A. Philosophie des Platon

Platon gehört auch zu den Sokratikern. Er ist der berühmteste der Freunde und Zuhörer des Sokrates, und der das Prinzip des Sokrates, daß das Wesen im Bewußtsein, Wesen des Bewußtseins ist, in seiner Wahrheit auffaßte: daß das Absolute im Gedanken und alle Realität der Gedanke ist, – nicht der einseitige Gedanke oder in dem Sinne des schlechten Idealismus, nach welchem der Gedanke wieder auf eine Seite tritt und sich als bewußter Gedanke faßt und der Realität gegenüberstellt, sondern der Gedanke, der in einer Einheit ebensowohl Realität als Denken ist, der Begriff und seine Realität in der Bewegung der Wissenschaft, – Idee eines wissenschaftlichen Ganzen. Das Recht des selbstbewußten Denkens, das Sokrates zum Prinzip erhoben hatte, dies bloß abstrakte Recht erweiterte Platon zum Gebiete der Wissenschaft. Er verließ den engen Gesichtspunkt, in welchem Sokrates den an und für sich seienden Gedanken aufgefaßt hatte, nämlich als Wesen und Zweck für den selbstbewußten Willen, und erfaßte denselben als das Wesen des Universums. Er hat dem Prinzip Ausdehnung gegeben und die Weise der Konstruierung, Ableitung des Prinzips, wenn seine Darstellung auch nicht wissenschaftlich ist.

Eins der schönsten Geschenke, welche uns das Schicksal aus[11] dem Altertum aufbewahrt, sind ohne Zweifel die Platonischen Werke. Seine Philosophie aber, die in ihnen nicht eigentlich in systematischer Form vorgetragen ist, daraus darzustellen, ist nicht so sehr durch sie selbst erschwert als dadurch, daß diese Philosophie von verschiedenen Zeiten verschieden aufgefaßt worden, besonders aber von den plumpen Händen neuerer Zeiten vielfach betastet worden ist, die ihre rohen Vorstellungen entweder da hineingetragen, unvermögend das Geistige geistig zu fassen, oder dasjenige für das Wesentliche und Merkwürdigste in Platons Philosophie angesehen, was in der Tat der Philosophie nicht angehört, sondern der Vorstellungsweise. Eigentlich aber erschwert nur Unkenntnis der Philosophie die Auffassung der Platonischen Philosophie.

Platon ist eins von den welthistorischen Individuen, seine Philosophie eine von den welthistorischen Existenzen, die von ihrer Entstehung an auf alle folgende Zeiten für die Bildung und Entwicklung des Geistes den bedeutendsten Einfluß gehabt haben; die christliche Religion, die dies hohe Prinzip in sich enthält, ist zu dieser Organisation des Vernünftigen, zu diesem Reiche des Übersinnlichen geworden durch den großen Anfang, den Platon schon gemacht hatte. Das Eigentümliche der Platonischen Philosophie ist die Richtung auf die intellektuelle, übersinnliche Welt, die Erhebung des Bewußtseins in das geistige Reich, so daß das Intellektuelle die Gestalt von Übersinnlichem, von Geistigem, was dem Denken angehört, erhält, daß es in dieser Gestalt für das Bewußtsein die Wichtigkeit bekommt, in das Bewußtsein eingeführt wird und das Bewußtsein einen festen Fuß in diesem Boden faßt. Die christliche Religion hat dann das Prinzip der Bestimmung des Menschen zur Seligkeit – oder daß sein inneres geistiges Wesen sein wahrhaftes Wesen ist – in ihrer eigentümlichen Weise zum allgemeinen Prinzip gemacht. Aber daß dies Prinzip organisiert ist zu einer geistigen Welt, daran hat Platon und seine Philosophie den größten Teil gehabt.[12]

Vorher haben wir seiner Lebensumstände zu erwähnen. »Platon war ein Athener, wurde im 3. Jahre der 87. Olympiade oder nach Dodwell Ol. 87, 4 (429 v. Chr. Geburt) zu Anfang des Peloponnesischen Krieges geboren, in dem Jahre, in welchem Perikles starb.« Er war 39 oder 40 Jahre jünger als Sokrates. »Sein Vater Ariston leitete sein Geschlecht von Kodros her; seine Mutter Periktione stammte von Solon ab.« Der Vatersbruder von seiner Mutter war jener berühmte Kritias (bei dieser Gelegenheit zu erwähnen), der ebenfalls mit Sokrates eine Zeitlang umgegangen war, und »einer der 30 Tyrannen Athens«, der talentvollste, geistreichste, daher auch der gefährlichste und verhaßteste unter ihnen. Dem Sokrates wurde dies besonders sehr übelgenommen und zum Vorwurf gemacht, daß er solche Schüler wie ihn und Alkibiades gehabt, die Athen durch ihren Leichtsinn fast an den Rand des Verderbens brachten. Denn wenn er sich in die Erziehung einmischte, die andere ihren Kindern gaben, so war man zur Forderung berechtigt, daß das nicht tröge, was er zur Bildung der Jünglinge tun wollte. Kritias wird mit dem Kyrenaiker Theodoros und dem Diagoras aus Melos gewöhnlich von den Alten als Gottesleugner aufgeführt. Sextus Empirikus hat ein hübsches Fragment aus einem seiner Gedichte.

Platon nun, aus diesem vornehmen Geschlechte entsprossen (die Mittel seiner Bildung fehlten nicht), erhielt durch die angesehensten Sophisten eine Erziehung, die in ihm alle Geschicklichkeiten übte, die für einen Athener gemäß geachtet wurden. »Er erhielt erst später von seinem Lehrer den Namen Platon; in seiner Familie hieß er Aristokles. Einige schreiben seinen Namen der Breite seiner Stirn, andere dem Reichtum und der Breite seiner Rede, andere der Wohlgestalt, Breite seiner Figur zu. In seiner Jugend kultivierte er die Dichtkunst und schrieb Tragödien« (wie[13] auch wohl bei uns die jungen Dichter mit Tragödien anfangen), »Dithyramben und Gesänge« (melê, Lieder, Elegien, Epigramme). Von den letzten sind uns in der griechischen Anthologie noch verschiedene aufbehalten, die auf seine verschiedenen Geliebten gehen; unter anderen ein bekanntes an einen Aster (Stern), einen seiner besten Freunde, das einen artigen Einfall enthält:


Nach den Sternen blickst du, mein Aster, o möcht' ich der Himmel

Werden, um auf dich mit so viel Augen zu sehn.


