[686] 2. li gâc ca
und wegen der Andeutung.

[686] Auch eine Andeutung giebt zu verstehen, dass man die Vorstellungen zu wiederholen hat. Nämlich bei Gelegenheit der Verherrlichung der Erkenntnis des Udgîtha wird zuerst, wo es heisst: »der Udgîtha ist die Sonne« (Chând. 1, 5, 1) dieses durch Erwähnung des daraus folgenden Mangels, nur einen Sohn zu besitzen, verworfen, und indem dann weiter als ein Mittel, viele Söhne zu erlangen, die Erkenntnis der Vielheit der Strahlen empfohlen wird mit den Worten: »du aber lasse kreisen seine Strahlen« (Chând. 1, 5, 2), so wird damit wie auf etwas Bekanntes auf das Wiederholen der Vorstellungen hingewiesen. Hieraus folgt, da es bei allen übrigen Vorstellungen ebenso steht, dass dieselben zu wiederholen sind.

Hier nun bemerkt der Gegner: ›zugegeben, dass eine solche Wiederholung bei Vorstellungen, deren Frucht auf Mitteln beruht, möglich sei, sofern bei ihnen ein von jenen Wiederholungen abhängiger Unterschied des Grades denkbar ist, so steht es doch anders mit der auf das höchste Brahman bezüglichen Vorstellung, welche das höchste Brahman übermittelt als das seiner Natur nach ewige, reine, weise und er löste Selbst; und es ist nicht einzusehen, was bei diesem die Wiederholung bezwecken soll. Meint ihr vielleicht, dass die Wiederholung anzunehmen sei, sofern die nur einmal gehörte Wahrheit von dem Brahman als dem Selbste nicht verstanden werden könne, so bestreiten wir das, | weil sie dann auch durch die Wiederholung nicht verständlich werden würde. Denn wenn ein Wort wie »das bist du« (Chând. 6, 8, 7) bei einmaligem Hören die Erkenntnis, dass die Seele das Brahman sei, nicht hervorbrächte, so wäre nicht abzusehen, wie es dieselbe bei oftmaligem Wiederholen hervorbringen sollte. Man könnte einwenden, dass die Schriftaussage (vâkyam) an sich überhaupt nicht im Stande sei, irgend einen Sinn zu offenbaren, dass es daher vielmehr die Schriftaussage, sofern sie von einer (erläuternden) Argumentation (yukti) begleitet werde, sei, welche das Brahmansein des Selbstes zum Bewusstsein bringe. Aber auch dann würde eine Wiederholung zwecklos sein. Nämlich auch jene Argumentation wird, auch wenn sie nur einmal angestellt worden, schon ihren Gegenstand zum Bewusstsein bringen.‹ – Aber, so könnte man sagen, durch die Argumentation mitsamt der Schriftaussage wird doch nur eine allgemeine (abstrakte), nicht specielle (intuitive) Erkenntnis bewirkt. Z.B. wenn jemand innerlich Leibschmerz hat, so wird dadurch, dass er es aussagt, sowie aus dem Krümmen der Glieder und andern Anzeichen über das Vorhandensein des Leibsehmerzes bei andern nur eine allgemeine[687] (abstrakte), nicht eine specielle (intuitive, konkrete) Innewerdung hervorgebracht werden. Ähnlich wie mit dieser auf den Leibschmerz bezüglichen speciellen (konkreten) Empfindung könnte es nun ja auch mit der das Nichtwissen aufhebenden, auf die betreffende Sache bezüglichen Wiederholung stehen. – ›Aber dem ist nicht so; denn auch wenn sie wiederholentlich vorgenommen wird, kann eine solche bloss äusserliche Erkenntnis niemals jene specielle (konkrete) Innewerdung erzeugen; und wenn jene Specialerkenntnis durch einmalige Benutzung von Schriftwort und Argumentation nicht erreicht wird, so lässt sie sich auch nicht durch hundertfache Benutzung derselben erreichen. Mag daher durch die Benutzung von Schriftwort und Argumentation eine specielle oder eine bloss allgemeine Erkenntnis bewirkt werden, in beiden Fällen werden | schon bei einmaliger Benutzung diese ihre Wirkung thun, und zu einer Wiederholung derselben ist keine Veranlassung. Endlich darf man doch auch nicht behaupten, dass der einmalige Gebrauch von Schriftwort und Argumentation bei allen und jeden die Innewerdung nicht hervorbringen könne, da ja doch die nach dieser Erkenntnis Strebenden an geistiger Begabung verschieden sind. Hierzu kommt, dass bei einem weltlichen Gegenstande, welcher verschiedenartige Teile besitzt, und allgemeine und specielle Bestimmungen an sich trägt, man sich durch die einmalige Befassung damit des einen Teiles und durch eine zweite Befassung eines andern Teiles versichern kann, so dass hier allerdings, z.B. wenn es sich um die Auffassung eines langen Kapitels handelt, die Wiederholung von Nutzen sein mag; hingegen bei dem aller speciellen Bestimmungen ermangelnden Brahman, welches anderseits auch frei ist von Bestimmungen, die ihm mit andern gemeinsam wären, und seinem Wesen nach aus reiner Geistigkeit besteht, ist zur Erzeugung des richtigen Begriffes von ihm eine Berücksichtigung der Wiederholung nicht statthaft.‹

