4. Proklos

[466] Wichtiger ist Proklos, ein späterer Neuplatoniker, der noch zu erwähnen. Proklos ward 412 zu Konstantinopel geboren und starb zu Athen 485, studierte und lebte aber vornehmlich in Athen bei Plutarch. Sein Leben ist von Marinos in demselben Stil beschrieben wie bei den schon oben Genannten. Hiernach waren seine Eltern aus Xanthos in Lykien in Kleinasien; und da Apollo und Minerva die Schutzgottheiten dieser Stadt waren, so verehrte er sie dankbar; und[466] sie selber würdigten ihn als ihren Liebling besonderer Rücksichten und persönlicher Erscheinungen, wie er denn von Apoll durch Berührung seines Kopfes in einer Krankheit geheilt, von Minerva aber aufgefordert wurde, nach Athen zu gehen. Zuerst ging er nach Alexandria, Rhetorik und Philosophie zu studieren, dann nach Athen, bei Plutarch und Syrian, den Platonikern. Hier studierte er zuerst aristotelische, dann platonische Philosophie. Vornehmlich weihte ihn die Tochter des Plutarch, die Asklepigenia, in das Innerste der Philosophie ein, die, wie Marinos versichert, die einzige zu Proklos' Zeiten war, welche die ihr von ihrem Vater überlieferte Kenntnis von den großen Orgien und der ganzen theurgischen Wissenschaft bewahrte. Proklos hat alles studiert, was zu den Mysterien gehört, die orphischen Gedichte, die Schriften des Hermes und die religiösen Anstalten jeder Art, so daß er, wohin er auch kam, die Zeremonien des heidnischen Gottesdienstes besser verstand als die bei denselben besonders angestellten Priester. Proklos soll sich in alle heidnische Mysterien haben einweihen lassen. Er feierte selbst alle religiösen Feste und Handlungen der verschiedensten Nationen; selbst den ägyptischen Gottesdienst kannte er, beobachtete auch die Reinigungs- und Feiertage der Ägypter, und gewisse Fasttage brachte er mit Beten und Hymnen zu. Mystêrion hat aber bei den Alexandrinern nicht den Sinn, den wir darunter verstehen, sondern es heißt bei ihnen überhaupt spekulative Philosophie. So sind auch die Mysterien im Christentum für den Verstand zwar unbegreiflich, ein Geheimnis; aber sie sind spekulativ, die Vernunft faßt sie, – geheim aber sind sie nicht, sie sind ja geoffenbart. Proklos hat viele Hymnen verfertigt, von denen wir noch einige sehr schöne übrig haben, auf bekannte, auch auf ganz besondere Lokalgottheiten. Daß er sich mit so vielen Religionen abgegeben hat (ho theosebestatos anêr), darüber sagt er selbst: »Einem Philosophen gebühre es nicht, Diener der Kulte (therapeutên) einer Stadt oder des bei einigen einheimischen zu sein, sondern[467] allgemein der Hierophant der ganzen Welt.« Orpheus hielt er für den Urheber aller griechischen Theologie und legte besonders großen Wert auf orphische und chaldäische Orakel. In Athen hat er gelehrt. Natürlich erzählt nun sein Biograph, Marin, auch von ihm die größten Wunder, daß er Regen vom Himmel herbeigeführt und große Hitze gemäßigt, daß er Erdbeben gestillt und Krankheiten geheilt und Göttererscheinungen gesehen habe.

Proklos führte ein äußerst gelehrt-tätiges Leben; er war ein tiefer spekulativer Mann und besaß den größten Umfang von Kenntnissen. Man muß sich wundern über den Gegensatz der Einsicht solcher Philosophen und dessen, was die Schüler dann in den Lebensbeschreibungen angeben. Von den Wunderdingen der Lebensbeschreiber finden sich wenig Spuren in den Werken der Männer selbst. Proklos hat viele Schriften hinterlassen, wir haben noch viele; auch mehrere mathematische Schriften, z.B. Über die Kugel (De sphaera), haben wir von ihm. Seine philosophischen Werke sind besonders Kommentare über Platons Dialoge, von denen verschiedene zu verschiedenen Zeiten herausgegeben und der zum Timaios besonders berühmt war. Mehrere aber waren nur in Manuskripten; Cousin in Paris hat sie am vollständigsten besorgt. Besonders abgedruckte Bücher sind seine Platonische Theologie (eis tên Platônos theologian) und seine philosophischen Elemente (stoicheiôsis theologikê), – Hauptschriften des Proklos. Diese letztere kleine Schrift hat Creuzer wieder neu abdrucken lassen, wie auch einige von jenen Kommentaren.

