Betrachtungweisen der Natur
§ 245

Praktisch verhält sich der Mensch zu der Natur als zu einem Unmittelbaren und Äußerlichen selbst als ein unmittelbar äußerliches und damit sinnliches Individuum, das sich aber auch so mit Recht als Zweck gegen die Naturgegenstände benimmt. Die Betrachtung derselben nach diesem Verhältnisse gibt den endlich-teleologischen Standpunkt (§ 205). In diesem findet sich die richtige Voraussetzung (§ 207-211), daß die Natur den absoluten Endzweck nicht in ihr selbst enthält; wenn aber diese Betrachtung von besonderen endlichen Zwecken ausgeht, macht sie diese teils zu Voraussetzungen, deren zufälliger Inhalt für sich sogar unbedeutend und schal sein kann, teils fordert das Zweckverhältnis für sich eine tiefere Auffassungsweise als nach äußerlichen und endlichen Verhältnissen, – die Betrachtungsweise des Begriffs, der seiner Natur nach überhaupt und damit der Natur als solcher immanent ist.
[13]

§ 246

Was Physik genannt wird, hieß vormals Naturphilosophie und ist gleichfalls theoretische, und zwar denkende Betrachtung der Natur, welche einerseits nicht von Bestimmungen, die der Natur äußerlich sind, wie die jener Zwecke, ausgeht, andererseits auf die Erkenntnis des Allgemeinen derselben, so daß es zugleich in sich bestimmt sei, gerichtet ist – der Kräfte, Gesetze, Gattungen, welcher Inhalt ferner auch nicht bloßes Aggregat sein, sondern, in Ordnungen, Klassen gestellt, sich als eine Organisation ausnehmen muß. Indem die Naturphilosophie begreifende Betrachtung ist, hat sie dasselbe Allgemeine, aber für sich zum Gegenstand und betrachtet es in seiner eigenen, immanenten Notwendigkeit nach der Selbstbestimmung des Begriffs.

Von dem Verhältnis der Philosophie zum Empirischen ist in der allgemeinen Einleitung die Rede gewesen. Nicht nur muß die Philosophie mit der Naturerfahrung übereinstimmend sein, sondern die Entstehung und Bildung der philosophischen Wissenschaft hat die empirische Physik zur Voraussetzung und Bedingung. Ein anderes aber ist der Gang des Entstehens und die Vorarbeiten einer Wissenschaft, ein anderes die Wissenschaft selbst; in dieser können jene nicht mehr als Grundlage erscheinen, welche hier vielmehr die Notwendigkeit des Begriffs sein soll. – Es ist schon erinnert worden, daß, außerdem daß der Gegenstand nach seiner Begriffsbestimmung in dem philosophischen Gange anzugeben ist, noch weiter die empirische Erscheinung, welche derselben entspricht, namhaft zu machen und von ihr aufzuzeigen ist, daß sie jener in der Tat entspricht. Dies ist jedoch in Beziehung auf die Notwendigkeit des Inhalts kein Berufen auf die Erfahrung. Noch weniger ist eine Berufung zulässig auf das, was Anschauung genannt worden und was nichts anderes zu sein pflegte als ein Verfahren der Vorstellung und Phantasie (auch der Phantasterei) nach Analogien, die zufälliger oder bedeutender sein können und den Gegenständen[15] Bestimmungen und Schemata nur äußerlich aufdrücken (§ 231 Anm.).[16]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979, S. 9,17,24.
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