Ein Gedanke, der sich auch bei Shakespeare in Romeo und Julia findet. Er dachte übrigens in seiner Jugend nicht anders, als sich den Staatsgeschäften zu widmen. Er wurde von seinem Vater bald zu Sokrates gebracht. »Es wird erzählt, daß Sokrates die Nacht vorher geträumt habe, er habe einen jungen Schwan auf seinen Knien sitzen, dessen Flügel schnell gewachsen und der jetzt aufgeflogen sei« (zum Himmel) »mit den lieblichsten Gesängen.« Überhaupt erwähnen die Alten vieler solcher Züge, die die hohe Verehrung und Liebe beurkunden, die seiner stillen Größe, seiner Erhabenheit in der höchsten Einfachheit und Lieblichkeit von seinen Zeitgenossen und den Späteren zuteil geworden und ihm den Namen des Göttlichen gegeben hat. Sokrates' Umgang und Weisheit konnte Platon nicht genügen. Er beschäftigte sich noch mit den älteren Philosophen, vornehmlich dem Heraklit. Aristoteles gibt an, daß er, schon ehe er zu Sokrates gekommen, mit Kratylos umgegangen und in die Heraklitische Lehre eingeweiht [worden sei]. Er studierte auch die Eleaten und insbesondere die Pythagoreer und hatte Umgang mit den berühmtesten Sophisten.[14] Nachdem er sich so in die Philosophie vertieft hatte, verlor er das Interesse an Staatsangelegenheiten, entsagte denselben gänzlich und widmete sich ganz den Wissenschaften. Seine Pflicht des Kriegsdienstes als Athenienser erfüllte er wie Sokrates; er soll drei Feldzüge mitgemacht haben.

Nach der Hinrichtung des Sokrates floh er wie viele andere Philosophen aus Athen und begab sich, wie schon erwähnt, zu Euklid nach Megara. (Acht Jahre hatte er mit Sokrates Umgang, vom 20. Jahre an.) Von Megara ging er dann bald auf Reisen, zuerst nach Kyrene in Afrika, wo er sich besonders auf Mathematik unter Anleitung des berühmten Mathematikers Theodoros legte, den er auch in mehreren seiner Dialoge als mitsprechende Person einführt. Platon selbst brachte es in der Mathematik bald zu hoher Fertigkeit. Es wird ihm die Lösung des delischen oder delphischen Problems zugeschrieben, das vom Orakel aufgegeben wurde und sich ähnlich dem Pythagoreischen Lehrsatze auf den Kubus bezieht, nämlich die Verzeichnung einer Linie anzugeben, deren Kubus gleich sei der Summe von zwei gegebenen Kubis. Dieses erfordert Konstruktion durch zwei Kurven. Bemerkenswert ist, welche Art von Aufgaben die Orakel jetzt gemacht haben. Es war bei einer Seuche, wo man sich an das Orakel wandte, und da gab es diese ganz wissenschaftliche Aufgabe; es ist eine Veränderung im Geiste der Orakel, die höchst merkwürdig ist. Von Kyrene ging Platon nach Ägypten, vorzüglich aber bald darauf nach Großgriechenland, wo er teils die Pythagoreer der damaligen Zeit, Archytas von Tarent, den berühmten Mathematiker, kennenlernte, bei dem er die pythagoreische Philosophie studierte, teils die Schriften der älteren Pythagoreer um schweres Geld einkaufte. Auf Sizilien hat er Freundschaft mit Dion geknüpft. »Nach Athen zurückgekehrt, trat er in der Akademie als Lehrer auf, einem Haine oder Spaziergange, in dem sich ein Gymnasium befand, sich mit seinen[15] Schülern unterhaltend. Die Anlage war gemacht zur Ehre des Heros Akademos«; aber Platon ist der wahre Heros der Akademie geworden, der die alte Bedeutung des Namens der Akademie verdrängt und den Heros verdunkelt hat, damit dieser unter Platons Schutz, der sich an seine Stelle setzte, auf die Nachwelt komme.