Er lebte gleichsam im Gottesdienste, in den Wissenschaften und der neuplatonischen Philosophie. Die Hauptideen seiner Philosophie sind leicht aus seiner Schrift über die Platonische Theologie zu erkennen; und sie hat besonders daher viele Schwierigkeiten, weil die heidnischen Götter betrachtet und[468] philosophische Bedeutungen von ihnen eruiert werden. Dadurch aber unterscheidet er sich ganz besonders von Plotin, daß bei ihm die neuplatonische Philosophie wenigstens schon zu einer systematischeren Anordnung im ganzen und ausgebildeteren Form gekommen ist. Was ihn auszeichnet, ist sein tieferes Studieren der Platonischen Dialektik. Er ist interessant, weil, in seiner Platonischen Theologie besonders, mehr (sosehr das Werk auch dialektisch ist) ein bestimmteres Fortschreiten und Unterscheiden der Sphären in der Idee sich findet; bei Plotin ist dies weniger der Fall. In dieser Schrift beschäftigt er sich mit der scharfsinnigsten und weitläufigsten Dialektik des Einen; es ist ihm notwendig, das Viele als Eins und das Eins als Vieles zu zeigen, die Formen, die das Eins annimmt, darzulegen. Aber es ist eine Dialektik, die mehr oder weniger äußerlich geführt wird und die höchst ermüdend ist. Es ist ein großer Tiefsinn in Proklos nicht zu verkennen und größere Ausführung und Klarheit sowie die wissenschaftliche Entwicklung gewonnen und im ganzen vortreffliche Diktion. Seine Philosophie hat, wie die Plotinische, die Form, Kommentation des Platon zu sein – Über die Theologie Platons ist sein interessantestes Werk in dieser Rücksicht; sie ist ein Intellektualsystem. Wir wollen sehen, wie wir damit zurechtkommen; ich will nicht sagen, daß seine Darstellung vollkommen deutlich, – sie hat noch vieles Mangelhafte.

Im Parmenides des Platon fand auch ausdrücklich er besonders die Natur des absoluten Wesens erkannt. Das Resultat des Platonischen Parmenides ist schon bei Platon angeführt (s. S. 81 f.). Bei Platon selbst treten diese reinen Begriffe unbefangen auf, gleichsam ohne weitere Bedeutung, als sie unmittelbar haben. »Einheit, Vielheit, Sein« usf., dabei denken wir eben diese unmittelbare Einheit, Vielheit. Wir bestimmen sie etwa als allgemeine Begriffe, die in unserem Denken sind; aber für Proklos haben sie eine höhere Bedeutung, sie sind der Ausdruck des absoluten Wesens. – Er zeigt nun nach der Platonischen Dialektik, wie alle Bestimmungen,[469] besonders die Vielheit, sich in sich selbst auflösen und in die Einheit zurückkehren. Was dem vorstellenden Bewußtsein eine seiner Hauptwahrheiten ist, daß viele Substanzen sind oder daß die Vielen (Dinge, deren jedes ein Eins heißt und so Substanz) an sich, in Wahrheit seien, – die Hauptwahrheit geht in dieser Dialektik verloren; und es resultiert, daß nur die Einheit Wesen, wahrhaft ist, alle anderen Bestimmungen aber nur verschwindende Größen, nur Momente, – ihr Sein nur so ist, wie ein Gedanke unmittelbar ist. Einem Gedanken schreiben wir keine Substantialität, kein eigenes Sein zu; so sind alles Bestimmungen und die Bestimmungen eines Dinges solche Momente im Denken. – Was den Neuplatonikern und dem Proklos beständig eingewendet und entgegengehalten wird, ist immer dieses, daß freilich für das Denken alles in die Einheit zurückgehe, aber daß dies auch nur eine Einheit des Denkens ist, daraus aber gar nicht folge, daß alle wirklichen Dinge nicht wirkliche Substanzen seien, verschiedene, voneinander unabhängige Prinzipien haben, und selbst verschiedene Substanzen, jedes getrennt von dem anderen an und für sich sei, – jene logische Einheit nicht eine Einheit der Wirklichkeit sei, von jener nicht auf die Wirklichkeit geschlossen werden könne. D.h. dieses Widerlegen fängt immer die Sache wieder von vorne an. Es spricht von der Wirklichkeit, daß diese etwas an sich sei; und wenn sie von ihr sprechen, was sie sei, so ist sie ein Ding, eine Substanz, Eins, – kurz sie bringen immer das wieder als etwas Ansichseiendes vor, dessen Verschwinden, Nichtansichsein aufgezeigt worden ist.

Proklos fängt von der Einheit an; von da geht er nun wieder vorwärts, aber nicht unmittelbar zum nous fort, sondern alles hat bei ihm eine viel konkretere Gestalt. Die Selbstentwicklung dieser Einheit aber wird bei Proklos nicht eben mehr zum Begriffe gemacht als bei Plotin. Dies müssen wir einmal aufgeben, diesen Begriff der Entzweiung nicht suchen. Die Einheit, das Erste ist die Hauptsache. »Das Eine[470] ist an sich unaussprechlich und unerkennbar; aber es wird aus seinem Hervorgehen und Insichzurückgehen aufgefaßt.« Proklos bestimmt diese Selbstentzweiung, das Verhältnis zum Unterschiede, die nächste Bestimmung der Einheit, als ein Hervorbringen (paragein), ein Hervorgehen (proodos), Tätigkeit, Darstellen, Zeigen. Das Verhältnis der Einheit, welche hervorbringt, ist nicht ein Herausgehen aus sich; denn ein Herausgehen wäre eine Veränderung, sie wäre gesetzt als nicht mehr sich selbst gleich. Die Einheit leidet daher auch nicht durch ihr Hervorbringen eine Abnahme oder Verringerung. Die Einheit ist Denken, das nicht eine Abnahme durch Erzeugung eines bestimmten Gedankens erleidet, sondern dasselbe bleibt und das Hervorgebrachte auch in sich erhält.

