Zweiundzwanzigstes Kapitel

[50] Wenn in der dritten Figur der eine Vordersatz ein nothwendiger, der andere nur ein statthafter ist, aber beide Sätze bejahend lauten, so ergiebt sich immer ein auf das Statthafte lautender Schluss. Lautet aber der eine Vordersatz bejahend, der andere verneinend, so ergiebt sich ein Schluss auf das statthafte Nicht-enthaltensein, wenn der bejahende ein nothwendiger ist; ist aber[50] der verneinende Vordersatz ein nothwendiger, so ergiebt sich ein Schluss sowohl auf das statthafte Nicht-enthalten-sein, wie auf das einfache Nicht-enthalten-sein. Dagegen ergiebt sich kein Schluss auf das nothwendige Nicht-enthalten-sein, wie dies auch in den andern Figuren sich nicht ergeben hat. Es seien nun zunächst die Vordersätze bejahend und A sei in allen C nothwendig, aber B in allen C nur statthafterweise enthalten. Da nun A in allen C nothwendig und das C in einigen B statthafterweise enthalten ist, so wird auch A in einigen B statthafterweise, aber nicht einfach enthalten sein; denn so war es auch bei der ersten Figur. In ähnlicher Weise kann der Beweis geführt werden, wenn der Satz B C als ein nothwendiger und der Satz A C als ein blos statthafter gesetzt wird. Nun soll aber der eine Vordersatz bejahend, der andere verneinend lauten und der bejahende ein nothwendiger sein; A sei also statthafterweise in keinem C enthalten, aber B sei nothwendig in allen C enthalten. Auch hier wird sich die erste Figur ergeben, da der verneinende Vordersatz nur das Statthafte bezeichnet. Es erhellt also, dass der Schlusssatz nur auf das Statthafte lauten wird, weil bei der ersten Figur, wenn die Vordersätze so lauteten, der Schlusssatz auch nur auf das Statthafte ging. Ist aber der verneinende Vordersatz ein nothwendiger, so ergiebt sich ein Schluss sowohl dahin, dass A in einigen C statthafterweise nicht enthalten ist, wie dahin, dass A in einigen C einfach nicht enthalten ist. Denn es soll A nothwendig in keinem C enthalten sein; B soll aber statthafterweise in dem ganzen C enthalten sein; wenn man hier den bejahenden Satz B C umkehrt, so ergiebt sich die erste Figur wobei der verneinende Vordersatz ein nothwendiger ist. Wenn nun die Vordersätze dort sich so verhielten, so folgte, dass A in einigen C statthafterweise und auch einfach nicht enthalten war, so dass also auch hier A in einigen B einfach nicht enthalten sein muss. Wenn aber der Satz mit dem kleinern äussern Begriff B verneinend gesetzt wird und zwar statthafterweise, so wird sich ein Schluss ergeben, wenn dieser Vordersatz in seinen Gegentheil umgekehrt wird, wie dies früher gezeigt worden ist lautet aber dieser Vordersatz auf die Nothwendigkeit, so giebt es keinen Schluss, denn A kann dann bald[51] in allen B, bald in keinem B enthalten sein. Man nehme beispielsweise für das »in allen enthalten sein« die Begriffe Schlaf, schlafendes Pferd und Mensch; und für das »in keinem enthalten sein« die Begriffe: Schlaf, wachendes Pferd und Mensch.

Aehnlich verhält es sich, wenn der eine Vordersatz allgemein, der andere beschränkt in Bezug auf den Mittelbegriff lautet; sind beide bejahend, so wird der Schlusssatz auf das Statthafte und nicht auf das einfache Sein lauten; und dies auch dann, wenn der eine Vordersatz verneinend, der andere bejahend und letzterer als nothwendiger genommen wird. Ist aber der verneinende Satz ein nothwendiger, so lautet der Schlusssatz auf das einfache Nicht-sein. Der Beweis bleibt hier derselbe, mögen die Vordersätze allgemein oder nicht allgemein lauten; denn die Schlüsse müssen hier durch die erste Figur vervollständigt werden, wie dort, und deshalb mit den dortigen zusammenfallen. Wenn aber der verneinende und allgemeine Vordersatz den kleinern äussern Begriff betrifft und er auf das Statthafte lautet, so ergiebt sich ein Schluss vermöge der Umkehrung desselben in das Gegentheil; lautet er aber auf das Nothwendige, so giebt es keinen Schluss; der Beweis geschieht ebenso wie bei den allgemein lautenden Vordersätzen und mittelst derselben Beispielsweise aufgestellten Begriffe.

Sonach erhellt, wonach und wie auch in dieser dritten Figur ein Schluss sich ergiebt, und wenn er auf das Statthafte und wenn er auf das einfache Sein lautet. Auch ist klar, dass alle diese Schlüsse unvollkommen sind und durch die erste Figur vervollständigt werden.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 50-52.
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