Fünfundvierzigstes Kapitel

[86] Alle in mehreren Figuren beweisbaren Sätze kann man, wenn der Satz in der einen Figur bewiesen ist, auf einen Schluss in der andern Figur zurückführen. So kann z.B. der in der ersten Figur bewiesene verneinende Schluss in die zweite Figur und der Schluss in der zweiten Figur in einen der ersten Figur umgewandelt werden; zwar nicht bei allen, aber doch bei einigen Schlussarten. Dies wird aus dem Folgenden erhellt. Wenn nämlich A[86] in keinen B, aber B in dem ganzen C enthalten ist, so ist auch A in keinem C enthalten; dies ist ein Schluss in der ersten Figur; kehrt man nun den verneinenden Satz um, so ergiebt sich die zweite Figur; denn B ist dann in keinem A, aber im ganzen C enthalten. Ebenso verhält es sich, wenn der Schluss nicht allgemein, sondern beschränkt lautet; z.B. wenn A in keinem B, aber B in einigen C enthalten ist; kehrt man hier den verneinenden Satz um, so- ergiebt sich die zweite Figur.

Von den Schlüssen der zweiten Figur können die allgemeinen in die erste Figur übergeführt werden, von den beschränkten aber nur die eine Art. Denn es sei A in keinen B, aber in allen C enthalten; kehrt man hier den verneinenden Satz um, so ergiebt sich die erste Figur, denn dann ist B in keinem A enthalten und A in allen C. Lautet aber der Satz A B bejahend und der Satz A C verneinend, so muss C als erster Begriff gesetzt werden; dann ist C in keinem A, und A in allen B enthalten, also C in keinem B, und auch B in keinem C; weil der verneinende Satz sich umkehren lässt. Lautet aber der Schluss nur beschränkt, so kann er, wenn der Satz mit dem grösseren Aussenbegriff verneinend lautet, auf die erste Figur zurückgeführt werden; z.B. wenn A in keinem B enthalten ist, aber in einigen C. Kehrt man hier den verneinenden Satz um, so ergiebt sich die erste Figur; denn B ist in keinem A und A in einigen C enthalten; lautet aber der Satz mit dem grösseren äusseren Begriff bejahend, so lässt er sich nicht auf die zweite Figur zurückführen; z.B. wenn A in dem ganzen B, aber nicht in dem ganzen C enthalten ist; denn hier lässt sich der Satz mit A und B nicht allgemein umkehren und ohnedem giebt es keinen Schluss.

Auch die Schlüsse der dritten Figur lassen sich nicht sämmtlich in die erste Figur umwandeln, aber die in der ersten sämmtlich in die dritte. Es sei z.B. A in allen B enthalten und das B in einigen C. Da hier der beschränkt bejahende Satz sich umkehren lässt, so ist C in einigen B enthalten und A war in allen B enthalten; mithin ergiebt sich die dritte Figur. Lautet der Schluss verneinend, so gilt dasselbe; denn der beschränkt bejahende Satz lässt sich umkehren, mithin ist dann A in keinen B und C in einigen B enthalten.[87]

Von den Schlüssen der dritten Figur lässt sich nur einer nicht in die erste Figur umwandeln, nämlich der, wo der verneinende Satz nicht allgemein lautet; dagegen lassen sich alle andern darin umwandeln. So soll A und B von dem ganzen C ausgesagt werden; hier wird jeder dieser Sätze sich in einen beschränkten umwandeln lassen; deshalb ist C in einigen B enthalten; es ergiebt sich also damit die erste Figur, wenn A in dem ganzen C und C in einigen B enthalten ist. Dasselbe gilt, wenn A in dem ganzen C und B in einigen C enthalten ist, denn der letztere Satz lässt sich umkehren. Wenn aber B in dem ganzen C und A in einigen C enthalten ist, so muss man B zu den obern Begriff nehmen; denn B ist in dem ganzen C und das C in einigen A enthalten, folglich auch B in einigen A; und da der beschränkte Satz sich auch umkehren lässt, so wird auch A in einigen B enthalten sein. Ebenso ist zu verfahren wenn der Schluss verneinend lautet, aber die Vordersätze allgemein lauten. Denn es sei B in dem ganzen C und das A in keinem C enthalten, so wird C in einigen B, A aber in keinen C enthalten sein, so dass C der Mittelbegriff wird. Ebenso verhält es sich, wenn der verneinende Satz allgemein lautet und der bejahende beschränkt; denn man kann dann die Vordersätze so fassen, dass A in keinem C, C aber in einigen B enthalten ist. Lautet aber der verneinende Satz beschränkt, so kann man ihn nicht umwandeln; z.B. wenn B in allen C enthalten, aber A in einigen C nicht enthalten ist, denn wenn der Satz mit B und C umgekehrt wird, so lauten beide Sätze beschränkt.

Es erhellt, dass wenn die Figuren in einander übergeführt werden sollen, der Vordersatz mit dem kleinern äussern Begriff sich in beiden letzten Figuren umkehren lassen muss, denn durch dessen Umkehrung geschah die Umwandlung.

Von den Schlüssen der zweiten Figur kann eine Art in die dritte Figur umgewandelt werden, eine andere Art aber nicht. Es kann nämlich geschehen, wenn der allgemeine Satz verneinend lautet; denn wenn A in keinem B enthalten ist, aber in einigen C, so lassen sich diese beiden Vordersätze umkehren, so dass B in keinem A und C in einigen A enthalten ist; hier ist[88] also A der Mittelbegriff geworden. Wenn aber A in allen B enthalten, aber in einigen C nicht, so giebt es keine Umwandlung, denn keiner von den Vordersätzen lautet bei dieser Umkehrung allgemein.

Die Schlüsse der dritten Figur lassen sich in die der zweiten Figur umwandeln, wenn der verneinende Vordersatz allgemein lautet, wenn z.B. A in keinem C enthalten ist, aber B in einigen C, oder in dem ganzen C; denn auch C ist dann in keinem A, aber in einigen B enthalten. Lautet aber der verneinende Vordersatz beschränkt, so kann keine Umwandlung geschehen, weil verneinende beschränkte Sätze sich nicht umkehren lassen.

Somit erhellt, dass bei diesen beiden Figuren diejenigen Schlüsse sich nicht aus der einen in die andere Figur umwandeln lassen, bei welchen auch keine Umwandlung derselben in die erste Figur geschehen kann und dass, wenn diese Schlüsse der beiden letzten Figuren in die erste Figur umgewandelt werden, sie ihre Vollendung dann nur durch die Darlegung der Unmöglichkheit des Gegentheils erhalten.

Aus dem Bisherigen erhellt sonach, wie man die Beweise auf Schlüsse zurückzuführen hat und dass die Figuren sich in einander umwandeln lassen.

Quelle:
Aristoteles: Erste Analytiken oder: Lehre vom Schluss. Leipzig [o.J.], S. 86-89.
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