§ 17.

[33] Mit absoluter Freiheit ergreift sich der Gedanke oder das[33] Wissen (§ 16.). Dies setzt voraus ein von sich selbst sich Losreissen des Gedankens, um dann sich wieder fassen (objectiviren) zu können, eine Leerheit der absoluten Freiheit, um für sich selbst zu seyn. Die Freiheit macht sich selbst – schlechthin: welches ja allein eine Duplicität der Freiheit ist, wie sie für den Act der intellectuellen Anschauung vorausgesetzt werden muss (überhaupt für jede Reflexion, in ihrer unendlichen, immer höher steigenden Möglichkeit), welche daher, wie sich zeigt, zum ursprünglichen Wesen des Wissens gehört. Eben dieses nicht Seyn der absoluten Freiheit, um doch zu seyn und zu werden, ist es, worauf hier aufmerksam gemacht wird. Unten (im objectivirten Wissen) ist sie und das Seyn. Hier ist beides nicht, sondern wird.

In diesem Acte nun geht das Wissen sich selbst auf: die Freiheit, wodurch sie das Seyn beschreibt: das Seyn, das da beschrieben wird. In diesem Acte ist beides für sich, und ohne ihn wäre keins von beiden, sondern es wäre eitel Blindheit und Tod. Hierdurch wird die Freiheit eigentlich zur Freiheit, was ohne Mühe einleuchtet, – der Gedanke zum Gedanken, was zu erinnern ist. Sie bringt die Sichtbarkeit, das Licht, erst in beide hinein und flösst es ihnen ein. Sie ist die absolute Reflexion: ihr Wesen ist Act (was unendlich wichtig ist).

Keine Reflexion, als Act, daher, ohne absolutes Seyn des Wissens: hinwiederum kein Seyn (Ruhe, Zustand) des Wissens, ohne Reflexion; denn sodann wäre es eben kein Wissen, – und es wäre in ihm keine Freiheit (die nur im Acte ist, und ein Seyn nur enthält zufolge des Actes), und kein Seyn des Wissens, das da nur ist für sich.

Und so sind beide Ansichten vereinigt in dieser Anschauung. Ob du das Seyn von der Freiheit, oder die Freiheit von dem Seyn ableitest, ist es immer nur die Ableitung desselben von demselben, nur verschieden angesehen; denn die Freiheit oder das Wissen ist das Seyn selbst; und das Seyn ist das Wissen selbst, und es giebt durchaus kein anderes Seyn. Beide Ansichten sind unzertrennlich von einander, und sollten sie denn doch getrennt werden – wovon wir bis jetzt die Möglichkeit[34] nur zum Theil einsehen: – so sind es nur verschiedene Ansichten Eines und desselben.

Dies der wahre Geist des transcendentalen Idealismus. Alles Seyn ist Wissen. Die Grundlage des Universum ist nicht Ungeist, Widergeist, dessen Verbindung mit dem Geiste sich nie begreifen liesse, sondern selbst Geist, Kein Tod, keine leblose Materie, sondern überall Leben, Geist, Intelligenz: ein Geisterreich, durchaus nichts Anderes. Wiederum alles Wissen, wenn es nur ein Wissen ist, – (wie Wahn und Irrthum, nicht als substantes des Wissens, denn das ist nicht möglich, sondern als accidentes desselben möglich sey, davon zu seiner Zeit) – ist Seyn (setzt absolute Realität und Objectivität).

Dem Ganzen jener absoluten Reflexion wird nun ein Seyn des Gedankens sowohl (§ 16, sub finem), wie der – hier der stehenden und seyenden – Freiheit vorausgesetzt; und auch hier ist Eins nicht ohne das Andere. Zugleich liegt aber im unteren Wissen, wie gezeigt, auch Freiheit und Seyn (d.h. Möglichkeit der Reflexion – und der reine, absolute Gedanke), und beide sind auch nicht Eins ohne das andere, ebenso, wie oben. Endlich sind die beiden Beziehungen derselben, das oben und das unten, auch nicht ohne einander; und wir bekämen so, wie das Bewusstseyn anhebt, ein untrennbares Fünffache, als eine vollkommene Synthesis. Eben in dem Mittelpuncte, d. i. in dem Acte des Reflectirens, steht die intellectuelle Anschauung und vereinigt beides, und in beiden die Nebenglieder beider.

Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 2, Berlin 1845/1846, S. 33-35.
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