2. Die verstandesmäßige Begründung der transzendenten Welt

[303] Da im Gottesbewußtsein der Mittelpunkt der mittelalterlichen Metaphysik lag und man von Gott aus die Welt und den Menschen erblickte, hat diese Vernunftwissenschaft während des zweiten Zeitraums der abendländischen Philosophie, ihrem Streben gemäß, alles der Denknotwendigkeit zu unterwerfen, das Dasein Gottes zunächst festzustellen versucht, Gottes Eigenschaften entwickelt und von ihm aus sich über die geschaffenen geistigen Wesen verbreitet. Dies hatte zur Folge, daß Einzelbeweise für das Dasein Gottes an die Spitze der Metaphysik traten und solche für den Bestand eines Geisterreiches, welchem auch die Menschen angehören, festgestellt wurden. Die abstrakte Metaphysik der wolffischen Schule hat auf der Basis der Ontologie die rationale Theologie, Kosmologie und Psychologie als die drei Teile der metaphysischen Wissenschaft gleichwertig behandelt, und Kant hat entsprechend aus dem einen Wesen der Vernunft die Ideen auf diesen drei Gebieten abzuleiten unternommen. Die geschichtliche Betrachtung des Mittelalters zeigt, daß die rationale Theologie und Psychologie, als in eine transzendente Welt des Glaubens mit ihren Schlüssen zurückgreifend, eine ganz andere Stelle im menschlichen Denkzusammenhang einnehmen wie die Kosmologie, welche nur die Begriffe von der Wirklichkeit zu vollenden strebt.[303]

Wir betrachten zunächst die Beweise für das Dasein Gottes, die rationale Theologie.

Das Christentum hatte in dem monotheistischen Ergebnis der antiken Wissenschaft des Kosmos seine geschichtliche Voraussetzung320 und die Väter haben den Schluß auf Gott aus dem Charakter der Welt, welcher zweckmäßige Schönheit und doch zugleich Veränderlichkeit ist, als bindend betrachtet. Während der langen Jahrhunderte des Mittelalters ist die Zurückführung der Welt auf Gott, besonders der Schluß von der Drehung der Himmelskugel auf einen ersten Beweger derselben von keinem ernsthaften Forscher verworfen worden, wenn auch der Grad seiner Evidenz der Untersuchung unterzogen wurde; alle anderen Glaubenswahrheiten dagegen verfielen mehr oder minder der Diskussion. – Seit dem Jahre 1240 war Dezennien hindurch die kirchliche Autorität im Kampfe mit einer Partei der Pariser Universität, welche extreme Folgerungen der averroistischen Lehre ausbreitete. So wurde innerhalb der Universität die Ewigkeit der Welt verteidigt, da der »erste Anfang« als ein Mirakel den notwendigen Zusammenhang der Wissenschaft durchbrach; die Schöpfung aus Nichts wurde angegriffen als mit den Anforderungen der Wissenschaft unverträglich; die Annahme eines ersten elternlosen Menschen und sonach das Jüngste Gericht. Der Mittelpunkt dieser skeptischen Bewegung lag in der Bestreitung der Fortdauer der Einzelseele, da dieselbe aus der Lehre von den substantialen Formen nicht gefolgert werden kann. Aus diesen Voraussetzungen folgte dann das kecke Wort: quod sermones theologi sunt fundati in fabulis, und ihm entsprach ein anderes: quod sapientes mundi sunt philosophi tantum. Aber unter allen Sätzen, welche damals unter Studenten und Lehrern der Pariser Universität umliefen und der kirchlichen Zensur unterworfen wurden, findet sich keiner, welcher das Dasein Gottes in Frage gezogen hätte. – Ein zweiter Herd des skeptischen Geistes war während des dreizehnten Jahrhunderts321 der Hof Friedrichs II. im Süden. Der abergläubische Sinn des niederen Volkes umgab die gedankenmächtige Gestalt des großen Kaisers mit Erzählungen, in welchen als das Auffälligste sein Skeptizismus und seine Neigung zu experimenteller Beantwortung solcher Fragen hervortritt, die man syllogistischen Erörterungen zu überlassen gewohnt war. Wollte man doch wissen, er habe Menschen den Leib öffnen lassen, zum Zwecke des Studiums[304] der Verdauung; er habe Kinder von dem Verkehr abgesondert aufnähren lassen wollen, um die Frage nach der Ursprache zu lösen; ein solcher Versuch erinnert an den philosophischen Roman des Ibn Tophail, welcher im dreizehnten Jahrhundert verbreitet war und die natürliche Entwicklung eines Menschen zum Gegenstande hatte. Die Schriftstücke, die im Kampfe der Kurie gegen den Kaiser ausgearbeitet wurden, und die öffentliche Meinung beschuldigten ihn der Leugnung der Unsterblichkeit, und fanden den letzten Beweggrund seiner Schreckensherrschaft im sizilianischen Reiche in dieser materialistischen Verwerfung jeder Vorstellung eines jenseitigen Lebens. Zwar das furchtbare Wort von den drei Betrügern, den Begründern der drei Religionen des Abendlandes, kann nicht auf den Kaiser zurückgeführt werden; aber der Gedanke, daß die philosophische Wahrheit in allen drei Religionen von Fabeln verhüllt sei, muß als ein Gemeingut der Aufgeklärten an diesem bunten, bald im Morgen- bald im Abendlande unter religiös gemischten Bevölkerungen residierenden Hofe betrachtet werden. Und doch wird uns unter allen Witzworten, welche damals von Friedrich umgingen, keines überliefert, welches den Schluß auf Gott als die Weltursache angetastet hätte.322 – Untersucht man die Äußerungen von Skeptizismus aus anderen Kreisen, so setzen widrige und rohe Verhöhnungen Gottes wie die von Alberich von Romano berichtete, durchaus das Dasein Gottes voraus.323 Auch gingen die Zweifel der Nominalisten gegen jeden Punkt einer rationalen religiösen Wissenschaft zwar bei Occam dazu fort, die Gründe für das Dasein Gottes einer scharfen Kritik zu unterwerfen, ja dieser sprach schon kühn die Möglichkeit aus, daß die Welt sich selbst bewege; aber auch er erkannte doch die überwiegende Kraft der Beweisführungen für das Dasein Gottes an.324

