[685] 1. âvṛittir, asakṛid upadeçât
Wiederholung, wegen der Anweisung, dass mehrmals.

Der dritte Adhyâya beschäftigte sich vornehmlich damit, in Bezug auf die höhere Wissenschaft und auf die niederen die Mittel in Betracht zu ziehen, während nunmehr, im vierten Adhyâya, eine Betrachtung folgt, welche es mit der Frucht zu thun hat, wobei gelegentlich noch ausserdem dies und das zu überdenken sein wird. Zunächst nun handelt es sich darum, einige Adhikaraṇa's hindurch noch gewissen besonderen, auf die Mittel bezüglichen Erwägungen nachzugehen.

Es heisst: »den Âtman fürwahr soll man sehen, soll man hören, soll man verstehen, soll man überdenken« (Bṛih. 2, 4, 5); – »dem trachtet nach die Weisheit zu erringen« (Bṛih. 4, 4, 21); – »den soll man erforschen, den soll man suchen zu erkennen« (Chând. 8, 7, 1.) Bei Schriftstellen dieser Art erhebt sich die Frage, ob es sich dabei um ein einmaliges Vorstellen handelt oder um ein | wiederholentliches? – Angenommen also, ›es handele sich, ähnlich wie bei den Werken des Voropfers u.s.w., um ein einmaliges Vorstellen, weil schon durch ein solches der von der Schrift gewollte Zweck erreicht wird, somit derjenige, welcher die von der Schrift nicht vorgeschriebene Wiederholung anstellte, einen von der[685] Schrift nicht gewollten Zweck verfolgen würde.‹ – Aber wurden nicht Stellen angeführt, welche dazu anweisen, dass die Vorstellung mehrmals hervorzubringen ist, wie z.B. »man soll ihn hören, soll ihn verstehen, soll ihn überdenken« (Bṛih. 2, 4, 5)? – ›Auch in diesem Falle würde die Wiederholung doch höchstens nur in dem Masse, wie die Schrift es andeutet, nicht aber darüber hinaus anzustellen sein; es würde also nur einmal das Hören, einmal das Verstehen und einmal das Überdenken vorzunehmen sein. Es geht aber vielmehr aus den nur einmal erfolgenden Anweisungen, wie wenn es heisst »er weiss« oder »er möge verehren«, hervor, dass eine Wiederholung überhaupt nicht erforderlich ist.‹ – Auf diese Annahme erwidern wir, dass die Vorstellung allerdings wiederholentlich anzustellen ist; warum? »wegen der Anweisung, dass mehrmals«; nämlich eine Anweisung wie: »man soll ihn hören, soll ihn verstehen, soll ihn überdenken« (Bṛih. 2, 4, 5), weist allerdings darauf hin, dass die Vorstellung zu wiederholten Malen anzustellen ist; und wenn behauptet wurde, dass man dieselbe nur so oft wie es die Schrift angebe | und nicht öfter anstellen dürfe, so ist das nicht richtig, weil diese Vorstellungen als Endziel das Schauen haben; nur dann, wenn die Vorstellungen des Hörens u.s.w. so oft wiederholt werden, bis als ihr Endziel das Schauen eintritt, haben sie ihren Zweck erreicht, ähnlich wie z.B. das Dreschen erst damit sein Endziel erreicht, dass alle Reiskörner heraus sind. Auch wird ja durch die Ausdrücke »Verehren« und »Überdenken« eine Thätigkeit bezeichnet, welche als einwohnende Eigenschaft die Wiederholung hat. In ähnlicher Weise sagt man auch im Leben nur von einem solchen, dass er den Lehrer »verehre« oder den König »verehre«, welcher dem Lehrer u.s.w. in dauernder Hingebung anhängt; und ebenso sagt man, wenn der Eheherr eines Weibes in der Ferne weilt, nur dann von ihr, sie »überdenke« den Gatten, wenn sie ohne Unterlass mit Sehnsucht sich an ihn erinnert. Dabei zeigt der im Vedânta vorkommende Gebrauch der Worte »Wissen« und »Verehren«, dass dieselben in Wechselwirkung stehen. Zuweilen macht das Wissen den Anfang und das Verehren den Schluss, z.B. wenn es an der Stelle: »und wer weiss was der weiss, von dem gilt das auch« (Chând. 4, 1, 4) nachher heisst: »belehre mich, o Ehrwürdiger, über die Gottheit, welche du verehrst« (Chând. 4, 2, 2.) Zuweilen hingegen macht die Verehrung den Anfang, und das Wissen den Schluss, z.B. wenn es an der Stelle »das Brahman soll man verehren als das Manas« (Chând. 3, 18, 1) weiter heisst: »der leuchtet und wärmt | durch Ehre, Ruhm und Brahmanenwürde, wer solches weiss.« Hieraus folgt, dass auch da, wo nur ein einmaliges Vorstellen erwähnt wird, doch ein wiederholentliches zu verstehen ist, während eine mehrmalige Erwähnung, wo sie vorkommt, eben diese Wiederholung andeutet.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 685-686.
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