verneinend und nicht nothwendig. Da nun der bejahende Satz sich umkehren lässt, so wird C in einigen B nothwendig enthalten sein und da A in keinem C enthalten ist, C aber in einigen B, so wird auch A in einigen B nicht enthalten sein, aber nicht nothwendigerweise, denn ich habe schon bei der ersten Schlussfigur gezeigt, dass wenn da der verneinende Vordersatz kein nothwendiger ist, auch der Schlusssatz kein nothwendiger ist. Auch erhellt dies aus den Begriffen selbst. Denn es sei A das Gute, B das Geschöpf und C das Pferd. Hier braucht das Gute in keinem Pferde enthalten zu sein, aber das Geschöpf ist nothwendig in jedem Pferde enthalten. Dennoch ist es nicht nothwendig, dass einige Geschöpfe nicht gut seien, da es ja statthaft ist, dass alle Geschöpfe gut sind. Sollte indess dies nicht möglich sein, so nehme man dafür das Wahre oder Schlechte, denn deren ist jedes Geschöpf fähig.

Somit habe ich gesagt, in welchen Fällen bei allgemeinen Vordersätzen der Schlusssatz ein nothwendiger ist. Lautet dagegen ein Vordersatz allgemein, und der andere beschränkt, und dabei beide bejahend, so ergiebt sich ein nothwendiger Schlusssatz, wenn der allgemeine Vordersatz ein nothwendiger ist. Der Beweis geschieht hier eben so wie vorher; denn der beschränkt bejahende Satz lässt sich umkehren. Ist daher B nothwendig in dem ganzen C enthalten, und ist A unter dem C enthalten, so muss auch B nothwendig in einigen A enthalten sein, und wenn dies der Fall ist, so muss auch A in einigen B nothwendig enthalten sein, da auch hier die Umkehrung stattfindet. Eben so verhält es sich, wenn des allgemeine Satz A C ein nothwendiger ist, denn B ist dann unter dem C enthalten.[24]

Ist dagegen der beschränkte Satz ein nothwendiger, so ergiebt sich kein nothwendiger Schluss. Denn es sei der Satz B C der beschränkte und nothwendige und A soll in dem ganzen C enthalten, aber nicht nothwendig enthalten sein. Wenn hier der Satz B C umgekehrt wird, so ergiebt sich diejenige erste Schlussfigur, wo der allgemeine Vordersatz nicht nothwendig ist, aber wohl der beschränkte. Nur ergab sich da, wenn die Vordersätze sich so verhielten, kein nothwendiger Schlusssatz, und deshalb wird auch in dem Falle hier ein solcher sich nicht ergeben.

Auch erhellt dies aus den Begriffen selbst. Denn es sei A das Wachen, B das Zweifüssige, C das Geschöpf. Hier erhellt, dass B in einigen C nothwendig enthalten ist, während A statthafterweise in C enthalten sein kann; demnach ist A in dem B nicht-nothwendig enthalten, da das Zweifüssige weder nothwendig schlafen noch wachen muss. Mittelst derselben Begriffe lässt sich auch der Beweis führen, wenn der Satz A C der beschränkte und nothwendige ist.

Lautet dagegen ein Vordersatz bejahend, der andere aber verneinend, so ergiebt sich dann ein nothwendiger Schlusssatz, wenn der verneinende Satz ein allgemeiner und nothwendiger ist; denn wenn A nothwendig in keinem C enthalten ist, aber B in einigen C sich befindet, so muss A nothwendig in einigen B nicht enthalten sein. Wird dagegen der bejahende Satz als ein nothwendiger gesetzt, so ergiebt sich kein nothwendiger Schlusssatz, mag er allgemein oder beschränkt oder der verneinende Satz beschränkt lauten. Man kann nämlich hier behufs des Beweises alles so, wie in den früheren Fällen, geltend machen; nur nehme man zu Begriffen für den Fall, dass der allgemein bejahende Satz ein nothwendiger ist, das Wachen, Geschöpf, Mensch, wo Mensch der Mittelbegriff ist; ist aber der beschränkte bejahende Satz der nothwendige, so nehme man die Begriffe: Wachen, Geschöpf, Weisses; denn das Geschöpf muss nothwendig in einigen Weissen enthalten sein, aber das Wachen kann statthafterweise in keinem Geschöpf enthalten sein und es ist nicht nothwendig, dass das Wachen in einigen Geschöpfen nicht enthalten sei. Ist endlich der beschränkte verneinende Satz der nothwendige, so nehme man zum[25] Beweise die Begriffe: Zweifüssige, Bewegt, Geschöpf, wo Geschöpf der Mittelbegriff ist.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 23-26.
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