Der Grund dieser Tatsache, daß der metaphysische Geist des Mittelalters an der Evidenz des Daseins Gottes einen unerschütterlichen Stützpunkt hatte, während keine andere Glaubenswahrheit von dem Zweifel unberührt blieb, kann nicht in der Macht religiöser Überzeugungen gefunden werden; denn diese waren, wie wir eben sahen, vielfach erschüttert. Er lag nicht in der Tradition des Zusammenhangs[305] der Weltgeschichte, die an Gott mit ihrem Beginn und Schluß gebunden war; denn so wichtig diese für das Lebensgefühl und die Denkart des mittelalterlichen Menschen gewesen ist, so ward sie doch von kühnen Geistern wenigstens dem Zweifel, wenn auch noch nicht der Untersuchung unterworfen. Am wenigsten können wir ihn in dem ontologischen Argumente finden; denn die Kraft desselben wurde von den hervorragendsten gläubigen Forschern bestritten. Er lag in dem Schluß, welcher auf Grund des damaligen Standes des Naturwissens von den regelmäßigen, harmonisch ineinandergreifenden Bahnen der Gestirne sowie von der die Formen der Natur durchwaltenden Zweckmäßigkeit auf Gott zurückging. Dieser Schluß tritt nicht als ein einzelnes Argument auf, sondern bildet, wie bei Aristoteles, den Zusammenhang der ganzen Naturansicht. Wohl haben die Scholastiker dieses Zeitraums zuerst eine geschlossene Zahl voneinander unabhängiger Einzelbeweise für das Dasein Gottes aufgestellt, auch hat sich wenigstens die Unterscheidung des kosmologischen und des teleologischen (physiko-theologischen) Beweises in der Schulmetaphysik erhalten; doch nicht in dieser zersplitterten schulmäßigen Fassung lag die Macht der Gründe, die von der Welt auf Gott schließen, über den mittelalterlichen Geist.325

Die Physik der Erde war in den ersten Anfängen geblieben und wurde nicht auf die Erklärung der Phänomene der Gestirnwelt angewandt, weder die Hilfsmittel der Rechnung noch die Kunst des Instruments schlugen eine Brücke von den Ereignissen auf der Erde zu denen jenseits im Weltraum, die Schwere wurde als eine terrestrische Tatsache aufgefaßt, Veränderungen waren noch an keinem Punkte als jenseits der irdischen Atmosphäre im Weltraum vorhanden nachgewiesen, und diese Sonderung der Welt himmlischer Körper von der unter dem Monde wurde zu einer vorstellungsmäßigen, räumlichen Vergegenwärtigung des großen Gegensatzes benutzt, in welchem das Christentum allen irdischen Wandel und alle irdische Unvollkommenheit dem gegenüber erblickt, was nicht von dieser Welt ist. Die Bedeutung dieser astronomischen Transzendenz für den Geist des mittelalterlichen Menschen zeigt Dantes kosmisches Gedicht, dessen drei Teile nicht zufällig, ein jeder in anderer Wendung, mit einem anderen Ausblick[306] auf den Sternenhimmel schließen, der letzte mit den berühmten Worten: l'amor che muove il sole e l'altre stelle.

Der Schluß selber ging von der Gleichförmigkeit der Bewegungen am Himmel und ihrer Zweckmäßigkeit, vermittels deren der ganze Haushalt der irdischen Welt bis zum Menschen hinauf geregelt wird, auf eine vollkommene und geistige Wesenheit. Er beruhte bei den meisten Scholastikern auf der astronomischen Konstruktion, die sie in ihrem Aristoteles fanden, seltener auf der, welche sie aus Ptolemäus schöpften. Bald bediente dieser Schluß sich des Hilfssatzes, den Anaxagoras, Plato und Aristoteles anwandten, daß jede Bewegung eines Körpers im Raume eine Bewegungsursache außerhalb desselben voraussetze, bald der Unterscheidung der Bewegungen auf der Erde, welche geradlinig sind und in einem Ziele zur Ruhe kommen, von denen am Himmel, die kreisförmig und kontinuierlich sind und sonach auf ein intelligentes Prinzip von unendlicher Kraft zurückweisen. Er kann so gut bei Albertus Magnus als bei Thomas, bei Bonaventura als bei Duns Scotus gefunden werden.326 Während ihm strenge Evidenz zugeschrieben wurde, ist von den meisten Theologen Probabilität für die Annahme in Anspruch genommen worden, daß die Gottheit durch geschaffene Geister übermenschlicher Art diese Bewegungen am Himmel bewirke, und die Zahl der bewegenden Engel durch die der bewegten Sphären bestimmt werden könne. Die Engellehre wurde auf Grund der aristotelischen Theorie mit der astronomischen Weltansicht verknüpft, und es waren daher auch hier schließlich psychische Beziehungen, welche statt eines mechanischen Naturzusammenhangs den letzten Erklärungsgrund für die Bewegungen im Kosmos darboten. Die herrschende europäische Metaphysik fuhr fort, einen mythischen Willenszusammenhang psychischer Kräfte als letzten Erklärungsgrund des äußeren Weltzusammenhangs festzuhalten.

Auf der Erde wurde an den organischen Wesen eine Zweckmäßigkeit nachgewiesen, welche auf Gott zurückleitete. Diesen Schluß stattete Albertus Magnus, welcher auch hierin dem Aristoteles besonders nahe stand, mit dem größten Beweismaterial aus. »Durch die Weise und das Maß seines Seins, durch das spezifische Wesen, das ihm in der Reihe der übrigen Geschöpfe die bestimmte Stelle anweist, durch das Gewicht oder die Ordnung, in welcher es nach seiner Verwertung[307] mit den anderen in Harmonie ist und auf die Verwirklichung des Weltzwecks Einfluß übt, beweist das Geschaffene sichtlich die Macht eines mächtigen, weisen und gütigen Urhebers.«327

Der Beweis für das Dasein Gottes aus dem gedankenmäßigen Zusammenhang der Vorgänge im Weltganzen hat uns von Anaxagoras ab begleitet. Und zwar haben die Mittelglieder gewechselt, durch welche in ihm aus der Anschauung der Welt auf die Idee Gottes geschlossen wird. Denn sie wurden in einem jeden Zeltalter durch diejenigen Begriffe von dem Zusammenhang der Natur gebildet, welche der Stand der positiven Wissenschaften entwickelt hatte. Die Funktion dieses Beweises in dem Körper der Metaphysik einer Epoche ist also abhängig von der zu derselben Zeit entwickelten Naturansicht. Dieses Grundverhältnis hat Kants ungeschichtlicher Geist verkannt, wie er denn überhaupt den vergeblichen Versuch machte, eine Metaphysik an sich aus den Systemen zu ziehen, dabei aber in der Regel sich begnügte, die wolffischen Kompendien durch Machtspruch für diese Metaphysik an sich zu erklären. In Wirklichkeit hat jede Form des vom Kosmos auf dessen Bedingung zurückgehenden Beweises für eine vernünftige Weltursache nur einen relativen Erkenntniswert, nämlich in ihrer Relation zu den anderen Naturbegriffen eines Zeitalters; und auch die vollständige Begründung, welche nur im Zusammenhang des Systems selber sich vollzieht und welche den für sich ganz unzureichenden kosmologischen Schulbeweis mit dem physiko-theologischen verbindet, hat keine hierüber hinausreichende Tragweite. Sie kann nur zeigen, daß unter Voraussetzung der Begriffe, welche der Erklärung der Wirklichkeit in einer gegebenen Zeit zugrunde gelegt werden, der Rückgang auf eine erste, zweckmäßig wirkende Ursache notwendig ist. Der Begriff Gottes ist in ihr nur ein Glied in dem System der Bedingungen, welches den Phänomenen zu ihrer Erklärung auf einer bestimmten Stufe der Erkenntnis zugrunde gelegt wird, und die Unentbehrlichkeit dieses Gliedes ist abhängig von der Beziehung der Annahme auf andere schon vorhandene Annahmen. So bedurfte Newton neben der Gravitation eines Anstoßes, er bedurfte eines Grundes für die Zweckmäßigkeit in den Abmessungen der Verhältnisse der Planetenbahnen; hierbei war die Gravitation nur ein Ausdruck für einen Teil der Bedingungen, und der Gott, dessen er neben ihr zu bedürfen erklärte, war ebenso nur der Ausdruck für einen anderen Teil dieser Bedingungen, die unter Annahme von Materie, Raum, Zeit, Ursache, Substanz zur Erklärung der Wirklichkeit ihm notwendig erschienen. Sonach ist ein strenger Beweis für das Dasein Gottes[308] von dem Kosmos aus so lange unmöglich, als nicht die objektive Gültigkeit eines abgeschlossenen Systems von Naturbegriffen ihm zugrunde gelegt werden kann. – Wir heben einzelne Bedenken noch besonders hervor. Ein solcher Beweis stünde unter der Voraussetzung der Anwendbarkeit des Kausalbegriffs auf den Weltzusammenhang; wie schon mittelalterliche Philosophen feststellten, würde er nicht gestatten, auf einen Weltschöpfer zu schließen, sondern nur, nach Kants Ausdruck, »auf einen Weltbaumeister, der durch die Tauglichkeit des Stoffes, den er bearbeitet, immer sehr eingeschränkt wäre«; er würde nicht über eine der erkannten gedankenmäßigen Einheit proportionale Ursache hinausführen, und Schritt für Schritt haben sich in der neueren Zeit die Naturbegriffe über diese gedankenmäßige Einheit so geändert, daß der Zwang des Schlusses auf ein selbständiges, von der Welt unterschiedenes persönliches Wesen aufhörte.