Insofern wird der Begriff eigentlich nicht mehr als bei Plotin deutlich. Dabei aber macht Proklos eine tiefsinnige Bemerkung über die Art, wie im Parmenides des Platon diese Produktion erscheint. Er findet sie schon im Platonischen Parmenides (Proklos schrieb Kommentar darüber: IV.-VI. Band von Cousin), wo Parmenides auf eine negative Weise (oft sind die Resultate nur negativ) zeigt, daß, wenn die Einheit ist, das Sein der Vielheit nicht ist, usf. Über diese Negationen nun sagt Proklos, daß sie nicht ein Aufheben dessen seien, von dem sie gesagt werden (des Inhalts), sondern Erzeugungen der Bestimmungen nach ihren Gegensätzen. »Wenn Platon also zeigt, daß das Erste nicht Vieles sei, so hat dies die Bedeutung, daß das Viele vom Ersten hervorgeht; daß es nicht ein Ganzes sei, – daß die Ganzheit von ihm ausgeht« usf. Das Viele, die Bestimmung der Teile geht von dem Einen aus. Diese Negationen sind nicht zu fassen als ein bloß Privatives, sondern sie enthalten auch affirmative Bestimmungen; die Vielheit ist[471] nicht empirisch aufgenommen und dann nur aufgehoben. »Dieser Tropus der Negationen ist also als Vollkommenes zu nehmen, das in der Einheit bleibt, aus allem herausgeht und in einem unaussprechlichen Übermaß der Einfachheit ist«; das teleion ist umleuchtend und so produzierend, so daß das Ganze ideell in dem Einen enthalten ist. »Ebenso umgekehrt muß Gott diesen Negationen auch wieder entnommen werden«, sie müssen nicht absolut bleiben; »sonst wäre kein Begriff (logos) desselben, und auch keine Negation. Der Begriff des Unaussprechlichen wälzt sich um sich selbst herum und ruht nicht und bekämpft sich selbst«, – d.h. das Eine setzt seine Bestimmungen ideell, hebt sie auch auf. Das Negative ist eben das Entzweiende, Produzierende, Tätige, entgegengesetzt dem Einfachen; es ist ebenso der Negation entnommen. So gewinnt jene Platonische Dialektik für Proklos eine positive Bedeutung; durch Dialektik will er alle Unterschiede auf die Einheit zurückführen. Mit dieser Dialektik des Einen und des Vielen macht sich Proklos viel zu tun, besonders in seiner berühmten Elementarlehre.

Das Hervorbringende bringt nun aber weiter durch einen Überfluß der Kraft hervor. Es geschieht auch ein Hervorbringen durch Mangel. Alles Bedürfnis, Trieb usf. wird Ursache, aber durch Mangel; sein Hervorbringen ist die Erfüllung seiner. Der Zweck ist unvollständig, die Wirksamkeit entspringt aus dem Zweck, sich zu vervollständigen; aber das Bedürfnis, der Trieb vermindert sich zugleich in der Hervorbringung, – der Trieb hört auf, solcher zu sein, oder das Fürsichsein verschwindet. Die Einheit geht dagegen heraus aus sich durch die Überfülle der Möglichkeit (das ist aristotelisch); und diese überfließende Möglichkeit ist die Wirklichkeit überhaupt. Ihr Hervorgehen besteht daher darin, daß sie sich selbst vervielfältigt, die reine Zahl hervorgeht; aber diese Vervielfältigung hebt jene Einheit[472] nicht auf, sie geschieht vielmehr auf Einheitsweise (heniaiôs); diese Vervielfältigung vermindert die erste Einheit nicht. Das Viele hat Anteil an der Einheit, aber die Einheit nicht an der Vielheit. Er wendet vielfache Dialektik an, zu zeigen, daß das Viele nicht an sich, nicht Urheber des Vielen sei, daß alles in die Einheit zurückgehe, daß also die Einheit auch Urheber des Vielen ist. Dies ist nicht deutlich, – nicht negative Beziehung auf sich; wir sehen überhaupt dann mannigfaltige Dialektik, Hin- und Hergehen über diese Beziehung.

Das Viele ist zweitens unähnlich. In diesem Fortgang ist dem Proklos eine Hauptbestimmung, daß er durch die Ähnlichkeit geschehe und das dem Wahren Unähnliche weiter abliege. Das Viele hat an der Einheit teil, aber zum Teil ist es auch nicht Eines. Das Erzeugte ist ferner dem Erzeugenden ähnlich; es hat daher auch die Einheit zu seinem Wesen, es sind mithin selbständige Henaden. Sie enthalten das Prinzip der Einheit in sich, sind aber auch verschieden; – viele, aber so, daß sie gleichsam nur für ein Drittes viele sind, an und für sich sind sie Einheiten. Diese Henaden erzeugen nun wieder andere, die aber unvollkommener sein müssen. Ganz gleich ist die Wirkung der Ursache, das Hervorgebrachte dem Hervorbringenden nicht. Diese nächsten Einheiten sind Ganze, d.h. solche, die nicht mehr wesentliche Einheiten, nicht Selbsteinheiten sind, sondern an denen die Einheit nur Akzidenz ist. So entfernen sich die Erzeugungen immer mehr von der Einheit und haben weniger Anteil an ihr.

