[288] 15. bhāve ca upalabdeḥ
auch wegen der Wahrnehmung in dem Sein.

Auch darum ist die Wirkung von der Ursache nicht verschieden, weil nur »in dem Sein« der Ursache die Wirkung wahrgenommen wird, nicht in ihrem Nichtsein. So wird das Gefäss nur, sofern der Thon ist, | wahrgenommen, nicht, wenn er nicht ist, und ebenso das Tuch nur, sofern die Fäden sind. Bei zwei verschiedenen Dingen ist die Wahrnehmbarkeit des einen nicht notwendigerweise an die Existenz des andern geknüpft; denn ein[288] Pferd z.B. tritt, weil es von der Kuh verschieden ist, nicht bei dem blossen Vorhandensein der Kuh schon in die Wahrnehmung; und ebenso wenig wird in dem blossen Vorhandensein des Töpfers auch schon der Topf wahrgenommen, weil beide, obwohl sie sich als Bewirkendes und Bewirktes zu einander verhalten, doch voneinander verschieden sind. – ›Aber kommt es nicht auch vor, dass die Wahrnehmung des einen notwendig durch das Sein des andern bedingt wird, wie z.B. die des Rauches durch das Sein des Feuers?‹ – Wir antworten, nein! Denn auch nachdem das Feuer erloschen ist, enthalten z.B. die Kohlengefässe der Hirten noch Rauch. – ›Aber könnte man nicht den Rauch nach gewissen Zuständen desselben unterscheiden, so dass eine bestimmte Art des Rauches doch nur vorkommt, sofern das Feuer vorhanden ist?‹ – Auch dann bleibt unsere Behauptung unanfechtbar; denn wir behaupten, dass [nicht die Wahrnehmung, sondern] die dem betreffenden [begrifflichen] Wesen der Dinge nachgehende (lies: tad-bhāva-anuraktām) \ Vernunft (buddhi) der Grund ist für die Erkenntnis der Identität von Ursache und Wirkung, diese aber kommt bei Feuer und Rauch [welche, obwohl in der Wahrnehmung verbunden, doch ihrem begrifflichen Wesen nach verschieden sind] nicht in Frage. –


Oder das Sūtram ist zu lesen:


bhāvāc ca upalabdheḥ,


»auch wegen des Vorhandenseins der Wahrnehmung«.


Das heisst: nicht nur aus der Schrift allein folgt die Identität der Wirkung mit der Ursache, sondern auch aus dem Vorhandensein einer anschaulichen Wahrnehmung schon folgt diese Identität beider. Es ist nämlich auch schon eine anschauliche Identität der Ursache und Wirkung vorhanden. So wird z.B. bei einem Gewebe aus Fäden die Wirkung, welche man Tuch nennt, ausserhalb der Fäden gar nicht wahrgenommen, sondern nur die in der Länge und Breite verlaufenden Fäden allein werden wahrgenommen, und ebenso weiter in den Fäden nur die Fasern, in den Fasern nur die Teilchen, aus welchen sie bestehen. Nach derselben anschaulichen Wahrnehmung ist zu schliessen, dass [in den dreifach gemischten Elementen] nur die drei Gestalten des Roten, Weissen und Schwarzen [der ungemischten Urelemente] vorliegen (vgl. Chānd. 6, 4), aus diesen dann weiter auf den reinen Wind, den reinen Äther [aus dem sie entstanden sind, und der in Gestalt derselben vorliegt], und aus diesem auf das eine zweitlose Brahman. In diesem also laufen, wie gesagt, alle Erkenntnismittel [sogar die Wahrnehmung] als in ihrem Endpunkte aus.

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 288-289.
Lizenz:
Kategorien: