Zweites Bruchstück

Kampf

[100] 425

Der also hinzog in den Kampf,

Nerañjarā die Au entlang

Unwendbar Schauung ausersah,

Erfinden mochte Sicherheit:


426

Ihm nahte Namuci, der Feind,

Mit mildem Worte hub er an:

»Bist abgemagert, mißgefärbt,

Das Sterben steht dir bald bevor,


427

Dem Tod verfallen tausendfach

Zu leben hast nur eine Wahl:

Wer lebt, ihm gelte Leben mehr,

Lebendig magst du Gutes tun!


428

Als Büßer wenn du pilgern gehst,

Dem Feuer wenn du Opfer bringst,

Erwirbst du reichlich dir Verdienst:

Was willst du also kämpfen erst?


429

Der Weg zum Kampfe, der ist schwer,

Begonnen schwer, gar schwer vollbracht«:

In solcher Weise Māro sang

Und blieb dem Auferwachten nah'.


[101] 430

Und Māro, der da also riet,

Ihn hat geredet an der Herr:

»Gesell der Trunknen, Böser du,

Um was du hier erschienen bist,


431

Auch noch so winzig ein Verdienst

Mir bieten, das bedarf es nicht:

Doch wo man nach Verdienst verlangt,

Da mag der Böse Lenker sein.


432

Vertrauen hab' ich, habe Mut,

Und Weisheit ist mir beigesellt:

Beharrlich da ich also bin,

Was fragst du nach dem Leben viel?


433

Die Flüsse, wie sie strömen hin,

Mag eher trocknen auf der Wind,

Als daß mir, der beharrlich bleibt,

Vertrocknen möchte hier das Blut.


434

Und wenn das Blut vertrocknet auch,

Und Schleim und Galle trocknen aus,

Und auch die Muskeln schwinden weg:

Beschwichtigt mehr nur wird das Herz,

Besonnen, mehr und mehr gewahr

Verbleib' ich, selber einig mir.


435

Bei mir, der also weilen will,

Erdulden mag die ärgste Qual,

Hofft nimmer auf Genuß das Herz:

Erspäh' sie, diese reine Spur.


[102] 436

Gelüste sind dein erstes Heer,

Das zweite Unmut ist genannt,

Das dritte Gier nach Speis' und Trank,

Das vierte wird geheißen Durst;


437

Das fünfte matte Müdigkeit,

Das sechste heißt man feige Furcht,

Das siebte, das ist Zweifelsucht,

Verstellung, Stumpfsinn achtes Heer:


438

Gewinn und Ruhm und Ehrenpreis

Und Ansehn, ungerecht erlangt,

Und Eigenliebe, Eigenlob,

Und Nächstentadel, Nächstenhaß.


439

So ruf' ich, Unhold, an dein Heer,

Des Bösen, das herbei sich wälzt:

Besiegen kann es nur der Held,

Als Sieger kosten Seligkeit.


440

Du da, so laß' es immer los:

Mein Leben, das veracht' ich gern;

Weit besser sterben doch im Kampf,

Als daß ich leben sollt' besiegt.


441

Hinabgesunken schwinden bald

Gar manche Büßer, Priester weg:

Die Fährte, die verstehn sie nicht,

Wo Starke schreiten, sicher gehn.


442

Den ganzen Heerbann nehm' ich wahr,

Gerüstet Māro, kampfbereit:

Zum Streit entgegen geh' ich ihm,

Er soll mich treffen nicht mehr hier.


[103] 443

Was keiner dir bezwingen kann,

Dein Heer, nicht Erde-, Himmelschar,

Das will ich weise schlagen ab,

Wie reifen Mango mit dem Stein.


444

Es muß mir folgen mein Gemüt,

Die Einsicht unverrückbar sein;

Will Reich um Reiche wandern durch,

In jedem auf so Jünger ziehn.


445

Beharrlich, unermüdlich dann

Vollbringen diese mein Gebot,

Entwinden deiner Willkür sich,

Entwunden wo sich keiner grämt.«


Der Feind:


446

»Durch sieben Jahre Schritt um Schritt

Dem Meister bin ich nachgefolgt

Und konnt' ihn doch beschleichen nicht,

Den Auferwachten, reich an Ruhm.


447

Den Kiesel, der wie Speck erblinkt,

Erspäht und pickt die Krähe wohl:

›Ob das nicht mürbe sei für mich,

Ob das nicht etwa Labe sei?‹


448

Wo keine Labung wird erlangt

Von dannen flattern sieht man sie:

Der Krähe gleich, die Stein versucht,

Verdrossen fliehn wir Gotamo.«


[104] 449

In Gram versunken stand er still,

Die Laute glitt ihm aus der Hand –

Und plötzlich war der wirre Geist

Am selben Ort verschwunden da.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 100-105.
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