Ausgezeichnet ist die nähere Bestimmung der Idee in ihren drei Formen, – die Trinität (trias). Von dieser gibt er zunächst die abstrakte Bestimmung an als drei Götter. Es[473] ist nun besonders herauszuheben, wie er die Trinität bestimmt hat. Diese Trinität ist überhaupt bei den Neuplatonikern interessant; besonders aber ist sie es bei Proklos, weil er sie nicht in ihren abstrakten Momenten gelassen. Sondern diese drei abstrakten Bestimmungen des Absoluten betrachtet er dann wieder jede für sich als eine solche Totalität der Dreieinigkeit, wodurch er eine reale Trinität erhält; so daß es drei Bestimmungen sind, die die Totalität ausmachen, aber so, daß jede wieder als in sich erfüllt und konkret zu betrachten ist. Und dies muß als ein vollkommen richtiger Gesichtspunkt betrachtet werden, zu dem er fortgeschritten ist. Diese Unterschiede in der Idee, als in der Einheit mit sich bleibend, werden, weil es ihre Momente, ihre Unterschiede sind, wesentlich auch als Ganzes bestimmt; so daß die Einheit in ihren Unterschieden ganz ist, was es ist, so daß jeder dieser Unterschiede in der Form einer Totalität ist und das Ganze der Prozeß ist, daß die drei Totalitäten ineinander sich identisch setzen. Proklos ist deswegen viel bestimmter, ist viel weiter gegangen als Plotin; und man kann sagen, daß er in dieser Rücksicht das Vorzüglichste, Ausgebildetste unter den Neuplatonikern enthält.

Dies bestimmt sich nun so: Die absolute Einheit, die sich vervielfältigt in viele Eins, hat damit die Vielheit, wie sie an diesen Eins ist, erzeugt. Vielheit, der Begriff, nicht Viele, ist selbst Einheit; sie ist die Zweiheit überhaupt oder die Bestimmtheit, welcher die Unbestimmtheit gegenübersteht. Das Dritte ist nun ein Ganzes, die Einheit des Bestimmten und Unbestimmten oder Gemischtes, – erst das Seiende, Substantielle, Eins-Vieles (hen polla). An diesem wahrhaft Existierenden ist die Schönheit, Wahrheit und die Symmetrie. Das wahrhaft Existierende, aus sich selbst herausgehend, ist das Leben. Aus der Absonderung, Entwicklung der Momente, welche im Leben sind, quillt erst der Verstand hervor, und aus diesem die Seele.[474]

α) Das Hervorgehen ist nicht sowohl die Notwendigkeit des Begriffs. Das Versinken von allem in die Einheit bleibt jenseits dieser Einheit liegen; eben diese Negativität aber ist ihre Erzeugung. β) Proklos unterscheidet sich von Plotin darin, daß er nicht das aus der Einheit unmittelbar Hervorgehende Verstand nennt. Proklos ist logischer; der Verstand ist ein Reicheres, jenes unmittelbar aus der Einheit Hervorgegangene hat die Bestimmungen nicht entwickelt. Die Reihe ist eigentlich zum Teil hübsch. Proklos unterscheidet sich dadurch von Plotin, daß er Platon genauer folgt, und durch ein reineres, ausgebildeteres Unterscheiden der Momente. Er sagt, daß zwar in der ersten Einheit alle übereinstimmen, allein Plotin lasse gleich nach der Einheit, wie wir gesehen (S. 447 f.), die denkende Natur erscheinen; allein besser habe sein Lehrer – wer es ist, sagt Proklos nicht; siehe seine Lebensbeschreibung (S. 467) –, der ihn in alle göttliche Wahrheit eingeführt, diese unbestimmte Betrachtung der Älteren begrenzt und diese unordentliche Vermengung der verschiedenen Ordnungen zu einer gedachten Unterscheidung gebracht und geraten, die Unterscheidung der Bestimmungen genau zu befolgen und festzuhalten. Und in der Tat sehen wir mehr Unterscheidung und Klarheit bei Proklos als in der Plotinischen Trübheit; es ist ganz richtig, daß er den nous als das Dritte erkennt, als das Umkehrende.

Alsdann weicht Proklos von Plotin darin ab, daß er nicht das Sein zum Prinzip oder rein abstrakten Momente macht, sondern die Einheit, – oder daß er das Erste nicht als Sein, sondern als Einheit bestimmt und das Sein, Subsistieren erst als das Dritte begreift.

Wir sehen im Ganzen drei Sphären voneinander unterschieden, bestimmt so, daß sie die trias sind; jede ist zugleich wieder das Ganze dieser Momente, es sind verschiedene Ordnungen der Erzeugung. Welche Ordnungen dies sind, wird sich sogleich ergeben. Um diese Ordnungen[475] ist es dem Proklos viel zu tun, nämlich die verschiedenen Sphären, Potenzen in denselben wieder aufzuzeigen.

Das Nähere seiner Trinität betreffend, so sind nach seiner Bestimmung die drei Momente derselben das Eine, das Unendliche und die Grenze. Dies sind die abstrakten Momente, die in seiner Platonischen Theologie ausgeführt sind; das Unbegrenzte und die Grenze sind Bestimmungen, die wir auch bei Platon gesehen haben (s. S. 77). Das Erste, Gott, ist nun also die schon oft gesagte absolute Einheit, für sich unerkennbar, unaufgeschlossen, bloß Abstraktum; es kann nicht erkannt werden, – als Abstraktum; es kann nur erkannt werden, daß es ein Abstraktum ist, – es ist noch nicht Tätigkeit. Diese Einheit ist über dem Sein (hyperousion, superessentiale); ihre erste Produktion sind die vielen Eins (henades) der Dinge, die reinen Zahlen. Dies sind die denkenden Prinzipien der Dinge, durch welche sie an der absoluten Einheit teilhaben; aber jedes hat an ihr nur teil durch eine individuelle, einzelne Einheit, Eins, – die Seele aber durch die gedachten, allgemeinen Einheiten. Wie Proklos jene erste Einheit Gott nennt, so nennt er diese vielen gedachten Einheiten Götter, aber die folgenden Momente auch so. Aber diese Götter oder Einheiten entsprechen nicht so der Ordnung der Dinge, daß so viele und solche Henaden oder Götter sind als Dinge; denn diese Einheiten verknüpfen die Dinge nur mit der absoluten Einheit, herausgenommen aus dem Ganzen, d.h. der Vermischung, Synthesis, welche die Dinge als solche sind. Die Dinge selbst sind in ihrer synthetischen Natur Ganze (Seelen das Verbindende derselben), unähnlich der ersten Einheit, und können nicht unmittelbar mit ihr vereinigt sein. Die abstrakt gedachte Vielheit ist also ihre Mitte; die Vielheit ist der absoluten Einheit ähnlich und ist das, was die Einheit mit dem ganzen Universum verknüpft. Die reine Vielheit macht die Verschiedenen einander gleich und verbindet sie daher der Einheit; die Dinge haben nur Ähnlichkeit mit der Einheit. Das Dritte ist die Grenze, welche diese Henaden zusammenhält[476] und ihre Einheit mit der absoluten Henade ausmacht; die Grenze setzt die Vielen und das Eine selbst als Eines.