Seinen Aufenthalt und seine Geschäfte in Athen unterbrach Platon durch ein dreimaliges Reisen nach Sizilien, – zu Dionysios dem Jüngeren, dem Herrscher von Syrakus und Sizilien. Das bedeutendste oder einzige äußere Verhältnis, in welches Platon trat, war seine Verbindung mit Dionysios. Teils die Freundschaft zu Dion, teils besonders höhere Hoffnungen – durch Dionysios eine wahrhafte Staatsverfassung in die Wirklichkeit gesetzt zu sehen – zogen ihn in dies Verhältnis, das aber nichts Dauerndes erzeugt hat. Dies sieht jetzt – oberflächlich – recht plausibel aus und ist in hundert politischen Romanen zugrunde gelegt: Ein junger Fürst, und hinter ihm, neben ihm steht ein weiser Mann, ein Philosoph, der ihn unterrichtet, inspiriert; dies ist eine Vorstellung, die in sich hohl ist. Der nächste Anverwandte des Dionysios, Dion, und andere angesehene Syrakusaner, Freunde des Dionysios, trugen sich mit der Hoffnung, daß Dionysios, den sein Vater sehr ungebildet hatte aufwachsen lassen und in den sie den Begriff und Achtung für Philosophie gelegt und ihn sehr begierig gemacht hatten, Platon kennenzulernen, – daß Dionysios durch die Bekanntschaft mit Platon sehr viel gewinnen würde, daß seine noch ungebildete Natur, die nicht bös schien, durch die Idee des Platon von einer wahrhaften Staatsverfassung so bestimmt werden würde, daß diese durch ihn in Sizilien zur Realisierung käme. Platon ließ sich hierdurch zu dem schiefen Schritt verleiten, nach Sizilien zu reisen. Dionysios fand viel Gefallen an Platon und faßte eine solche Achtung zu ihm,[16] daß er wünschte, auch von ihm geachtet zu werden. Allein dies hielt nicht lange aus. Dionysios war eine von den mittelmäßigen Naturen, die in ihrer Halbheit zwar nach Ruhm und Auszeichnung streben, die aber keiner Tiefe und keines Ernstes fähig sind, die den Schein davon haben, die keinen festen Charakter haben, – Charakter der Halbheit, Wollen und Nichtkönnen, wie heutigentags Ironie auf dem Theater, einer meint tüchtig, vortrefflich zu sein, und ist doch nur ein Lump. Und damit kann auch nur ein solches Verhältnis vorgestellt werden. Nur die Halbheit läßt sich leiten, aber eben diese Halbheit ist es, die selbst den Plan zerstöre, unmöglich macht, – die Veranlassung zu solchen Plänen gibt und sie zugleich unausführbar macht. Es war durch Platon und Dionysios' übrige Umgebung eine Achtung für die Wissenschaft und Bildung angefacht worden. Seine Teilnahme an der Philosophie war ebenso oberflächlich als seine vielfachen Versuche in der Dichtkunst. Er woll te alles sein, Dichter, Philosoph, Staatsmann, und konnte es nicht aushalten, von anderen geleitet zu sein. Er wurde gebildet, ins Tiefere konnte er nicht gebracht werden. Der Unwille brach äußerlich aus in Zerfallen der Persönlichkeiten gegeneinander. Dionysios zerfiel in Mißhelligkeiten mit seinem Verwandten Dion, und Platon wurde eben darein verwickelt, weil er die Freundschaft mit Dion nicht aufgeben wollte und Dionysios nicht sowohl einer Freundschaft, die sich auf Achtung und einen gemeinsamen ernsten Zweck gründet, fähig war, als er teils nur persönliche Zuneigung zu Platon gefaßt hatte, teils auch nur die Eitelkeit ihn an ihn fesselte. Dionysios konnte es jedoch nicht erlangen, daß er sich ihm fest verbinde; er wollte ihn allein besitzen, und dies war eine Zumutung, die bei Platon keinen Eingang fand. Platon reiste ab. Sie trennten sich und fühlten doch beide das Bedürfnis, sich zu vereinigen. Dionysios rief ihn zurück, um Versöhnung herbeizuführen. Dionysios konnte es nicht ertragen,[17] sich Platon nicht haben fest verbinden zu können; vorzüglich fand es Dionysios unerträglich, daß Platon nicht den Dion aufgeben wollte. Platon gab sowohl dem Andringen seiner Familie, des Dion, als vorzüglich des Archytas und anderer Pythagoreer aus Tarent nach, an die sich Dionysios gewendet hatte und die sich auch für die Versöhnung des Dionysios mit Dion und Platon interessierten; ja, sie verbürgten sich sogar für seine Sicherheit und Freiheit, wieder abzureisen. Dionysios konnte die Abwesenheit des Platon ebensowenig als seine Anwesenheit vertragen; er fühlte sich durch die letztere geniert. Es begründete sich kein tieferes Verhältnis, das Verhältnis war abwechselnd; sie näherten sich wieder und trennten sich von neuem. Also auch der dritte Aufenthalt in Sizilien endigte mit Kaltsinnigkeit; das Verhältnis stellte sich nicht her. Einmal stieg die Spannung wegen der Verhältnisse mit Dion so hoch, daß, als Platon aus Unzufriedenheit über das Verfahren des Dionysios mit Dion wieder wegreisen wollte, Dionysios ihm die Gelegenheit dazu benahm und [ihn] zuletzt mit Gewalt abhalten wollte, Sizilien zu verlassen, bis endlich die Pythagoreer von Tarent eintraten, den Platon von Dionysios zurückforderten, seine Abreise durchsetzten und ihn nach Griechenland brachten, wobei auch noch der Umstand mitwirkte, daß Dionysios die üble Nachrede scheute, mit Platon nicht auf einem guten Fuße zu stehen.

Platons Hoffnungen scheiterten. Es war eine Verirrung Platons, durch Dionysios die Staatsverfassungen den Forderungen seiner philosophischen Idee anpassen zu wollen. Später schlug Platon es sogar anderen Staaten, die sich ausdrücklich an ihn wandten und ihn darum ersuchten, unter anderen den Bewohnern von Kyrene und den Arkadiern, ab, ihr Gesetzgeber zu werden. Es war eine Zeit, wo[18] viele griechische Staaten nicht mehr zurechtzukommen wußten mit ihren Verfassungen, ohne etwas Neues finden zu können. Jetzt, in den letzten dreißig Jahren, hat man viele Verfassungen gemacht, und jedem Menschen, der sich viel damit beschäftigt hat, wird es leicht sein, eine solche zu machen. Aber das Theoretische reicht bei einer Verfassung nicht hin, es sind nicht Individuen, die sie machen; es ist ein Göttliches, Geistiges, was sich durch die Geschichte macht. Es ist so stark, daß der Gedanke eines Individuums gegen diese Macht des Weltgeistes nichts bedeutet; und wenn diese Gedanken etwas bedeuten, realisiert werden können, so sind sie nichts anderes als das Produkt dieser Macht des allgemeinen Geistes. Der Einfall, daß Platon Gesetzgeber werden sollte, war dieser Zeit nicht angemessen; Solon, Lykurg waren es, aber in der Zeit Platons war dies nicht mehr zu machen. Platon lehnte ein weiteres Einlassen in den Wunsch jener Staaten ab, weil sie nicht in die erste Bedingung einwilligten, welche er ihnen machte, und diese war die Aufhebung alles Privateigentums. Dies Prinzip werden wir später noch betrachten bei seiner praktischen Philosophie.

So geehrt im ganzen und besonders in Athen lebte Platon bis in die 108. Olympiade (348 v. Chr. Geb.). Er starb an seinem Geburtstage bei einem Hochzeitsschmause im 81. Jahre seines Alters.