Von jedem solchen einzelnen Beweis verschieden ist das ihnen allen zugrunde liegende Bewußtsein von Gedankenmäßigkeit, welches mit der Betrachtung der Bahnen und Abmessungen der Gestirne, sowie der Formen der organischen Welt verknüpft ist: dieses drückt nur aus, daß wir über uns hinaus in ein dem menschlichen Gedanken Analoges, ihm in der Welt Entsprechendes blicken. Es ist die eine Seite des unvertilgbaren Gottesbewußtseins der Menschheit, und wie es die einzelnen Beweise hervorbringt, bleibt es bestehen, nachdem sie aufgelöst sind, aber für sich enthält es nicht die Gewißheit eines von der Welt unterschiedenen persönlichen Wesens.328

Es gibt neben dieser Schlußart nur eine andere, welche wir als die psychologische bezeichnen. Sie hat in der Analysis der inneren Erfahrung ihren Ausgangspunkt; hier findet sie psychologische Bestandteile zu einer lebendigen und persönlichen Überzeugung verbunden, welche unabhängig von aller Naturerkenntnis den Frommen des Daseins Gottes versichern. So führt die freie und der Aufopferung des eignen Selbst fähige Moralität eines Wesens, welches sich doch nicht als seinen eigenen Schöpfer zu betrachten vermag, dasselbe über alle Naturbegriffe hinaus und setzt als ihre Bedingung einen göttlichen Willen. Die Art, wie wir die Vergänglichkeit in uns fühlen, alsdann den Irrtum sowie die Unvollkommenheit dessen, was wir sind, schließt, psychologisch angesehen, in sich, daß ein Maßstab für uns da ist, welcher über dies alles hinausreicht; käme diesem Maßstab keine Realität zu, dann wäre das Gefühl von Unvollkommenheit und Schuld eine leere Sentimentalität, die die Wirklichkeit an unwirklichen Gedankenbildern messen würde. Das lebendige Bewußtsein[309] der sittlichen Werte fordert, daß sie nicht als Nebenerfolg des Naturzusammenhangs im Bewußtsein aufgefaßt werden, sondern als eine machtvolle Realität, auf welche die Gestaltung der Welt hingerichtet und welcher in der Weltordnung der Sieg gesichert ist. Hatte das antike Denken die in dem Beweis aus der einheitlichen Gedankenmäßigkeit des Kosmos entwickelte Seite unserer metaphysischen Besinnung zur Darstellung gebracht, so richtete sich das christliche vornehmlich auf diese andere Seite derselben, die Tiefen unseres Selbst durchmessend und die Erfahrungen des Willens aufrichtig im Innern zu vernehmen bemüht. Wohl hat das Christentum in dem monotheistischen Ergebnis der antiken Wissenschaft des Kosmos seine geschichtliche Voraussetzung und in dem Bewußtsein der Gedankenmäßigkeit des Weltganzen einen bleibenden Bestandteil seines Gottesgedankens; aber die Gewißheit Gottes, der für es mehr als eine intelligente Ursache ist, liegt ihm in erster Linie in den Erfahrungen des Gemüts und des Willens, und die ganze Literatur der Väter und des Mittelalters ist von Schlüssen aus diesen inneren Erfahrungen auf das Dasein Gottes durchzogen, unter denen die drei oben angegebenen besonders hervortreten329. Wie so vieles im Mittelalter symbolisch ist, war damals dieser Zusammenhang der sittlichen Ordnung in Gott an der Hierarchie sichtbar, in welcher Gnade und Gewalt von Gott abwärts flossen; jedes Meßopfer ließ die Gegenwart Gottes im Diesseits gewahren.

Was so dem Frommen auf subjektive und persönliche Weise gewiß war und Kirchenväter wie mittelalterliche Schriftsteller in unzähligen Formen frei und persönlich ausgesprochen haben, das wollte die christliche Metaphysik auf einen für alle zwingenden Schluß bringen. Und zwar hat diese psychologische Begründung die am meisten abstrakte begriffliche Fassung in dem ontologischen Beweis erhalten. Anselm setzte sich die tiefgedachte Aufgabe, eine Begründung Gottes zu finden, welche die Existenz und Beschaffenheit der Welt nicht zur Voraussetzung habe. Er leitete aus dem Begriff Gottes durch logische Analysis die Einsicht in sein Dasein ab. Die Unhaltbarkeit des so entstehenden ontologischen Beweises ist von Gaunilo bis Thomas von Aquino und von diesem bis Kant überzeugend gezeigt worden: nicht in dem abstrakten Begriff Gottes, sondern in dem lebendigen[310] Zusammenhang des Gottesgedankens mit der Totalität des psychischen Lebens ist eine von der Wissenschaft des Kosmos unabhängige Gewißheit Gottes begründet. Dieser lebendige und natürliche Zusammenhang ist in dem früheren Beweis Anselms angemessener ausgedrückt; hier wird als Grundlage unseres Bewußtseins von verschiedenen Graden des Guten und Vollkommenen das eines höchsten Gutes, einer unbedingten Vollkommenheit aufgezeigt. So wird auf Gott als das höchste Gut geschlossen, im Unterschied von dem Schluß auf ihn als intelligente Ursache.330 Dem moralischen Beweis hat bekanntlich Raymund von Sabunde eine zwingende Form zu geben versucht.

Doch waren alle Versuche, dem Zusammenhang der inneren, besonders sittlichen Erfahrungen mit dem Gottesglauben die Form eines metaphysischen Beweisverfahrens zu geben, von einer ebenso vorübergehenden Bedeutung, als das Unternehmen, aus dem Kosmos einen persönlichen Gott zu erschließen. Denn die Elemente der inneren Erfahrung, aus deren Analysis diese Versuche folgerten, sind einer allgemeingültigen Darstellung nicht fähig. Ihr Gegenstand ist eben praktische Religion, und diese ist persönliches Leben. Ja dieser praktische Glaube ist so unabhängig von seiner theoretischen Darstellung, daß ein Mensch Gott gleichsam zu leben vermag, dessen intellektuelle Lage ihm das Schicksal, Gott zu bezweifeln, auferlegt hat. Daher erkannte der praktische Glaube erst im Protestantismus, als die Metaphysik des Mittelalters sich aufgelöst hatte, die wahre Beschaffenheit seiner Gewißheit.