Besser ist dies durch folgendes ausgedrückt, reiner als Gegensatz bestimmt. Proklos nimmt nun als diese Prinzipien (Wesenheiten) die Grenze und das Unendliche und das Gemischte aus Platons Philebos auf; und es scheinen also dies die ersten Götter zu sein. Aber diese Abstraktionen sind nicht angemessen dem Namen Götter; wir sehen sie auch wieder zurückgekehrt.

»Von jener ersten Grenze«, dem absoluten Eins, »haben die Dinge« (exêrtêtai bei Aristoteles, – ein Wort, das oft bei den Neuplatonikern vorkommt) »Einung, Ganzheit und Gemeinschaft«, das Prinzip der Individualität, »und göttliche Maße. Hingegen alle Trennung und Fruchtbarkeit und das Hervorgehen zur Vielheit beruht auf (hyphestêken apo) der ersten Unendlichkeit«; das Unendliche ist so die Quantität, das Unbestimmte. Platon setzt das Unendliche als das Schlechte im Philebos, das Vergnügen als nicht das Wahre, weil es das Unendliche, das Unbestimmte, keine Vernunft, Logos in ihm ist (s. S. 77 ff.). »Wenn wir daher von dem Hervorgehen eines jeglichen Göttlichen sprechen, so ist gemeint, daß es fest in den individuellen Eins bleibe und nur nach der Unendlichkeit fortschreite«, der Kontinuität als Sichselbstproduzieren, »und das Eins zugleich an sich habe und die Vielheit, jenes vom Prinzip der Grenze, dies vom Prinzip der Unendlichkeit. In allem Gegensatze der göttlichen Geschlechter gehört das Vortrefflichere der Grenze, das Schlechtere aber dem Unendlichen an. Aus diesen beiden Prinzipien hat alles seinen Fortgang bis zum Hervortreten ins Sein. So das Ewige« (auch ein göttliches Geschlecht), »sofern es das Maß als intellektuell ist, hat es teil an der Grenze; sofern es aber die Ursache der unaufhörlichen Kraft nach dem Sein, – an der Unendlichkeit. So der Verstand, insofern er die Mustermaße (paradeigmatika[477] metra) an ihm hat, ist er ein Erzeugnis der Grenze; sofern er ewig alles produziert (paragei), hat er unvermin dernde Kraft der Unendlichkeit.«

Die Hauptsache sind aber die Grundbestimmungen des peras, apeiron und mikton. Der letzte Ausdruck, ein Platonischer Ausdruck, ist nicht sehr passend, ist schlecht, da die Mischung zunächst nur eine äußerliche Verbindung ausdrückt, da hier doch das Konkrete und noch mehr das Subjektive sein sollte; das Dritte ist auch hier die Einheit beider. Diese abstrakten Grundbestimmungen sind aber so bei ihm, daß sie nur als Momente, als Elemente eines Ganzen betrachtet werden, welches die trias ist, aber so, daß jedes der einzelnen Drei selbst eine solche ganze trias ist, aber unter einer dieser besonderen Formen, – eine Dreieinigkeit und drei Dreieinigkeiten. Das peras und apeiron sind vor der ousia und wieder in derselben.

