c. Fürsichsein
§ 96

[203] α) Das Fürsichsein als Beziehung auf sich selbst ist Unmittelbarkeit, und als Beziehung des Negativen auf sich selbst ist es Fürsichseiendes, das Eins, – das in sich selbst Unterschiedslose, damit das Andere aus sich Ausschließende.
[203]

§ 97

β) Die Beziehung des Negativen auf sich ist negative Beziehung, also Unterscheidung des Eins von sich selbst, die Repulsion des Eins, d. i. Setzen vieler Eins. Nach der Unmittelbarkeit des Fürsichseienden sind diese Viele Seiende, und die Repulsion der seienden Eins wird insofern ihre Repulsion gegeneinander als Vorhandener oder gegenseitiges Ausschließen.


§ 98

γ) Die Vielen sind aber das eine was das andere ist, jedes[205] ist Eins oder auch Eins der Vielen; sie sind daher eins und dasselbe. Oder die Repulsion an ihr selbst betrachtet, so ist sie als negatives Verhalten der vielen Eins gegeneinander ebenso wesentlich ihre Beziehung aufeinander; und da diejenigen, auf welche sich das Eins in seinem Repellieren bezieht, Eins sind, so bezieht es sich in ihnen auf sich selbst. Die Repulsion ist daher ebenso wesentlich Attraktion; und das ausschließende Eins oder das Fürsichsein hebt sich auf. Die qualitative Bestimmtheit, welche im Eins ihr An-und-für-sich-Bestimmtsein erreicht hat, ist hiermit in die Bestimmtheit als aufgehobene übergegangen, d. i. in das Sein als Quantität.


Die atomistische Philosophie ist dieser Standpunkt, auf welchem sich das Absolute als Fürsichsein, als Eins, und als viele Eins bestimmt. Als ihre Grundkraft ist auch die am Begriffe des Eins sich zeigende Repulsion angenommen worden; nicht aber so die Attraktion, sondern der Zufall, d. i. das Gedankenlose, soll sie zusammenbringen. Indem das Eins als Eins fixiert ist, so ist das Zusammenkommen desselben mit anderen allerdings als etwas ganz Äußerliches anzusehen. – Das Leere, welches als das andere Prinzip zu dem Atomen angenommen wird, ist die Repulsion selbst, vorgestellt als das seiende Nichts zwischen den Atomen. – Die neuere Atomistik – und die Physik behält noch immer dies Prinzip bei – hat insofern die Atome aufgegeben, als sie sich an kleine Teilchen, Moleküle, hält; sie hat sich damit dem sinnlichen Vorstellen nähergebracht, aber die denkende Bestimmung verlassen. – Indem ferner der Repulsivkraft eine Attraktivkraft an die Seite gesetzt wird, so ist der Gegensatz zwar vollständig gemacht, und man hat sich viel mit der Entdeckung dieser sogenannten Naturkraft gewußt. Aber die Beziehung beider aufeinander, was das Konkrete und Wahrhafte derselben ausmacht, wäre aus der trüben Verwirrung zu reißen, in der sie auch noch in Kants Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft gelassen[206] ist. – Noch wichtiger als im Physischen ist in neueren Zeiten die atomistische Ansicht im Politischen geworden. Nach derselben ist der Wille der Einzelnen als solcher das Prinzip des Staates; das Attrahierende ist die Partikularität der Bedürfnisse, Neigungen, und das Allgemeine, der Staat selbst, ist das äußerliche Verhältnis des Vertrags.[207]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 8, Frankfurt a. M. 1979, S. 203-209.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 8: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830. Erster Teil. Die Wissenschaft der Logik. ... Zusätzen (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 9: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830. Zweiter Teil. Die Naturphilosophie. Mit ... Zusätzen (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 10: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse 1830. Dritter Teil. Die Philosophie des ... Zusätzen (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Gesammelte Werke, Bd.13, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1817).
Philosophische Bibliothek, Bd.33, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830).