Platons Philosophie ist uns in den Schriften, die wir von ihm haben, hinterlassen. Form und Inhalt sind von gleich anziehender Wichtigkeit. Beim Studium derselben müssen wir aber wissen, α) was wir in ihnen zu suchen haben und in ihnen von Philosophie finden können, β) und eben damit, was der Platonische Standpunkt nicht leistet, seine Zeit überhaupt nicht leisten kann. So kann es sein, daß sie uns[19] sehr unbefriedigt lassen, das Bedürfnis, mit dem wir zur Philosophie treten, nicht befriedigen können. Es ist besser, sie lassen uns im ganzen unbefriedigt, als wenn wir sie als das Letzte ansehen wollen. Sein Standpunkt ist bestimmt und notwendig; man kann aber bei ihm nicht bleiben, noch sich auf ihn zurückversetzen, – die Vernunft macht höhere Anforderungen. Ihn zum Höchsten für uns zu machen, als den Standpunkt, den wir uns nehmen müssen, dies gehört zu den Schwächen unserer Zeit, die Größe, das eigentlich Ungeheure der Anforderung des Menschengeistes nicht tragen zu können, sich erdrückt zu fühlen und darum schwachmütig von ihm sich zurückzuflüchten. Wie in der Pädagogik das Bestreben ist, die Menschen zu erziehen, um sie vor der Welt zu verwahren, d.h. sie in einem Kreise – z.B. des Comptoirs, idyllisch des Bohnenpflanzens – zu erhalten, in dem sie von der Welt nichts wissen, keine Notiz von ihr nehmen, so ist in der Philosophie zurückgegangen worden zum religiösen Glauben, so zur Platonischen Philosophie. Beides sind Momente, die ihren wesentlichen Standpunkt und Stellung haben; aber sie sind nicht Philosophie unserer Zeit. Man hätte Recht, zu ihr zurückzukehren, um die Idee, was spekulative Philosophie ist, wieder zu lernen; aber es ist Leichtigkeit, so schön zu sprechen, nach Lust und Liebe im allgemeinen von Schönheit, Vortrefflichkeit. Man muß darüber stehen, d.h. das Bedürfnis des denkenden Geistes unserer Zeit kennen oder vielmehr dies Bedürfnis haben. – Das Literarische, das Kritische Herrn Schleiermachers, die kritische Sonderung, ob die einen oder die anderen Nebendialoge echt seien (über die großen kann ohnehin nach den Zeugnissen der Alten kein Zweifel sein), ist für Philosophie ganz überflüssig und gehört der Hyperkritik unserer Zeit an.

Indem ich zur Darstellung der Platonischen Philosophie übergehe, so ist zuerst von der ersten, unmittelbaren Weise, in welcher sie sich zeigt, zu sprechen. Es ist die Beschaffenheit der Platonischen Werke selbst, welche in ihrer Vielseitigkeit[20] uns verschiedene Gestalten des Philosophierens darbietet. Hätten wir noch das rein philosophische (dogmatische) Werk Platons, worüber Brandis geschrieben hat, das unter dem Titel Von der Philosophie oder Von den Ideen von Aristoteles zitiert wird und er vor sich gehabt zu haben scheint, wenn er die Platonische Philosophie beschreibt, von ihr spricht, so würden wir dann seine Philosophie in einfacherer Gestalt vor uns haben. So aber haben wir nur seine Dialoge, und diese Gestalt erschwert es uns, sogleich Vorstellung zu gewinnen, uns bestimmte Darstellung von seiner Philosophie zu machen. Die Form des Dialogs enthält sehr heterogene Elemente, Seiten was ich darunter verstehe, ist dies: daß darin eigentliches Philosophieren über das absolute Wesen und das Vorstellen von demselben mannigfaltig vermischt ist, macht diese Verschiedenseitigkeit aus.

Eine andere Schwierigkeit soll die sein: man unterscheidet exoterische und esoterische Philosophie. Tennemann sagt (Bd. II, S. 220): »Platon bediente sich desselben Rechts welches jedem Denker zusteht, von seinen Entdeckungen nur so viel, als er für gut fand, und nur denen mitzuteilen, welchen er Empfänglichkeit zutraute. Auch Aristoteles hatte eine esoterische und exoterische Philosophie, nur mit dem Unterschiede, daß bei diesem der Unterschied bloß formal, beim Platon hingegen auch zugleich material war.« Wie einfältig! Das sieht aus, als sei der Philosoph im Besitz seiner Gedanken wie der äußerlichen Dinge. Die Gedanken sind aber ganz etwas anderes. Die philosophische Idee besitzt umgekehrt den Menschen. Wenn Philosophen sich über philosophische Gegen stände explizieren, so müssen sie sich nach ihren Ideen richten; sie können sie nicht in der Tasche behalten. Spricht man auch mit einigen äußerlich, so ist die Idee immer darin enthalten, wenn die Sache nur Inhalt hat. Zur Mitteilung, Übergabe einer äußerlichen Sache gehört nicht viel, aber zur Mitteilung der Idee gehört Geschicklichkeit. Sie bleibt immer etwas Esoterisches; man hat also nicht[21] bloß das Exoterische der Philosophen. Das sind oberflächliche Vorstellungen.

Es kann unter die Schwierigkeiten, die eigentliche Spekulation Platons zu erfassen, nicht die historische Seite gerechnet werden, daß Platon in seinen Dialogen nicht in eigener Person spricht, sondern Sokrates und viele andere Personen redend einführt, von denen man nicht immer wisse, welche eigentlich das vortrage, was Platons Meinung sei. Es könnte den Schein haben, als ob er nur geschichtlich die Weise und Lehre des Sokrates besonders vorgestellt habe. Bei sokratischen Dialogen, wie sie Cicero gibt, da kann man eher die Personen herausfinden; aber bei Cicero ist kein gründliches Interesse vorhanden. Bei Platon kann jedoch von dieser Zweideutigkeit eigentlich nicht die Rede sein, diese äußerliche Schwierigkeit ist nur scheinbar; aus seinen Dialogen geht seine Philosophie ganz deutlich hervor. Denn die Platonischen Dialoge sind nicht so beschaffen wie die Unterredung mehrerer, die aus vielen Monologen besteht, wovon der eine dies, der andere jenes meint und bei seiner Meinung bleibt. Sondern die Verschiedenheit der Meinungen, die vorkommt, ist untersucht; es ergibt ein Resultat als das Wahre; oder die ganze Bewegung des Erkennens, wenn das Resultat negativ ist, ist es, die Platon angehört.

Ein anderer historischer Umstand, der der Vielseitigkeit anzugehören scheint, ist allerdings dieser, daß von Alten und Neueren viel darüber gesprochen worden, Platon habe von Sokrates, von diesem und jenem Sophisten, vorzüglich aber von den Schriften der Pythagoreer in seinen Dialogen aufgenommen, – er habe offenbar viele ältere Philosophien vorgetragen, wobei Pythagoreische und Heraklitische Philosopheme und eleatische Weise der Behandlung vornehmlich sehr hervortritt, so daß diesen zum Teil die ganze Materie der Abhandlung und nur die äußere Form dem Platon angehöre, es also nötig wäre, dabei deswegen zu unterscheiden, was ihm eigentümlich angehöre oder nicht, oder ob jene Ingredienzien miteinander übereinstimmen. In dieser[22] Rücksicht aber ist zu bemerken, daß, indem das Wesen der Philosophie dasselbe ist, jeder folgende Philosoph die vorhergehenden Philosophien in die seinige aufnehmen wird und muß, – daß ihm das eigentümlich angehört, wie er sie weiter fortgebildet. Die Philosophie ist nicht so etwas Einzelnes als ein Kunstwerk, und selbst an diesem ist es die Geschicklichkeit der Kunst, die der Künstler von anderen empfangen wieder aufnimmt und ausübt. Die Erfindung des Künstlers ist der Gedanke seines Ganzen und die verständige Anwendung der vorgefundenen und bereiteten Mittel; dieser unmittelbaren Einfälle und eigentümlichen Erfindungen können unendlich viele sein. Aber die Philosophie hat zum Grunde einen Gedanken, ein Wesen, und an die Stelle der früheren wahren Erkenntnis desselben kann nichts anderes gesetzt werden, – sie muß in den Späteren ebenso notwendig vorkommen. Ich habe schon bemerkt, daß Platons Dialoge nicht so anzusehen sind, daß es ihm darum zu tun gewesen ist, verschiedene Philosophien geltend zu machen, noch daß Platons Philosophie eine eklektische Philosophie sei, die aus ihnen entstehe; sie bildet vielmehr den Knoten, in dem diese abstrakten einseitigen Prinzipien jetzt auf konkrete Weise wahrhaft vereinigt sind. In der allgemeinen Vorstellung der Geschichte der Philosophie sahen wir schon, daß solche Knotenpunkte in der Linie des Fortganges der philosophischen Ausbildung eintreten müssen, in denen das Wahre konkret ist. Das Konkrete ist die Einheit von unterschiedenen Bestimmungen, Prinzipien; diese, um ausgebildet zu werden, um bestimmt vor das Bewußtsein zu kommen, müssen zuerst für sich aufgestellt, ausgebildet werden. Da durch erhalten sie dann allerdings die Gestalt der Einseitigkeit gegen das folgende Höhere; dies vernichtet sie aber nicht, läßt sie auch nicht liegen, sondern nimmt sie auf als Momente seines höheren und tieferen Prinzips. In der Platonischen Philosophie sehen wir so vielerlei Philosopheme aus früherer Zeit, aber aufgenommen in seinem Prinzip und darin vereinigt. Dies Verhältnis ist, daß Platonische[23] Philosophie sich als eine Totalität der Idee beweist; die seinige, als Resultat, befaßt die Prinzipien der anderen in sich. Häufig hat Platon nichts anderes getan, als die Philosophien Älterer exponiert, und seiner ihm eigentümlichen Darstellung gehört nur dies an, sie erweitert zu haben. Sein Timaios ist nach allen Zeugnissen Erweiterung einer Pythagoreischen Schrift, die wir auch noch haben; überscharfsinnige Leute sagen, diese sei erst aus Platon gemacht. Seine Erweiterung ist auch bei Parmenides so, daß sein Prinzip in seiner Einseitigkeit aufgehoben ist.

Die Platonischen Werke sind bekanntlich Dialoge, und es ist zuerst von der Form zu reden, in der Platon seine Ideen vorgetragen hat, sie zu charakterisieren; andernteils ist sie aber von dem, was Philosophie als solche bei ihm ist, abzuziehen. Die Form der Platonischen Philosophie ist die dialogische. Die Schönheit dieser Form ist vornehmlich anziehend dabei. Man muß nicht dafür halten, daß es die beste Form der philosophischen Darstellung sei. Sie ist Eigentümlichkeit Platons und als Kunstwerk allerdings wert zu achten. Häufig setzt man die Vollkommenheit in dieser Form.

Zur äußeren Form gehört zunächst die Szenerie und das Dramatische; das Anmutige ist, daß Szene, individuelle Veranlassung da ist der Dialoge. Platon macht ihnen eine Umgebung von Wirklichkeit des Lokals und dann der Personen, der Veranlassung, welche sie zusammengeführt, die für sich schon sehr lieblich, offen und heiter ist. Wir werden zu einem Orte, zum Platanenbaum im Phaidros (229), zum klaren Wasser des Ilyssos, durch den Sokrates und Phaidros hindurchgehen, zu den Hallen der Gymnasien, zur Akademie, zu einem Gastmahle geführt. Aber noch mehr ist diese Erfindung äußerlicher, spezieller, zufälliger insbesondere, Veranlassungen partikularisiert. Es sind lauter andere Personen, denen Platon seine Gedanken in den Mund legt, so daß er selbst nie namentlich auftritt und damit alles Thetische, Behauptende, Dogmatisierende völlig abwälzt und wir ebensowenig ein – ihn als – Subjekt[24] auftreten sehen als in der Geschichte des Thukydides oder im Homer. Xenophon läßt teils sich selbst auftreten, teils gibt er überall das Absichtliche vor, die Lehrweise und das Leben durch Beispiele zu rechtfertigen. Bei Platon ist alles ganz objektiv und plastisch; es ist Kunst, es weit von sich zu entfernen, oft in die dritte, vierte Person hinauszuschieben (Phaidon). Sokrates ist Hauptperson, dann andere Personen; viele sind uns bekannte Sterne: Agathon, Zenon, Aristophanes. Was von dem in den Dialogen Dargestellten dem Sokrates oder dem Platon angehöre, bedarf keiner weiteren Untersuchung. Soviel ist gewiß, daß wir aus Platons Dialogen sein System vollkommen zu erkennen imstande sind.

Im Ton der Darstellung des persönlichen Verhaltens der Unterredungen herrscht die edelste (attische) Urbanität gebildeter Menschen. Feinheit des Betragens lernt man daraus. Man sieht den Weltmann, der sich zu benehmen weiß. Höflichkeit drückt nicht ganz Urbanität aus. Höflichkeit enthält etwas mehr, einen Überfluß, noch Bezeugungen von Achtung, von Vorzug, von Verpflichtungen, die man ausdrückt. Die Urbanität ist die wahrhafte Höflichkeit; diese liegt zugrunde. Urbanität bleibt aber dabei stehen, dem anderen die persönliche vollkommene Freiheit seiner Sinnesart, Meinungen zuzugestehen, – das Recht, sich zu äußern, einem jeden, mit dem man spricht, einzuräumen und in seiner Gegenäußerung, Widerspruch diesen Zug auszudrücken, – sein eigenes Sprechen für ein subjektives zu halten gegen das Äußern des anderen, weil es eine Unterredung ist, Personen als Personen auftreten, nicht der objektive Verstand oder Vernunft sich mit sich bespricht. (Vieles ist, was wir zur bloßen Ironie ziehen.) Bei aller Energie der Äußerung ist dies immer anerkannt, daß der andere auch verständige, denkende Person ist. Man muß nicht vom Dreifuß versichern, dem anderen über den Mund fahren. Diese Urbanität ist nicht Schonung, es ist größte Freimütigkeit; sie macht die Anmut der Dialoge Platons.[25]

Dieser Dialog ist nicht Konversation; in ihr hat das, was man sagt, einen zufälligen Zusammenhang und soll ihn haben, – die Sache soll nicht erschöpft sein. Man will sich unterhalten, darin liegt Zufälligkeit; Willkür der Einfälle ist Regel. Der Einleitung nach haben die Dialoge zuweilen auch diese Weise der Unterhaltung, die Gestalt zufälligen Fortgangs; aber später werden sie Entwicklung der Sache, das Subjektive der Konversation verschwindet, – im Platon ist im ganzen schöner konsequenter dialektischer Fortgang. Sokrates redet, zieht Resultat, leitet ab, geht für sich in seinem Räsonnement fort und gibt ihm nur die äußere Wendung, es in Gestalt der Frage vorzutragen; die meisten Fragen sind darauf eingerichtet, daß der andere antwortet durch Ja oder Nein. Der Dialog scheint das Zweckmäßigste zu sein, ein Räsonnement darzustellen, weil es hin und her geht; dieses wird an verschiedene Personen verteilt, damit die Sache lebendiger werde. Der Dialog hat den Nachteil, daß der Fortgang von der Willkür herzukommen scheint; das Gefühl am Ende des Dialogs ist, daß die Sache auch anders hätte werden können. Bei den Platonischen Dialogen ist scheinbar auch diese Willkür vorhanden; dann ist sie entfernt, weil die Entwicklung nur Entwicklung der Sache ist und dem dazwischen Redenden wenig überlassen ist. Solche Personen sind plastische Personen der Unterredung; es ist einem nicht um seine Vorstellung, pour placer son mot, zu tun. Wie beim Abhören des Katechismus die Antworten vorgeschrieben, so im Dialog dasselbe; denn der Autor läßt den Antworter sprechen, was er (der Autor) will. Die Frage ist so auf die Spitze gestellt, daß nur ganz einfache Antwort möglich ist. Das ist das Schöne und Große dieser dialogischen Kunst, die zugleich unbefangen und einfach erscheint.

Es verbindet sich nun mit diesem Äußerlichen der Persönlichkeit zunächst, daß die Platonische Philosophie nicht für sich als ein eigentümliches Feld ankündige, wo man eine eigene Wissenschaft in eigener Sphäre beginnt (wir nicht auf[26] einem eigentümlichen Boden uns befinden), sondern sich auf die gewöhnlichen Vorstellungen der Bildung überhaupt einläßt (wie Sokrates überhaupt), teils auf die Sophisten, teils auch auf frühere Philosophen, ebenso in der Ausführung an Beispiele und Weisen des gemeinen Bewußtseins erinnert. Eine systematische Exposition der Philosophie können wir nicht in dieser Weise finden. Es ist Unbequemlichkeit fürs Übersehen; es ist kein Maßstab, ob der Gegenstand erschöpft ist oder nicht. Es ist ein Geist darin, bestimmter Standpunkt der Philosophie; der Geist tritt aber nicht in der bestimmten Form hervor, die wir fordern. Die philosophische Bildung Platons war dazu noch nicht reif. Es ist noch nicht die Zeit und die allgemeine Bildung für eigentliche wissenschaftliche Werke. Die Idee war noch frisch, neu; zur wissenschaftlichen systematischen Darstellung ist dies erst bei Aristoteles gediehen. Dieser Mangel Platons ist dann auch Mangel in Ansehung der konkreten Bestimmung der Idee selbst.

Eine wesentliche Verschiedenheit der Elemente in der Darstellung der Platonischen Philosophie in seinen Dialogen ist, daß die bloßen Vorstellungen vom Wesen und das begreifende Erkennen desselben (in Weise der Vorstellung und spekulativ zu sprechen) dann überhaupt selbst in einer ungebundeneren Weise vermischt ist, besonders in jener Weise zu einer mythischen Darstellung fortzugehen, – eine Vermischung, welche in diesem Anfange der eigentlichen Wissenschaft in ihrer wahren Gestalt notwendig ist. Platons erhabener Geist, der eine Anschauung oder Vorstellung des Geistes hatte, durchdrang diesen seinen Gegenstand mit dem Begriffe; aber er fing dies Durchdringen nur erst an, umfaßte nicht die ganze Realität desselben mit dem Begriffe, – oder das Erkennen, das in Platon erschien, realisierte sich noch nicht in ihm zu dem Ganzen. Hier geschieht es also, teils α) daß die Vorstellung des Wesens sich wieder von seinem Begriffe trennt und er ihr gegenübertritt, ohne daß es ausgesprochen wäre, daß der Begriff allein das Wesen ist. Wir können verleitet werden, was er in Weise[27] der Vorstellung vom Erkennen, von der Seele sagt, als philosophisch hinzunehmen. So sehen wir ihn von Gott sprechen und wieder im Begriffe von dem absoluten Wesen der Dinge, aber getrennt, oder in einer Verbindung, daß beides getrennt scheint, der Vorstellung angehört, als unbegriffenes Wesen. β) Teils tritt, für die weitere Ausführung und Realität, die bloße Vorstellung ein, an die Stelle des Fortgehens im Begriffe, – Mythen, selbstgebildete Bewegungen der Vorstellung oder aus der sinnlichen Vorstellung aufgenommene Erzählungen, durch den Gedanken bestimmt, ohne daß dieser sie in Wahrheit durchdrungen hätte, überhaupt das Geistige durch Formen der Vorstellung bestimmt. Es werden sinnliche Erscheinungen z.B. des Körpers, der Natur aufgenommen und Gedanken darüber, die sie nicht erschöpfen, – als wenn sie durch und durch gedacht wären, der Begriff selbständig an sich selbst fortginge.

Dies in Beziehung aufs Auffassen betrachtet, so geschieht es, um dieser beiden Umstände willen, daß entweder zuviel oder zuwenig in Platons Philosophie gefunden wird. α) Zuviel finden die Älteren, sogenannten Neuplatoniker, welche αα) teils, wie sie die griechische Mythologie allegorisierten, sie als einen Ausdrucks von Ideen darstellten (was die Mythen allerdings sind), ebenso die Ideen in den Platonischen Mythen erst herausgehoben, wodurch sie die Mythen erst zu Philosophemen machten; denn darin besteht das Verdienst der Philosophie, daß das Wahre in der Form des Begriffes ist, – ββ) teils was in der Form des Begriffes bei Platon ist, so für den Ausdruck des absoluten Wesens (die Wesenlehre im Parmenides für Erkenntnis Gottes) nahmen, daß Platon selbst es nicht davon unterschieden habe. Es ist in den Platonischen reinen Begriffen nicht die Vorstellung als solche aufgehoben oder nicht gesagt, daß diese Begriffe ihr Wesen sind, oder sie sind mehr nicht als eine Vorstellung für Platon, nicht Wesen. β) Zuwenig die Neueren besonders, denn diese hingen sich vorzüglich an die Seite der Vorstellung, sahen Realität in der Vorstellung. Was in Platon[28] Begriffenes oder rein Spekulatives vorkommt, gilt ihnen für ein Herumtreiben in abstrakten logischen Begriffen oder für leere Spitzfindigkeiten, dagegen dasjenige als Philosophem, was in der Weise der Vorstellung ausgesprochen ist. So finden wir bei Tennemann (Bd. II, S. 376) und anderen eine steife Zurückführung der Platonischen Philosophie auf die Formen unserer vormaligen Metaphysik, z.B. der Ursachen, der Beweise vom Dasein Gottes.

Von einfachen Begriffen spricht Platon so: »Ihre letzte Wahrheit ist Gott; jene sind abhängige, vorübergehende Momente, ihre Wahrheit haben sie in Gott«, und von diesem spricht er zuerst; so ist er eine Vorstellung.

Um die Philosophie Platons aus seinen Dialogen aufzufassen, muß das, was der Vorstellung angehört, insbesondere wo er für die Darstellung einer philosophischen Idee zu Mythen seine Zuflucht nimmt, von der philosophischen Idee selbst unterschieden werden, – und diese freie Weise des Platonischen Vortrags, von den tiefsten dialektischen Untersuchungen zur Vorstellung und Bildern, zur Schilderung von Szenen der Unterredung geistreicher Menschen, auch von Naturszenen überzugehen.

Die mythische Darstellung der Philosopheme wird von Platon gerühmt; dies hängt mit der Form seiner Darstellung zusammen. Er läßt den Sokrates von gegebenen Veranlassungen ausgehen, von den bestimmten Vorstellungen der Individuen, von dem Kreise ihrer Ideen; so geht die Manier der Vorstellung (der Mythus) und die echt spekulative durcheinander. Die mythische Form der Platonischen Dialoge macht das Anziehende dieser Schriften aus, aber es ist eine Quelle von Mißverständnissen; es ist schon eins, wenn man diese Mythen für das Vortrefflichste hält. Viele Philosopheme sind durch die mythische Darstellung nähergebracht; das ist nicht die wahrhafte Weise der Darstellung. Die Philosopheme sind Gedanken, müssen, um rein zu sein, als solche vorgetragen werden. Der Mythus ist immer eine Darstellung, die sich sinnlicher Weise bediene, sinnliche[29] Bilder hereinbringt, die für die Vorstellung zugerichtet sind, nicht für den Gedanken; es ist eine Ohnmacht des Gedankens, der für sich sich noch nicht festzuhalten weiß, nicht auszukommen weiß. Die mythische Darstellung, als älter, ist Darstellung, wo der Gedanke noch nicht frei ist: sie ist Verunreinigung des Gedankens durch sinnliche Gestalt; diese kann nicht ausdrücken, was der Gedanke will. Es ist Reiz, Weise anzulocken, sich mit Inhalt zu beschäftigen. Es ist etwas Pädagogisches. Die Mythe gehört zur Pädagogie des Menschengeschlechts. Ist der Begriff erwachsen, so bedarf er derselben nicht mehr. Oft sagt Platon, es sei schwer, sich über diesen Gegenstand auszulassen, er wolle daher einen Mythus aufstellen; leichter ist dies allerdings.