»Das erste Sein (to prôtôs on) ist das Gemischte«, die Einheit der Trias mit sich selbst; »es ist das Sein ebensowohl des Lebens als des Verstandes. 1. Das Erste der Vermischten ist das Erste alles Seienden.« Es sind noch zwei andere Ordnungen: »2. das Leben, 3. der Geist. Alles ist mithin triadisch«, da jedes von diesen Unterschiedenen die trias in sich selbst ist. »Diese drei Triaden bestimmen sich nun als absolutes Sein (ousia), Leben und Geist; so ist es geistig, im Gedanken zu fassen.« Nur die intelligible Welt ist das Wahrhafte, sie enthält selbst drei Ordnungen; diese Trias von Triaden aber macht die wahre, die intelligible Welt aus. – Hierhin bringt Proklos nun die Formen der alten Mythologie. Denn die unterschiedenen henades nennt er Götter; der Gott als solcher aber ist die ousia, aus der die besonderen Götter ausfließen. Es bleibt aber immer ein Zwang, die Mythologie in der Bestimmtheit des Begriffs darzustellen. – Ihr Verhältnis ist so zu fassen: »Diese Drei sind aber[478] selbst wesentlich (ousiôdôs, essentialiter) in dem Seienden (en tô onti) enthalten«; sie sind in der ersten Substanz zu fassen, jede von diesen drei Triaden enthält die anderen in sich. »Denn darin ist die Substanz, das Leben und der nous und35 die Spitze des Seienden« (akrotês tôn ontôn, summitas). Das ist das Selbstische, Fürsichseiende, Subjektive, der Punkt der individuellen Einheit. »Das mit dem Gedanken aufgefaßte Leben ist das mittlere Zentrum des Seienden (tou ontos) selbst. Der Verstand (nous) aber ist die Grenze (to peras, finis) des Seienden, und er ist gedachtes Denken (ho noêtos nous); denn im Gedachten ist der nous und im nous das Gedachte. Aber daselbst« – wo? In der ousia? Im Ersten, oder besser en tô noêtô – »ist der nous auf gedachte Weise (noêtôs, mentaliter), in dem nous ist das Gedachte auf denkende Weise (noerôs, intellectualiter). Die Essenz (ousia) ist das Bleibende (to monimon) des Seienden und das, was mit den ersten Prinzipien verwoben ist (tais prôtistais archais synyphainomenon) und aus dem Einen nicht herausgeht (anekphoitêton).« Das Zweite, in konkreter Bestimmung, »das Leben ist aber dann das, was aus den Prinzipien hervorgeht und mit der unendlichen Möglichkeit (dynamei) mitgeboren ist (symphyomenon)«; es ist selbst die ganze Totalität in der Bestimmtheit der Unendlichkeit, in der Form des Unbestimmten, so daß es ein Mannigfaltiges ist. Der Verstand aber ist die Grenze (Individualität), welche wieder das Leben zu den Prinzipien zurückführt (epistrephon), und es immer dem Prinzip (der ousia) gemäß macht36 und einen intellektuellen Kreis vollbringt. Die Grenze ist das Ansich, das Abstrakte, – der nous. Er ist aber selbst unter dreierlei Formen in der ersten Ordnung; diese drei Formen machen selbst die drei Ordnungen aus. »Da er37 nun ein[479] Dreifaches in sich ist, teils das Substantielle (ousiôdôs) in sich selbst, teils lebendig, teils das Intellektuelle (noerou), alles aber substantiell (essentialiter) in ihm enthalten ist, so ist er das Erste der Seienden, das aus den ersten Prinzipien Geeinte.« Erst das ist das Reale; sehr gut! »Ich heiße es die ousia. Denn die autoousia ist alles Seins Spitze und wie die Monas von allen«; das Erste, die ousia heißt auch autoousia, – sie ist der nous. Der Verstand (nous) selbst ist das Erkennende (to gnôstikon), Individuelle, das Leben aber das Denken in Bewegung (noêsis); das Sein selbst ist das Gedachte (to noêton). »Wenn nun das ganze Seiende (pan to on) gemischt ist, das Selbstsein (to autoon) aber die ousia ist, so ist die ousia, die aus den drei Prinzipien ist (hyphistamenê), das Gemischte.«

»Das Gemischte ist nun also gedachte Substanz (ousia toinyn esti noêtê to mikton); sie ist von Gott, von dem auch das Unendliche und die Grenze. So sind vier Momente, das Gemischte das Vierte.« Das Erste ist die Monas, das absolut Eine; dann die Vielen, die selbst Henaden sind, sie sind das apeiron Platons; das Dritte ist die Grenze überhaupt. Das Eine ist das schlechthin Durchdringende, bei sich Bleibende. Wenn diese gleich schon drei ausmachen, so fügt Proklos noch ein Viertes hinzu, welches Einheit des apeiron und peras (Maß, Ziel, Grenze) ist. Hier hat er Platonische Ausdrücke (im Werke eis tên Platônos theologian); er führt immer Sokrates an. Das eigentlich Dritte ist mikton, das ist nicht eigentliche Vermischung. Für das Konkrete, die Einheit der Entgegengesetzten, gebraucht Proklos nach Platon den Ausdruck des Gemischten. Dieses Dritte, als Einheit des Unbegrenzten und Begrenzten, ist das Vierte; oder indem das Eine das Allumfassende ist, so kommt es nicht als Moment vor. Die Einheit nun der Momente des peras und apeiron ist Substanz, prôtistê ousia: das ist das Erste alles Seienden. »Dieses Geeinte ist nicht nur aus jenen Prinzipien,[480] die nach dem Eins sind; sondern es geht auch aus ihnen hervor und ist triadisch.« Alles ist Dreieinigkeit; jenes sind die drei Momente der abstrakten Dreieinigkeit, in ihr ist alles an sich enthalten.

»Dies ist nun die Natur alles Seienden, eine Monade vieler Möglichkeiten, ein erfülltes Wesen, Eins das Vieles ist.« Es hat die Dreieinigkeit der Schönheit, der Wahrheit und der Symmetrie in sich (wie er diese drei Triaden auch nennt, nach Platon): »Die Schönheit zur Ordnung, die Wahrheit zur Reinheit, die Symmetrie zur Einheit der Verbundenen. Die Symmetrie ist Ursache, daß das Seiende Einheit ist; die Wahrheit, daß es das Sein ist (die Essenz hat); die Schönheit, daß es ein Gedachtes ist.« – Proklos zeigt, daß die erste Trias alles in sich enthält und daß die beiden anderen Ordnungen auch diese Triaden in sich sind; jede Triade ist also dasselbe in einer der drei Formen gesetzt, die die erste Trias ausmachen.

