Sechsundzwanzigstes Kapitel

[55] Denjenigen Widerlegungen, welche gegen den Begriff der Widerlegung verstossen, muss man, wie ich früher angedeutet habe, in der Weise entgegentreten, dass man bei dem vom Gegner auf das Entgegengesetzte des Streitsatzes gezogenem Schlusse untersucht, ob er denselben Gegenstand betrifft, von welchem der Streitsatz handelt, und ob er rücksichtlich eben desselben und in Beziehung auf eben denselben lautet, und so fort, und ob er auch die gleiche Zeit betrifft. Wird gleich anfangs der Satz aufgestellt, es sei unmöglich, dass etwas das Doppelte und auch nicht das Doppelte sei, so muss man dies nicht zugeben, sondern es für möglich erklären, nur nicht in der Weise, dass daraus die Widerlegung abgeleitet werden kann. Alle diese Widerlegungen stützen sich auf solche Mittel, z.B.: Wer jegliches kennt, dass es jegliches ist, kennt der den Gegenstand? und gilt dies auch ebenso für den, der jegliches nicht kennt? Nun kennt man aber den Koriskos als den Koriskos; man weiss aber nicht, dass er gebildet ist; also kennt man ein und dasselbe und kennt es auch nicht. Ferner: Ist das Vierellige grösser, als das Dreiellige? Nun kann aber der Länge nach aus dem Dreielligen ein Vierelliges werden, und das Grosse ist grösser als das Kleine, folglich ist ein und dasselbe grösser und kleiner als es selbst.

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Aristoteles: Sophistische Widerlegungen. Heidelberg 1883, S. 55-56.
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