Von der rationalen Theologie, dem Mittelpunkte des mittelalterlichen Denkens überhaupt, wenden wir uns zur rationalen Psychologie.

Sie empfing bereits von den Metaphysikern aus der Zeit des Kampfes zwischen Christentum, Judentum und griechischrömischem Götterglauben ihre dauernde systematische Gestalt. Es ist dargelegt, wie die Erfahrungen des Herzens, das Studium des Seelenlebens in den ersten Jahrhunderten nach Christus in den Vordergrund traten. Schon das Überwiegen des Privatlebens wirkte in dieser Richtung. Alsdann lenkte die Imperatorenherrschaft alle Blicke der römischen Gesellschaft mit atemloser Spannung auf einen Mann, und man bemerkt an Tacitus, welche Veränderung nunmehr[311] das historische Sehen erfuhr; seine Seelengemälde der Kaiser sind der Ausdruck der veränderten Interessen der Gesellschaft. Tiefere Beweggründe traten hinzu; die Sehnsucht nach der Unsterblichkeit ist der Grundzug des alternden Heidentums. Die Grabinschriften jener Zeit zeigen, daß die Vorstellung eines kraftlosen Traumlebens in der Unterwelt nun gänzlich zurücktrat hinter die Erwartung eines höheren Lebens. »Ihr hochgelobten Seelen der Frommen,« heißt es in einer solchen Grabinschrift, »führet die schuldlose Magnilla durch die elysischen Haine und Gefilde in eure Wohnungen.« Das Märchen von Amor und Psyche, die beliebt werdende Darstellung der Psyche unter dem Symbol des Schmetterlings sind Sinnbilder dieser Sehnsucht. Mysteriendienste wiesen die Wege, auf welchen dies inbrünstige Verlangen das Herz der Gottheit suchte. Boethius' schönes Werk »über den Trost der Philosophie« hat den letzten Ausblick in der Zuversicht: wenn die Seele guten Gewissens, aus dem irdischen Gefängnis erlöst, nun frei dem Himmel zustrebe, dann werde alles irdische Tun ihr als Nichts erscheinen, vor dem Genuß der Freuden des Himmels. Das Herz der christlichen Literatur der ersten Jahrhunderte ist das Gefühl von dem unendlichen Werte der moralischen Person vor Gott. Die Grundlegung der Lehre von einem Reiche ewiger individueller Seelensubstanzen ist nur der wissenschaftliche Ausdruck dieser Veränderung des Seelenlebens. Nun erhebt sich über den Horizont der metaphysischen Besinnung die Geisterwelt und ihr Reich. Der literarische Ausdruck dieser Tatsache liegt in den Stilformen von Meditationen, Soliloquien, Monologen, und der einsame Verkehr des Geistes mit sich selber ist nun der tiefe Quellpunkt des wissenschaftlichen Denkens.

Plotin, der reinste und edelste Verteidiger des mit dem Christentum im Todeskampfe ringenden Heidentums, zeigt in seinem System die Gemütsverfassung der neuen, dem echten griechischen und römischen Leben ganz fremden Zeit. War doch Ammonius, sein Lehrer, in dem neuen Seelenleben der christlichen Gemeinden aufgewachsen. Wenn nun die unsichere Überlieferung noch erkennen läßt, daß schon Ammonius die Immaterialität der Seele zu erweisen unternahm331, so finden wir bei Plotin diesen Beweis zu einer vollständigen Metaphysik des Seelenlebens entwickelt, welche sich gegen die Theorien der Epikureer und Stoiker wendet. Mit ihm berührt sich an manchen Punkten Origenes in seiner Schrift über die Prinzipien, er löst für die im Kampfe mit den Gnostikern begriffenen christlichen Gemeinden dieselbe Aufgabe, wie Plotin für die heidnische Welt.[312]

