Zehntes Kapitel

[80] Da nun die Definition in einer Angabe des Was des Gegenstandes besteht, so ist klar, dass manche Definition nur eine Angabe dessen ist, was der Name des Gegenstandes bedeutet, also dass sie nur eine Aussage in andern Worten ist, z.B. wenn man angiebt, was ein Gegenstand, welcher Dreieck heisst, bedeutet. Hat man in solchem Falle das Wissen, dass er ist, so sucht man nach dem Warum desselben. Aber von Dingen, von welchen man nicht weiss, dass sie sind, ist es schwer das Warum auf diese Art zu finden. Der Grund dieser Schwierigkeit ist bereits früher dahin angegeben worden, dass man da nicht einmal weiss, ob der Gegenstand besteht oder nicht, als höchstens nur aus nebensächlichen Bestimmungen. Die Einheit einer Rede ist zweifacher Art; die eine besteht in der Verbindung, wie z.B. bei der Ilias; die andere offenbart eines von dem andern und zwar nicht in Bezug auf blos nebenbei bestehende Bestimmungen.

Dies ist nun die eine Art der Definition, die andere ist die, welche das Warum eines Gegenstandes darlegt. Jene Art giebt nur das, was ein Gegenstand bedeutet; diese zweite Art ist aber offenbar eine Art Beweis seines Was und unterscheidet sich nur in der Art des Ausdrucks[80] von einem Beweise. Denn es ist ein Unterschied, ob man sagt, warum es donnert und was der Donner ist; denn im ersten Falle sagt man, weil das Feuer in den Wolken verlöscht; aber auf die Frage: Was ist der Donner, antwortet man: Ein Geräusch des in den Wolken erlöschenden Feuers. In beiden Fällen sagt man also dasselbe, nur in einer andern Wendung; das einemal grenzt es an einen Beweis, das anderemal ist es eine Definition. So lautet die Definition des Donners, dass sie ein Geräusch in den Wolken ist; aber dies ist auch der Schlusssatz des Beweises von dem Was des Donners. Dagegen ist die Definition von Gegenständen, wo kein Mittleres vorhanden ist, eine Angabe des Was, welche nicht beweisbar ist.

Sonach wird also die eine Definition die unbeweisbare Angabe des Was sein und die andere ein Schluss auf das Was, welcher nur in der Ausdrucksweise von dem Beweise verschieden ist und die dritte wird der auf das Was lautende Schlusssatz eines Beweises sein.

Aus dem Gesagten erhellt sonach, in welcher Weise ein Beweis des Was statt hat und in welcher Weise nicht, und von welchen Dingen ein Beweis des Was statt hat und von welchen nicht; ferner in wie vielfachen Sinne man von der Definition spricht und wie sie das Was darlegt und wie nicht und von welchen Dingen sie statt hat und von welchen nicht; ferner wie die Definition sich zum Beweise verhält und wie sie denselben Inhalt, wie der Beweis haben kann und wie nicht.

Quelle:
Aristoteles: Zweite Analytiken oder: Lehre vom Erkennen. Leipzig [o.J.], S. 80-81.
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