a) »Dies ist nun die erste Trias alles Gedachten: die Grenze, das Unendliche und das Gemischte.« Die erste Triade ist die Einheit dieser drei Bestimmtheiten als solcher, die reine Wesenheit, der erste Diakosmos, der erste Gott, die erste Ordnung des Göttlichen. Dies ist also das Eine; dies Eine, diese ousia ist als konkretes Eins selbst die Einheit des Unendlichen und der Grenze. Und die Grenze (das peras, welches konkreter nous ist) »ist der Gott, bis zur denkenden Spitze hervorgehend aus dem unmitteilbaren und ersten Gott, alles messend und bestimmend und alles Väterliche und Zusammenhaltende und das unbefleckte Geschlecht der Götter in sich aufnehmend.« Die erste Ordnung ist die ousia, in der diese Elemente eingeschlossen sind ohne Entwicklung, fest im peras zusammengehalten, im Spröden, – insofern das Unaufgeschlossene. Die Spitze vom Ersten ist die ousia. »Das Unendliche aber« (die Quantität) »ist die unerschöpfliche[481] Möglichkeit dieses Gottes, das, was alle Ausgeburt, Ordnungen erscheinen macht und die ganze Unendlichkeit, sowohl die vorwesentliche als die substantielle und bis zur letzten Materie. Das Gemischte ist aber die erste und höchste Anordnung (diakosmos) der Götter, und die verborgen alles in sich zusammenhält, nach der gedachten, alles in sich begreifenden Trias erfüllt, von allem Seienden die Ursache in einfacher Weise umfassend und in den ersten Gedachten« – nicht intelligiblen Dingen, als ob eine Art von Dingen intelligible Dinge und es dann noch andere Dinge gäbe; solche Unterscheidungen und Bestimmungen kommen nicht vor – »die Spitze« (Selbst, Individualität, Fürsichsein), »die den Ganzen entnommen ist« – heißt dies, die nicht abstrakt ist? – »befestigend.« Sie ist die Spitze des Denkens und wesentlich ebenso Umkehren, wie dies auch bei Plotin vorkommt. Und dies Erste erzeugt in seiner Spitze die zweite Ordnung; die zweite Ordnung ist im Ganzen das Leben und seine Spitze der nous. Dieses Zweite ist in der Bestimmung der dyas oder des apeiron. Bei diesem Fortgange bricht Proklos in Begeisterung, bacchantischen Enthusiasmus aus, indem er sagt:

b) »Nach dieser ersten Trias, die in der Einheit bleibt, der Einheit geeint ist, laßt uns nun die zweite in Hymnen preisen (hymnêsômen), die von dieser ausgeht und durch das Alogische von der, die vor ihr ist, ausgefüllt ist. Wie die erste Einheit (henas) die Spitze des Seins erzeugt, so erzeugt die mittlere Einheit das mittlere Sein; denn sie ist ebenso erzeugend und in sich haltend.« In der zweiten Ordnung treten wieder wie vorhin drei Momente ein. »Hier ist die Grundlage die ousia, die die Einheit (Endung) der ersten Trias war; die ousia ist hier das Erste. Das Zweite, was dort das Unendliche war, ist hier dynamis. Und die Einheit dieser beiden ist das Leben (zôê)«, das Zentrum, was der ganzen Ordnung die Bestimmtheit überhaupt gibt. »Das[482] zweite Sein ist das gedachte Leben. In dem Extrem nous haben die Seienden ihre Grundlage (hypostasin). Die zweite Ordnung ist eine Trias, analog der ersten; denn ein Gott ist die zweite gleichfalls.« – Das Verhältnis dieser Dreiheiten ist dieses. »Indem die erste Trias alles ist, aber intellektuell (noêtôs) und unmittelbar aus dem Einen (heniaiôs) und in der Grenze bleibend (peratoeidôs), so ist die zweite alles, aber lebendig und im Prinzip der Unendlichkeit (zôtikôs kai apeiroeidôs); wie die dritte nach der Weise des Gemischten hervorgegangen ist. Die Grenze bestimmt die erste Dreieinigkeit, das Unbegrenzte die zweite, das Konkrete die dritte. Jede Bestimmtheit der Einheit, eine neben die andere gestellt, expliziert auch die intelligible Ordnung der Götter. Jede enthält alle drei Momente unter sich, und jede ist diese Dreiheit unter einem dieser Momente gesetzt.« Und diese drei Ordnungen sind die höchsten Götter; später kommen vierlei Götter vor.