Plotin erweist durch eine lange Reihe von Gründen, daß die Seele als ein immaterielles Wesen existiert. – Wir heben zunächst das folgende Argument hervor: Das Erkennen ist außerstande, aus den Verhältnissen körperlicher Elemente zueinander einen geistigen Tatbestand abzuleiten, keine Zusammensetzung macht das Hervortreten von Bewußtsein, das in den Komponenten nicht vorhanden war, erklärlich; dem Vernunftlosen kann durch keine Kunst Vernunft abgewonnen werden.332 Diese Beweisführung hat nur die Tragweite, psychisches Leben als eine für unser Erkennen von dem materiellen Tatbestand ganz unterschiedene, nie auf ihn zurückzuführende Tatsache aufzuzeigen.333 – Aber Plotin geht in diesem Zusammenhang zu demjenigen Beweis fort, welcher in der europäischen Metaphysik die erste Stelle behauptet hat. Er war bei Plato und Aristoteles vorbereitet. Plato hatte mit tiefem Blicke hervorgehoben: wenn wir imstande sind, das in verschiedenen Sinnen Gegebene zu vergleichen, Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit auszusprechen, dann kann das nur in einem von den Sinnesorganen Verschiedenen, in der Seele selber geschehen.334 Dann hatte Aristoteles erkannt, daß ein Urteil: süß ist nicht weiß, unmöglich ist, wenn diese Empfindungen an verschiedene Subjekte verteilt werden und nicht vielmehr in demselben Subjekt zusammen bestehen.335 Plotin unternimmt allgemein zu beweisen: Wäre die Seele materiell, alsdann könnte weder Wahrnehmung noch Denken oder Wissen oder das Sittliche und Schöne vorhanden sein. Soll etwas, so schließt er hierbei, ein anderes wahrnehmen, so muß es eine Einheit sein; wenn die eintretenden Bilder, vermöge der Mehrheit der Sinnesorgane, ein Mannigfaches sind, ja innerhalb des Empfindungskreises eines Sinnesorgans ein Mannigfaltiges in sich schließen, so müssen sie durch eine mit sich selbst identische Einheit zum Gegenstand verbunden werden; die Sinneseindrücke müssen in einer unteilbaren Einheit sich begegnen. Er drückt es in einem zutreffenden Bilde so aus: die Wahrnehmungen müssen von der ganzen Peripherie des Sinneslebens her wie Radien eines Kreises, in dem unteilbaren Mittelpunkt des Seelenlebens zusammentreffen. Anderenfalls würden innerlich viele Wahrnehmungen nebeneinander entstehen; denn Teil A der materiellen und ausgedehnten Seele würde seine Eindrücke für sich haben, ebenso B und C; dies wäre also schließlich so, als ob ein Individuum A und neben ihm ein Individuum B wahrnähme. Sind wir ferner imstande, [313] zwei Eindrücke untereinander zu vergleichen, voneinander zu unterscheiden, dann setzt dies voraus, daß sie in einer Einheit aneinandergehalten werden. In diesem wie in anderen mehr untergeordneten Beweisen ist der große Satz von der Unvergleichbarkeit der Leistung des Bewußtseins mit dem, was wir als Vorgang den Veränderungen in der Außenwelt zugrunde legen, von Plotin ganz vollständig durchgedacht worden. Dieser Satz hatte freilich irrtümlicherweise für ihn eine positive metaphysische Beweiskraft; aber eine solche ist demselben auch in der ganzen weiteren Entwicklung bis auf Leibniz, Wolff, Mendelssohn, ja Lotze hin beigelegt worden; während er in Wirklichkeit nur einen negativen Wert, gegenüber jeder Art von materialistischer oder sogenannter monistischer Metaphysik hat.336

Diese Begründung der Lehre von seelischen Substanzen ist von Augustinus durch seinen erkenntnistheoretischen Gesichtspunkt vertieft und befestigt worden. Er erklärt: »ich wage zu behaupten, daß ich in bezug auf die Immaterialität der Seele nicht nur glaube, sondern ein strenges Wissen habe«.337 Sein Wissen sahen wir338 darin gegründet, daß die ganze Erkenntnis der Außenwelt dem Skeptizismus, der auf diese Erkenntnis sich bezieht, erliegen muß, dagegen die Selbstgewißheit in der inneren Erfahrung aufgeht. Innere Erfahrung wird von ihm als ein Wissen erkannt, in dem uns bereits das ganze Seelenleben gegeben ist, wann die Absicht auftritt, dessen Wesen zu erkennen. Der spezifische Unterschied dieser inneren Erfahrung von aller Erkenntnis des äußeren Naturlaufs wird ausgesprochen und die Inferiorität dieser letzteren für den Erkenntniszusammenhang wird durchschaut. – Und zwar zeigt der Inhalt der inneren Erfahrung auch dem Augustinus die Unvergleichlichkeit des geistigen Lebens mit dem Naturlauf und sonach die Unmöglichkeit einer Zurückführung der geistigen auf materielle Vorgänge. Das geistige Leben kann nicht als Qualität an dem Subjekt Körper aufgefaßt werden, denn man kann nicht die Leistungen des geistigen Lebens auf die eines materiellen Ganzen zurückführen. Insbesondere unterscheidet den Geist, daß er in jedem Punkte des Körpers ganz gegenwärtig ist und die Empfindungen der Sinne zum Gegenstande des Bewußtseins, der Vergleichung und des Urteils zu machen vermag.339[314]

Die von den Neuplatonikern und dem an sie sich selbst anschließenden Augustinus begründete Metaphysik der Seelensubstanzen ist dann von den mittelalterlichen Philosophen ausgebaut worden. Dieselben schließen sich an neuplatonisch gefärbte Quellen sowie an Augustinus an und folgern aus der Beschaffenheit geistiger Vorgänge, daß diese nicht aus der Materie abgeleitet oder in irgendeinem Sinne als materiell aufgefaßt werden können.340 Sie gehen in allen strengeren Beweisen für die Unsterblichkeit von der Vergleichung der Leistungen des psychischen Lebens mit den Eigenschaften eines Räumlichen und Körperlichen aus, folgern so den Bestand einer Seelensubstanz, und aus diesem erschließen sie die Unsterblichkeit. Wird die Beweisführung insbesondere durch die arabischen Peripatetiker feiner und mannigfaltiger entwickelt, so wird doch zugleich ihr Ausgangspunkt auf eine für die Beweiskraft nachteilige Weise verschoben. Man geht nicht von den Tatsachen des Wahrnehmens und Vergleichens, sondern von denen einer abstrakten Wissenschaft und der in ihr gegebenen allgemeinen Begriffe aus. Dies kann an den wichtigsten der arabischen Beweise festgestellt werden, welche in der ausgezeichneten Darstellung der Destructio destructionum bei Ibn Roschd zusammengestellt sind. Der Hauptgrund ist hier: Die abstrakte Wissenschaft ist unteilbare Einheit und kann sonach nur einem Subjekt zukommen, das ebenfalls unteilbare Einheit ist.341 Im Abendlande kehren dieselben Gründe wieder, es muß eine unteilbare Seelensubstanz geben, das Unteilbare ist aber unzerstörbar.342 Sie wurden dann durch solche von einem anderen Charakter ergänzt.343 Die sittliche Ordnung fordert Strafen, diese treten aber im Diesseits nicht regelmäßig ein; wir finden in uns ein natürliches Streben nach Glückseligkeit und dieses muß zur Befriedigung gelangen; aus dem teleologischen Zusammenhang der Welt in Gott folgt, daß die Schöpfung in ihr Prinzip zurückkehren muß, und wie sie von dem göttlichen Intellekt ausging, erreicht sie in geistigen Wesen ihren Abschluß.344[315]

