Begriff des Geistes
§ 381

[17] Der Geist hat für uns die Natur zu seiner Voraussetzung, deren Wahrheit und damit deren absolut Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur verschwunden, und der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichsein gelangte Idee ergeben, deren Objekt ebensowohl als das Subjekt der Begriff ist. Diese Identität ist absolute Negativität, weil in der Natur der Begriff seine vollkommene äußerliche Objektivität hat, diese seine Entäußerung aber aufgehoben und er in dieser identisch mit sich geworden ist. Er ist diese Identität somit zugleich nur als Zurückkommen aus der Natur.
[17]

§ 382

Das Wesen des Geistes ist deswegen formell die Freiheit, die absolute Negativität des Begriffes als Identität mit sich. Nach dieser formellen Bestimmung kann er von allem Äußerlichen und seiner eigenen Äußerlichkeit, seinem Dasein[25] selbst abstrahieren; er kann die Negation seiner individuellen Unmittelbarkeit, den unendlichen Schmerz ertragen, d.i. in dieser Negativität affirmativ sich erhalten und identisch für sich sein. Diese Möglichkeit ist seine abstrakte für sich seiende Allgemeinheit in sich.


§ 383

[26] Diese Allgemeinheit ist auch sein Dasein. Als für sich seiend ist das Allgemeine sich besondernd und hierin Identität mit sich. Die Bestimmtheit des Geistes ist daher die Manifestation. Er ist nicht irgendeine Bestimmtheit oder Inhalt, dessen Äußerung oder Äußerlichkeit nur davon unterschiedene Form wäre; so daß er nicht etwas offenbart, sondern seine Bestimmtheit und Inhalt ist dieses Offenbaren selbst. Seine Möglichkeit ist daher unmittelbar unendliche, absolute Wirklichkeit.
[27]

§ 384

Das Offenbaren, welches als das Offenbaren der abstrakten Idee unmittelbarer Übergang, Werden der Natur ist, ist als Offenbaren des Geistes, der frei ist, Setzen der Natur als seiner Welt; ein Setzen, das als Reflexion zugleich Voraussetzen der Welt als selbständiger Natur ist. Das Offenbaren im Begriffe ist Erschaffen derselben als seines Seins, in welchem er die Affirmation und Wahrheit seiner Freiheit sich gibt.

Das Absolute ist der Geist, dies ist die höchste Definition des Absoluten. – Diese Definition zu finden und ihren Sinn und Inhalt zu begreifen, dies, kann man sagen, war die absolute Tendenz aller Bildung und Philosophie, auf diesen Punkt hat sich alle Religion und Wissenschaft gedrängt; aus diesem Drang allein ist die Weltgeschichte zu begreifen. – Das Wort und die Vorstellung des Geistes ist früh gefunden, und der Inhalt der christlichen Religion[29] ist, Gott als Geist zu erkennen zu geben. Dies, was hier der Vorstellung gegeben und was an sich das Wesen ist, in seinem eigenen Elemente, dem Begriffe, zu fassen, ist die Aufgabe der Philosophie, welche so lange nicht wahrhaft und immanent gelöst ist, als der Begriff und die Freiheit nicht ihr Gegenstand und ihre Seele ist.[30]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 10, Frankfurt a. M. 1979, S. 17-18,25-32.
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