[367] 34. evań ca ātma-akārtsnyam
ebenso auch die Nichtallheit der Seele.

[367] Wie man einerseits gegen die Relativitätstheorie (syādvāda) einwenden muss, dass das eine Subjekt nicht entgegengesetzte Prädikate haben kann, so ist anderseits auch in Betreff der Seele ein Fehler zu rügen, nämlich der ihrer Nichtallheit. Die Ārhata's nämlich glauben, dass die Seele denselben Umfang habe wie der Leib. Soll sie nun | so gross sein wie der Leib, so ist die Seele nicht allheitlich, ist nicht allgegenwärtig, sondern begrenzt; daraus aber würde folgen, dass die Seele, wie [alles räumlich Begrenzte] z.B. die Gefässe u.s.w., nicht ewig wäre.1 Da ferner die Leiber ihrem Umfange nach nicht sich gleichbleiben, so würde eine Menschenseele, die also die Grösse eines Menschenleibes hätte, wenn sie etwa durch irgend ein Heranreifen der Werke eine Geburt als Elefant erleiden müsste, nicht den ganzen Elefantenleib durchdringen können; und wenn sie eine Geburt als Ameise erleiden müsste, so könnte sie nicht ganz in den Ameisenleib eingeschlossen werden. Dasselbe Bedenken findet auch innerhalb des nämlichen Lebenslaufes in Betreff der Kindheit, der Jugend und des Greisenalters statt. – ›Aber kann man nicht annehmen, dass die Seele aus unendlich vielen Teilchen bestehe, und dass diese ihre Teilchen bei einem kleinen Leibe zusammenrücken und bei einem grossen auseinanderrücken?‹ – Bei dieser Annahme fragt sich zunächst, ob diese unendlich vielen Seelenteilchen an einem und demselben Orte sich gegenseitig ausschliessen oder nicht. Sollen sie sich ausschliessen, so ist zu bemerken, dass eine unendliche Vielheit von [körperlichen] Teilchen in einem begrenzten Raume nicht Platz finden kann. Sollen sie sich hingegen nicht ausschliessen, so würde folgen, dass alle Teilchen nur den Raum eines einzigen Teilchen einnehmen würden, eine Ausdehnung somit nicht zu Stande kommen würde, und die Grösse der Seele nur eine minimale sein könnte. Hierzu kommt, dass für die nur den Umfang des Leibes ausfüllenden Teilchen der Seele eine unendliche Dauer nicht denkbar ist.

Oder soll man vielleicht annehmen, dass abwechselnd bei dem Eingehen in einen grossen Leib eine Anzahl von Seelenteilchen | neu hinzukomme, und dass bei dem Eingange in einen kleinen Leib eine Anzahl derselben abgegeben werde? – Hierauf ist zu erwidern:

1

Vgl. Melissus bei Simplic. in Arist. phys. f. 23 b: ου γὰρ αἰεὶ ειναι ἀνυστόν, ὅ, τι μὴ παν εστι (nur das räumlich Unendliche kann zeitlich unendlich sein.)

Quelle:
Die Sūtra's des Vedānta oder die Ēārīraka-Mīmāṅsā des Bādarāyaṇa. Hildesheim 1966 [Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1887], S. 367-368.
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