Die Beweiskraft des Schlusses auf den Bestand immaterieller Substanzen ist während des Mittelalters unerschüttert geblieben. Denn die dogmatischen Naturbegriffe der mittelalterlichen Metaphysiker boten ein Fundament für die Folgerung auf ein von der Natur unterschiedenes Geistige. Dagegen ist der weitere Schluß auf die individuelle Fortdauer der Einzelseelen schon von mittelalterlichen Denkern als unhaltbar erkannt worden. Wie im Morgenlande Ibn Roschd die individuelle Unsterblichkeit in Frage stellt, so gingen auch im christlichen Abendlande Amalrich von Bena und David von Dinanto, wahrscheinlich unter dem Einfluß arabischer Lehren, zur Leugnung der persönlichen Fortdauer fort. Und zwar zogen sie die Konsequenz der Vernunftwissenschaft, wenn sie in dem Sein, das dem höchsten Begriff entspricht, die Differenzen der Gattungen, Arten und Individuen gleichsam nur eingezeichnet vorstellten und so jedes Einzeldasein ihnen nur die vorübergehende Modifikation derselben Substanz war. Und Duns Scotus bedient sich zwar einer der oben dargelegten verwandten Betrachtungsweise, um jede Art materialistischer Vorstellung abzuwehren, aber er erkennt bereits nicht mehr an, daß die individuelle Fortdauer aus ihr folge.345

Das Mittelalter hat, entsprechend seinem geringeren Interesse für die wissenschaftliche Durchbildung der Begriffe von der Wirklichkeit, das System der kosmologischen Sätze nur höchst unvollkommen entwickelt, und was es dem Erwerb des Altertums zufügte, war ein aus dem Interesse an der transzendenten Welt stammendes Problem. Denn die Antinomien, welche die Kritik der Eleaten, Sophisten und Skeptiker in der Weltvorstellung aufgezeigt hatte, wie räumliche Endlichkeit und Unendlichkeit, Stetigkeit der äußeren Wirklichkeit und Zerlegbarkeit indiskrete Teile, wurden nun vergessen oder die Schärfe ihrer Begriffe wurde abgestumpft. Dagegen trat diejenige hervor, welche den Angelpunkt aller Kämpfe des späteren Mittelalters um die verstandesmäßige Begründung der christlichen Gottesidee bildet. Dies ist die Antinomie zwischen dem Theorem von der Ewigkeit der Welt und dem von der Schöpfung d.h. dem Ursprung der Welt in der Zeit aus dem bloßen Willen Gottes. Die Folgerichtigkeit des Weltzusammenhangs nach den der Außenwelt angehörigen Verhältnissen der Bewegungen zueinander, deren Repräsentanten Aristoteles und Ibn Roschd, der Aristoteles der Araber, waren, fand sich in Widerspruch[316] mit der christlichen Glaubenswelt, und dies war der wichtigste Teil des sogenannten Kampfes zwischen Glaube und Unglaube im Mittelalter.

320

Römerbrief I, 19 ff. Apostelgeschichte 14, 15 ff. 17, 22 ff.

321

Die Chronica Fr. Salimbene Parmensis (Parmae 1857) spricht p. 169 von der destructio credulitatis Friderici et sapientum suorum, qui crediderunt, quod non esset alia vita, nisi praesens, ut liberius carnalitatibus suis et miseriis vacare possent. ideo fuerunt epycurei...

322

In der schönen auf persönlicher Anschauung beruhenden Schilderung der erwähnten Chronik p. 166 heißt es von Friedrich dem Zweiten: de fide Dei nihil habebat, aber diese fides Dei ist augenscheinlich im Sinne des Gottesglaubens eines Christen zu verstehen.

323

Ebda. p. 182.

324

Zu den scholastischen Debatten über das Dasein Gottes in den Klöstern vgl. Thomas de Eccleston de adventu fratrum minorum in Angliam (Monum. Francisc. Lond. 1858) p. 50: cum ex duobus parietibus construatur aedificium Ordinis, scilicet moribus bonis et scientia, parietem scientiae fecerunt fratres ultra coelos et coelestia sublimem, in tantum, ut quaererent an Deus sit.

325

An der Spitze der summa theologiae des Thomas steht p. I, quaest. 2 de Deo, an Deus sit (quaest. 1 behandelt nur den Begriff der christlichen Wissenschaft); im dritten Artikel derselben werden fünf Einzelbeweise gesondert: aus der Bewegung, aus der Verkettung der Ursachen und Wirkungen, aus dem Verhältnis des Möglichen, das sein kann, doch nicht zu sein braucht, entsteht, sich verändert und vergeht, zu dem Notwendigen (der spätere Beweis a contingentia mundi), aus dem Verhältnis der Grade in den Dingen zu einem Absoluten, aus der Zweckmäßigkeit. Hiermit vgl. Duns Scotus in sent. 1, dist. 2 quaest. 2.