Hierauf ist zu erwidern: wir geben zu, dass die Wiederholung zwecklos ist für einen jeden, der auf einmalige Mitteilung der Worte: »das bist du«, hin im Stande ist, seines Brahmanseins inne zu werden; wer aber hierzu nicht im Stande ist, bei dem ist allerdings die Wiederholung am Platze. In diesem Sinne heisst es im Chândogyam auch nach den Worten: »das bist du, o Çvetaketu«, noch: »lehre mich weiter, o Ehrwürdiger« (Chând. 6, 8, 7 fg.), und durch diese Bitte wird der Lehrer immer wieder und wieder dazu angeregt, bald diesen, bald jenen Zweifelsgrund zu beseitigen und so die Belehrung »das bist du« zu wiederholten Malen zu geben. In demselben Sinne verwiesen wir schon auf die Worte: »man soll ihn hören, soll ihn verstehen, soll ihn überdenken« (Bṛih. 2, 4, 5.) – ›Aber wir sagten doch, dass, wenn das Wort »das bist du« beim einmaligen Anhören seinen Inhalt nicht zum Bewusstsein bringen könne, auch durch die Wiederholung dieses nicht möglich[688] sein werde!‹ – | Dieser Einwand ist nicht stichhaltig; wenigstens erfahrungsmässig ist diese Unmöglichkeit nicht; denn die Erfahrung lehrt, wie man einen Satzinhalt, der bei einmaligem Hören des Satzes nur schwer begriffen wird, durch öfteres Wiederholen, indem man dabei dieses und jenes Missverständnis hebt, vollständig übermitteln kann. Hierzu kommt weiter, dass in dem Satze: »DAS BIST DU«, der Gegenstand des Wortes »DU« für identisch erklärt wird mit dem Gegenstande des Wortes »DAS«. Dabei wird unter dem Wort »DAS« jenes Seiende, von welchem vorher (Chând. 6, 2, fg.) die Rede war, nämlich das mit bewusster Absicht die Entstehung u.s.w. der Welt verursachende Brahman verstanden, wie dasselbe bekannt ist aus Schriftworten wie: »Wahrheit, Erkenntnis, unendlich ist das Brahman« (Taitt. 2, 1); – »die Erkenntnis, die Wonne, das Brahman« (Bṛih. 3, 9, 28); – »es ist sehend, nicht gesehen, ... erkennend nicht erkannt« (Bṛih. 3, 8, 11); – »das Ungeborene« (Muṇḍ. 2, 1, 2); – »nicht alternd, nicht welkend« (Bṛih. 3, 8, 8 M.; vgl. Bṛih. 4, 4, 25); – »nicht grob und nicht fein, nicht kurz und nicht lang« (Bṛih. 3, 8, 8.) Hierbei werden durch Schriftworte wie »ungeboren« die Umwandlungen des Wesens durch Geburt u.s.w. ausgeschlossen, und durch Worte wie »nicht grob« die Qualitäten der Substanzen, wie Grobheit u.s.w.; endlich durch Worte wie »Erkenntnis« wird ausgesprochen, dass das Brahman von der Art ist, dass es sein Wesen in der Geistigkeit offenbart. In dieser Weise wird jenes »Brahman« genannte Wesen, welches von allen Qualitäten des Saṃsâra frei ist, und seinem Wesen nach in der Selbstinnewerdung besteht, als der Inhalt des Wortes »DAS« von den des Vedânta Beflissenen anerkannt. – Ebenso bedeutet weiter das Wort »DU« die sehende und hörende innere Seele, wie sie vom Leibe ausgehend als das innere Selbst zum Bewusstsein gebracht und als das ausschliesslich Geistige festgehalten wird. Bei denjenigen nun, bei denen diese beiden Begriffe durch Nichtwissen, Zweifel und Irrtum gehemmt werden, kann der Satz »DAS BIST DU« von sich selbst aus das richtige Verständnis nicht hervorbringen, weil das Verständnis des Satzes zur Voraussetzung hat das Verständnis der Begriffe, aus denen er besteht. Mithin ist für solche eine die Unterscheidung dieser Begriffe bezweckende Wiederholung von Schriftwort und Argumentation erforderlich. Und wenn auch weiter der zu erkennende Âtman ohne Teile ist, so wird doch auf denselben | die Vielheitlichkeit von Leib, Sinnen, Manas, Buddhi, Objekten und Empfindungen irrtümlich übertragen. Sofern nun dabei durch das eine Aufmerken der eine Teil, und durch ein anderes ein anderer abgethan wird, insofern ist ein stufenweises Erkennen am Platze, jedoch so, dass dasselbe nur vorhergehend ist vor der vollen Erkenntnis des Âtman. Bei denen hingegen, welche geschickteren Geistes sind und in Bezug auf die beiden Begriffe nicht durch Nichtwissen, Zweifel und[689] Irrtum behindert werden, kann schon durch einmalige Mitteilung der Sinn des Satzes zum Bewusstsein gebracht werden, und in Betreff ihrer ist allerdings die Zwecklosigkeit einer Wiederholung zuzugeben. Denn sobald mit einem Schlage die Erkenntnis des Âtman eintritt, macht sie dem Nichtwissen ein Ende, und von einer Stufenreihe kann dabei nicht die Rede sein. – Man könnte einwenden: ›das wäre richtig, wenn es überhaupt irgend jemanden gäbe, dem in dieser Weise die Erkenntnis aufginge, [aber das ist nicht wohl möglich;] denn die Überzeugung, dass es das eigene Selbst sei, welches den Schmerz u.s.w. empfinde, ist so stark, dass niemand die Nichtrealität der Schmerzempfindung zugeben wird.‹ – Aber dies ist nicht richtig. Denn so gut wie der ganze Leib ein blosser Wahn ist, ist auch das Gefühl der Schmerzempfindung u.s.w. nichts weiter als ein irrtümlicher Wahn. Nämlich von aussen betrachtet, wenn mein Leib geschnitten oder gebrannt wird, und ich sage »ich werde geschnitten, werde gebrannt«, so ist das ein falscher Wahn; und ebenso, wenn die noch mehr äusserlichen [Zubehöre meines Ich] z.B. Söhne, Freunde u.s.w. leiden, und ich sage »ich leide«, so ist dieses offenbar eine unrichtige Übertragung. Ebenso nun steht es mit dem Wahne der Empfindung des Schmerzes; denn ganz ebenso wie mein Leib wird auch die Schmerzempfindung als etwas wahrgenommen, was ausserhalb der Geistigkeit liegt; daher jene auch im Tiefschlafe nicht fortbesteht, während die Geistigkeit hingegen auch im Tiefschlafe fortbesteht, | denn die Schrift sagt: »wenn er dann nicht sieht, so ist er doch sehend, obschon er nicht sieht« (Bṛih. 4, 3, 23.) Darum besteht die Innewerdung des Âtman darin, dass man sich selbst als die von allem Schmerze unberührte, einheitliche Geistigkeit erkennt. Wer sich als diese erkannt hat, für den bleibt nichts mehr zu thun übrig. Denn die Schrift sagt: »wozu brauchen wir Nachkommen, wir, deren Seele diese Welt ist!« (Bṛih. 4, 4, 22), und zeigt damit, dass für den Âtmanwisser keine Pflicht mehr besteht. Und auch die Smṛiti sagt (Bhag. G. 3, 17):