c) »Die dritte (Substanz) stellt den gedachten nous um sich herum (hyphistêsi peri autên) «; die dritte Trias ist der nous selbst. »Sie stellt die mittlere zwischen sich und die absolute Substanz und erfüllt den gedachten nous mit der göttlichen Einheit; durch die mittlere erfüllt sie das Sein und wendet es zu sich. Dieses Dritte ist nicht durch eine Ursache wie das erste Sein, noch offenbart es (prophainon) das All, wie die zweite, sondern ist als Aktus und äußernd (ekphanôs), – die absolute Grenze. Die erste Trias« (dieser konkrete Gott) »bleibt verborgen in der Grenze selbst« -die Grenze ist die negative Einheit, die Subjektivität überhaupt – »und hat alles Bestehen (Sein) des Intellektuellen in ihr fixiert.« Das Intellektuelle ist und hat sein Sein in diesem Einen, in dieser ousia. »Die zweite ist ebenso bleibend und schreitet zugleich vorwärts«; das Lebendige scheint, ist aber darin zur Einheit zurückgeführt. »Die dritte« (das[483] Denken als solches) »nach dem Fortschreiten wendet und kehrt die intelligible Grenze zum Anfang und dreht die Ordnung in sich selbst zurück; denn der Verstand ist das Zurücklenken und das dem Gedachten« (der Einheit) »gemäß Machen. Und dies alles ist ein Denken (eine Idee): das Beharren, das Vorschreiten (proienai) und das Umkehren (epistrephein).« Jedes ist Totalität für sich, aber alle drei werden in eins zurückgeführt. Im nous sind die zwei ersten Triaden selbst nur Momente; der Geist aber ist, die Totalität der beiden ersten in sich zu fassen. »Diese drei Dreieinigkeiten verkündigen nun auf eine mystische Weise die völlig unerkannte (erkenntnislose) Ursache des ersten und unmitgeteilten (amethektou) Gottes«, der das Prinzip der ersten Einheit ist, in den Drei aber manifestiert wird: »Die eine seine unaussprechliche Einheit, die andere« (das Leben) »den Überfluß aller Kräfte« und das Ausleuchten desselben, »die dritte aber die vollkommene Ausgeburt des Seins, der Wesen überhaupt.« Das Mystische ist, daß diese Unterschiede, die als Totalitäten, als Götter bestimmt sind, als Eins gefaßt werden.38 Der nous ist dreifach: ousiôdôs, zôtikôs und noerôs (s. S. 479). »In einer Ordnung ist das Konkrete selbst die Essenz, in einer anderen ist es das Leben, in der dritten der gedachte Gedanke.« Die erste Substanz ist der nous als Gedachtes, was Objekt wird: sprechen wir vom Verstand, Denken, so ist er ein Seiendes; er ist auch Moment. Zweitens das Leben ist der gedachte und denkende; der dritte ist der denkende Gedanke. Diese nennt er auch die drei Götter; die ousia nennt er auch Hestia, das Feste, Grundlage. – Die erste Dreieinigkeit ist der gedachte[484] Gott (theos noêtos), die zweite der gedachte und denkende (theos noêtos kai noeros), tätige, die dritte der reine, denkende Gott (theos noeros), der in sich diese Rückkehr, Umkehr zur Einheit ist, in der als Rückkehr alles Dreies enthalten ist. »Gott ist das Ganze in ihm.« Diese drei sind auch schlechthin das absolut Eine; und dies macht dann einen absoluten konkreten Gott aus.

»Gott erkennt ungeteilt das Geteilte, zeitlos das Zeitliche, das nicht Notwendige notwendig, das Veränderliche unveränderlich und überhaupt alle Dinge vortrefflicher (kreittonôs) als nach ihrer Ordnung.« »Dessen die Gedanken sind, dessen sind auch die Substanzen, indem der Gedanke eines jeden dasselbe mit dem Sein eines jeden; und jeder ist beides, der Gedanke und das Sein« usw. – Dies sind die Hauptbestimmungen in der Theologie des Proklos; und es bleibt uns nur noch übrig, einiges Äußerliche anzuführen.

Die Einzelheit des Bewußtseins ist zum Teil in der Form einer Wirklichkeit Magie und Theurgie; die Theurgie kommt bei den Neuplatonikern und bei Proklos oft vor, es heißt einen Gott machen. Und das Theurgische wird so vorgestellt in Beziehung auf die heidnischen Götterbilder: »Die ersten und vorzüglichsten Namen der Götter, muß man annehmen, gründen sich in den Göttern selbst (en autois hidrysthai tois theois). Das göttliche Denken (nous) macht (dêmiourgei) von seinen Gedanken Namen und zeigt die (letzten) Bilder der Götter; jeder Name zeugt gleichsam ein Bild (agalma) eines Gottes. Wie die Theurgie nun durch gewisse Symbole die neidlose Güte Gottes zum Leuchten (ellampsin) der Bildnisse der Künstler hervorruft (prokaleitai), so die Gedankenwissenschaft durch Zusammensetzungen und Trennungen der Töne macht scheinen (emphainei) die verborgene Wesenheit (ousia) Gottes.« So zeigen die Bildsäulen,[485] Gemälde der Künstler das innere spekulative Denken, das Erfülltsein vom Göttlichen, das sich zur Äußerlichkeit bringt. So wird auch das Einweihen von Bildern vorgestellt. Es ist damit der Zusammenhang ausgesprochen, daß die Neuplatoniker noch das Mythische beseelt haben mit dem Göttlichen selbst, so daß in den Bildern usf. die göttliche Kraft vorhanden ist. – Ich habe an dies Moment nur erinnern wollen, weil es in dieser Zeit eine große Rolle spielt.

35

Es wäre die Frage, ob nicht das kai auszulassen wäre, so daß nous hieße hê akrotês tôn ontôn. S. p. 139-140; unten, S. 481.

36

»Der nous aber ist das Zurückführende zu den Prinzipien und die Grenze« – ob Nominativ oder Akkusativ? –, »aneignend dem Prinzip und einen Kreis bildend.«

37

Dieser Kreis oder der nous? Im Griechischen steht kein Subjekt.

38

Bei den Neuplatonikern kommt überhaupt der Ausdruck »mystisch« oft vor; vgl. De Platonis theologia III, palin dê oun hêmin epanalêpteon tên peri tou henos mystagôgian (wie wir sagen würden: »spekulative Betrachtung«). Mystagogie ist eben diese spekulative Philosophie, dieses Sein im Denken, Selbstgenuß, Anschauung.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 19, Frankfurt am Main 1979, S. 466-486.
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