326

Albertus Magnus de causis et processu universitatis lib. I, tract. 4, c. 7. 8. lib. II, tract. 2, c. 35-40. Thomas contra gentil. III, c. 23 sq. Bonaventura in lib. II sententiarum, besonders dist. 14. p. 1 (die Voraussetzungen des Schlusses am deutlichsten art. 3 quaest. 2: an motus coeli sit a propria forma vel ab intelligentia). Duns Scotus qu. subt. in met. Arist. lib. XII, q. 16-21.

327

Albertus, Summa theol. II, tract. 1 qu. 3 m. 3 art. 4 part. 1 p. 28 a.

328

Die Voraussetzung der Schlüsse aus der Welt auf einen von ihr unterschiedenen Gott, daß ein regressus in infinitum unmöglich sei, ist von Occam aufgelöst worden.

329

Aus dem großen Material können keine einzelnen Belege herausgehoben werden. Thomas verweist ausdrücklich diese Begründung nur darum aus seiner Beweisführung, weil sie keine allgemeingültige Fassung gestattet, Summa theol. p. I, quaest. 2 art. 1. Der Fortgang vom Streben nach dem höchsten Gut zu der Befriedigung in Gott wird in der Regel im Mittelalter nach Augustinus (vgl. S. 333) dargestellt; an ihn schließen sich die Mystiker, unter denen schon Hugo von St. Viktor den Beweis aus der Welt von der Begründung aus dem religiösen Erlebnis unterscheidet.

330

Die Voraussetzung des ontologischen Beweises, welcher aus dem esse in intellectu für das Wesen, quo majus cogitari non potest, das esse et in re erschließt, ist am deutlichsten in Anselms apologeticus c. 1 u. 3. – In dem früheren Beweis Anselms ist besonders der Satz im monologium c. 1 beachtenswert: quaecunque justa dicuntur ad invicem, sive pariter sive magis vel minus, non possunt intelligi justa nisi per justitiam, quae non est aliud et aliud in diversis. An dies frühere Beweisverfahren Anselms schließt sich der vierte Beweisgrund des Thomas Summa theol. p. I, quaest. 2 art. 3.

331

Nemesius de natura hominis c. 2. 3.

332

Plotinus Enn. IV, 1. 7 p. 456 ff., gegen die Epikureer (p. 457), einige Peripatetiker (p. 458) und die Stoiker (p. 458 f.) gerichtet und ein vortrefflicher Nachweis der Unmöglichkeit einer Ableitung psychischer Tatsachen, wenn dieselben nicht schon in den Erklärungsgründen vorausgesetzt sind.

333

Vgl. S. 9 ff.

334

Plato, Theaet. 185 ff.

335

Aristoteles de anima III, 2 p. 426 b 15.

336

Plotinus Enn. IV, 1. 7 p. 461 ff. Bemerkenswert auch das parallele Argument aus dem sinnlichen Gefühl p. 4.62. Denkt man sich die einzelne Stelle, an welche ich den Schmerz verlege, ihn empfindend und eine Mitteilung dieses Zustandes stattfindend, dann würden wir den Schmerz aller in Mitleidenschaft gezogenen Stellen, also ein Vielfaches, fühlen. Geringer die Beweisführung aus dem Denken, der Tugend usw. – Über den nur negativen Wert des Schlusses vgl. S. 9 ff. 383 f.

337

Augustinus de Gen. ad litt. XII, c. 33.

338

S. 263 f.

339

Belegstellen aus Augustinus habe ich S. 263 angegeben, die Hauptdarlegung war im ersten Buche de libero arbitrio.

340

Thomas contra gentil. II, c. 49 ff. p. 197 ff.

341

Averroes, Destructio destructionum II, disputatio 2 und 3 fol. 135 H ff. 145 C ff. (Ven. 1562). Das Hauptargument in der ihm von Ibn Sina gegebenen Gestalt findet sich in den Gegenbemerkungen des Ibn Roschd zu der ratio prima für die immaterielle Seelensubstanz besonders angegeben. Weitere Beweise schließen aus der Undenkbarkeit dessen, was aus der Annahme folgen würde, ein Körperorgan z.B. das Gehirn denke; alsdann wäre z.B. ein Wissen von unsrem Wissen unmöglich. – Eine sehr korrumpierte Zusammenstellung der bei den Arabern gewöhnlichen Beweise findet sich in dem Brief des Ibn Sab'in an den Kaiser Friedrich den Zweiten, der auch Fragen des Kaisers über Unsterblichkeit beantwortet.

342

So Thomas contra genial, II, c. 49-55 P. 197 ff.

343

Diese Klasse von Argumenten gut zusammengefaßt bei Bonaventura in lib. II, sententiarum dist. 19 art. 1 quaest. 1.

344

Thomas contra gentil. II, c. 46 p. 192 a.

345

Über Amalrich von Bena und David von Dinanto Hauréau, Histoire d. 1. phil. scol. II, 1 p 73 ff, vgl. oben S. 304 f. – Die wichtige Bestreitung der Beweisbarkeit persönlicher Fortdauer, wie sie Duns Scotus in die christliche Scholastik einführte, vgl. bei Duns Scotus, reportata Paris, 1. IV, dist. 43 und die entsprechende Darstellung in sent.

Quelle:
Wilhelm Dilthey: Gesammelte Schriften. Band 1, Leipzig u.a. 1914 ff, S. 303-317.
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