Zehnte Rede

Sangāravo

[769] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit wanderte der Erhabene im Lande Kosalo von Ort zu Ort, von vielen Mönchen begleitet.

Um diese Zeit nun lebte Dhanañjānī, das Weib eines Priesters, zu Paccalakappam, gläubig ergeben dem Meister, der Lehre und den Jüngern316.

Da hielt denn Dhanañjānī das Priesterweib mit ihrer Arbeit inne und ließ dreimal den Gruß ertönen:


»Verehrung dem Erhabenen,

Dem heilig auferwachten Herrn!


Verehrung dem Erhabenen,

Dem heilig auferwachten Herrn!


Verehrung dem Erhabenen,

Dem heilig auferwachten Herrn!«


Damals aber war Saṉgāravo, ein junger Brāhmane, nach Paccalakappam gezogen, ein Meister der drei Veden, samt ihrer Auslegung und Deutung, samt ihrer Laut- und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufwies.

Und Saṉgāravo der junge Brāhmane hatte gehört wie Dhanañjānī das Priesterweib also gesprochen, und er wandte sich zu ihr:

»Verkümmert ist dieses Priesterweib Dhanañjānī, verkommen ist dieses Priesterweib Dhanañjānī, das ja da, wo es Priester, Kenner der drei Veden gibt, jenen kahlgeschorenen Asketen preisen mag317

»Nicht kennst du ja doch, guter Freund, des Erhabenen Tugend und Weisheit: wenn du, guter Freund, des Erhabenen Tugend und Weisheit kenntest, so würdest du, guter Freund, nicht daran denken, Ihn, den Erhabenen zu schmähen und zu schelten.«

»Wohl denn, liebe Frau: wenn einmal der Asket Gotamo nach Paccalakappam kommt, so laß' es mir sagen!«

»Gern, guter Freund!« erwiderte da Dhanañjānī das Priesterweib Saṉgāravo dem jungen Brāhmanen.


[770] Und der Erhabene wanderte im Lande Kosalo von Ort zu Ort weiter und gelangte allmählich nach Paccalakappam.

Zu Paccalakappam weilte nun der Erhabene, im Mangohaine der Todeyyer Priester.

Da hörte Dhanañjānī das Priesterweib reden: ›Der Erhabene ist in Paccalakappam angekommen, weilt bei Paccalakappam, im Mangohaine der Todeyyer Priester!‹

Und Dhanañjānī das Priesterweib begab sich zu Saṉgāravo dem jungen Brāhmanen hin und meldete ihm:

»Er ist hier, guter Freund! In Paccalakappam ist der Erhabene angekommen, weilt bei Paccalakappam, im Mangohaine der Todeyyer Priester: wie es dir nun, guter Freund, belieben mag.«

»Schön, liebe Frau!« sagte da freundlich Saṉgāravo der junge Brāhmane zu Dhanañjānī dem Priesterweib.

Und er begab sich dorthin wo der Erhabene weilte, wechselte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun Saṉgāravo der junge Brāhmane zum Erhabenen also:

»Es gibt, o Gotamo, manche Asketen und Priester, die der Erkenntnis letzte Vollendung, das Urasketentum hienieden erreicht zu haben glauben. Zu welchen aber, o Gotamo, von diesen Asketen und Priestern, die der Erkenntnis letzte Vollendung, das Urasketentum hienieden erreicht zu haben glauben, gehört da Herr Gotamo?«

»Die der Erkenntnis letzte Vollendung, das Urasketentum hienieden erreicht zu haben glauben sind eben, sag' ich, Bhāradvājo318, verschieden geartet. Es gibt, Bhāradvājo, manche Asketen und Priester, die wissen vom Hörensagen her und glauben, durch Hörensagen der Erkenntnis letzte Vollendung, das Urasketentum hienieden erreicht zu haben; gleichwie etwa die Dreivedenpriester. Es gibt auch, Bhāradvājo, manche Asketen und Priester, die ganz aus eigenem Dünken der Erkenntnis letzte Vollendung, das Urasketentum hienieden erreicht zu haben glauben; gleichwie etwa die Grübler und Forscher319. Es gibt, Bhāradvājo, manche Asketen und Priester, die bei nie zuvor erfahrenen Dingen die Wahrheit eben selbst erkannt und der Erkenntnis letzte Vollendung, das Urasketentum hienieden erreicht zu haben glauben. Zu den Asketen und Priestern, Bhāradvājo, die da bei nie zuvor erfahrenen Dingen die Wahrheit eben selbst erkannt und der Erkenntnis letzte Vollendung, das Urasketentum hienieden erreicht zu haben glauben, zu denen gehör' ich. Darum muß man es nun, Bhāradvājo, dem Verhältnis entsprechend beurteilen, wie zu den Asketen und Priestern, die bei nie zuvor erfahrenen [771] Dingen die Wahrheit eben selbst erkannt und der Erkenntnis letzte Vollendung, das Urasketentum hienieden erreicht zu haben glauben, auch ich gehöre320

»Ernstlich hat sich wohl Herr Gotamo darum bemüht, ehrlich hat sich wohl Herr Gotamo darum bemüht, wie das einem Heiligen, vollkommen Erwachten ansteht. – Sagt mir doch, Herr Gotamo: gibt es Götter?«

»Deutlich merkt man es ja, Bhāradvājo, ob es Götter gibt.«

»Wie denn, o Gotamo: auf die Frage ›Gibt es Götter‹ antwortest du ›Deutlich merkt man es ja, Bhāradvājo, ob es Götter gibt‹; dann also ist es, o Gotamo, bloße Lüge?«

»›Gibt es Götter‹, wer also, Bhāradvājo, gefragt, ›Es gibt Götter‹ sagte, und wer ›Deutlich merkt man es ja‹ sagte: ein verständiger Mann wird da wohl den nämlichen Schluß ziehn, ob es Götter gibt1

»Warum aber hat mir Herr Gotamo nicht sogleich Bescheid gegeben?«

»Der Edle ist einig geworden, Bhāradvājo, in der Welt, ob es Götter gibt.«


Nach diesen Worten sprach Saṉgāravo der junge Brāhmane zum Erhabenen also:

»Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Als Anhänger möge mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu.«

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 1, Zürich/Wien 41956, S. 769-772.
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