»Der Mann, der an dem Selbst sich freut,

Am Selbste sein Genüge findend

Und seinen Frieden in dem Selbst,

Für den ist keine Pflicht mehr bindend.«


Bei wem hingegen diese Innewerdung nicht gleichsam mit einem Schlage eintritt, für den ist eine zum Zwecke der Innewerdung angestellte Wiederholung das Richtige. Aber auch bei ihm geschieht dies nicht so, dass man ihn zuerst von dem Sinne des Satzes »das bist du« [durch aus der Vielheit geschöpfte Betrachtungen] weiter abbrächte, um ihn in der Wiederholung demselben wieder zuzutreiben, denn damit sie ihren Freier tötet, verheiratet man ein Mädchen doch nicht. Ja, wer noch durch die Pflicht gebunden ist, der denkt: ich bin zu ihr verpflichtet, bin Thäter, muss dieses[690] hier thun, und solche Vorstellungen stehen unweigerlich mit der Vorstellung, dass man Brahman sei, in Widerspruch. Wer hingegen nur deswegen, weil er von Haus aus nur langsamen Geistes ist, den Inhalt des Satzes nicht versteht und von ihm abirrt, von dem wird die Befestigung in dem Inhalt dieses Satzes, wenn er ihn durch Wiederholung u.s.w. eingeprägt bekommt, füglich erlangt. Somit ist erwiesen, dass auch bei einer das höchste Brahman betreffenden Vorstellung in den dabei als Mittel dienenden Unterweisungen eine Wiederholung statthaft ist.

Quelle:
Die Sûtra's des Vedânta oder die Çârîraka-Mîmâṅsâ des Bâdarâyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 686-691.
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