Die Manier der Vorstellung hat Platon auch oft. Es ist einerseits populär, aber andererseits die Gefahr unabwendbar, daß man solches, was nur der Vorstellung angehört, nicht dem Gedanken, für etwas Wesentliches nimmt. Es ist unsere Sache, zu unterscheiden, was Spekulation, was Vorstellung ist. Kennt man nicht für sich, was Begriff, spekulativ ist, so kann man eine ganze Menge Theoreme aus den Dialogen ziehen und sie als Platonische Philosopheme ausgeben, die durchaus nur der Vorstellung, der Weise derselben angehören. Diese Mythen sind Veranlassung gewesen, daß viele Sätze aufgeführt werden als Philosopheme, die für sich gar nicht solche sind. Indem man aber weiß, daß sie der Vorstellung als solcher angehören, so weiß man, daß sie nicht das Wesentliche sind. So z.B. bedient sich Platon in seinem Timaios, indem er von der Erschaffung der Welt spricht, der Form, Gott habe die Welt gebildet, und die Dämonen hätten dabei gewisse Beschäftigungen gehabt (41); es ist ganz in der Weise der Vorstellung gesprochen. Wird dies aber für ein philosophisches Dogma Platons genommen, daß Gott die Welt geschaffen, daß Daimonien, höhere Wesen geistiger Art, existieren und bei der Welterschaffung Gottes hilfreiche Hand geleistet haben, so steht dies zwar wörtlich in Platon, und doch ist es nicht zu seiner Philosophie gehörig. Wenn[30] er von der Seele des Menschen sagt, daß sie einen vernünftigen und unvernünftigen Teil habe, so ist dies ebenso im allgemeinen zu nehmen; aber Platon behauptet damit nicht, daß die Seele aus zweierlei Substanzen, zweierlei Dingen zusammengesetzt sei. Wenn er das Lernen als eine Wiedererinnerung vorstellt, so kann das heißen, daß die Seele vor der Geburt des Menschen präexistiert habe. Ebenso wenn er von dem Hauptpunkte seiner Philosophie, von den Ideen, dem Allgemeinen, als dem bleibenden Selbständigen spricht, als den Mustern der sinnlichen Dinge, so kann man dann leicht dazu fortgehen, jene Ideen nach der Weise der modernen Verstandeskategorien als Substanzen zu denken, die im Verstande Gottes oder für sich, als selbständig, z.B. als Engel, jenseits der Wirklichkeit existieren. Kurz alles, was in der Weise der Vorstellung ausgedrückt ist, nehmen die Neueren in dieser Weise für Philosophie. So kann man Platonische Philosophie in dieser Art aufstellen, man ist durch Platons Worte berechtigt; weiß man aber, was das Philosophische ist, so kümmert man sich um solche Ausdrücke nicht und weiß, was Platon wollte. Wir haben jedoch nun zur Betrachtung der Philosophie des Platon selbst überzugehen.


In der Darstellung der Platonischen Philosophie kann beides nicht gesondert, aber es muß bemerkt und anders beurteilt werden, als besonders von der letzteren Seite geschehen ist. Wir haben 1. den allgemeinen Begriff Platons von der Philosophie und dem Erkennen, 2. die besonderen Teile derselben, die bei ihm hervortreten, zu entwickeln.

Das erste ist die Vorstellung, die Platon vom Wert der Philosophie überhaupt hatte. Überhaupt sehen wir Platon ganz durchdrungen von der Höhe der Erkenntnis der Philosophie. Er zeigt Enthusiasmus für den Gedanken, das Denken dessen, was an und für sich ist. Wenn die Kyrenaiker die Beziehung des Seienden auf das einzelne Bewußtsein, die Kyniker die unmittelbare Freiheit als das Wesen setzten, so[31] dagegen Platon die sich mit sich selbst vermittelnde Einheit des Bewußtseins und Wesens, oder das Erkennen. Philosophie ist ihm das Wesen für den Menschen. Er drückt überall die erhabensten Vorstellungen von der Würde der Philosophie aus; sie allein sei das, was der Mensch zu suchen hat, – das tiefste Gefühl und entschiedenste Bewußtsein, alles andere für geringer zu achten. Er spricht mit der größten Begeisterung davon; heutzutage wagen wir nicht, so davon zu sprechen. Philosophie ist ihm das höchste Besitztum. Unter einer Menge von Stellen hierüber führe ich zunächst eine aus dem Timaios an: »Die Kenntnis der vortrefflichsten Dinge fängt von den Augen an. Das Unterscheidendes sichtbaren Tags und der Nacht, die Monate und Umläufe der Planeten haben die Kenntnis der Zeit erzeugt und die Nachforschung der Natur des Ganzen uns gegeben, woraus wir dann die Philosophie gewonnen haben; und ein größeres Gut als sie, von Gott den Menschen gegeben, ist weder gekommen noch wird es je kommen.« (47)

Am berühmtesten und zugleich am verrufensten ist das, was er hierüber in der Republik sagt und wie er sein Bewußtsein ausdrückt, – wie sehr dies den gemeinen Vorstellungen der Menschen widerspricht. Es betrifft die Beziehung der Philosophie auf den Staat und fällt um so mehr auf, weil es die Beziehung der Philosophie auf die Wirklichkeit ausdrückt. Denn wenn man ihr auch sonst wohl Wert beilegt, so bleibt sie dabei doch in den Gedanken der Individuen; hier aber geht sie auf Verfassung, Regierung, Wirklichkeit. Nachdem Platon dort den Sokrates den wahren Staat hat exponieren lassen, so läßt er diese Darstellung durch Glaukon unterbrechen, der verlangt, daß er zeige, wie es möglich sei, daß ein solcher Staat existiere. Sokrates macht viel Hin- und Herreden, will nicht daran gehen, sucht Ausflüchte, um davon freigelassen zu werden, behauptet, er sei nicht verpflichtet, wenn er die Beschreibung dessen gebe, was gerecht sei, auch darzulegen, wie es in die Wirklichkeit zu setzen sei; doch müsse man das angeben, wodurch, wenn nicht[32] Vollkommenheit, doch die Annäherung möglich gemacht würde. Endlich, da in ihn gedrungen wird, spricht er: »So soll es denn gesagt werden, wenn es auch von einer Flut des Gelächters und vollkommener Unglaublichkeit sollte übergossen werden. Wenn also nicht entweder die Philosophen in den Staaten regieren oder die jetzt sogenannten Könige und Gewalthaber wahrhaft und vollständig philosophieren und so Herrschermacht und Philosophie in eins zusammenfallen und die vielerlei Sinnesarten, die jetzt für sich abgesondert nach dem einen oder dem anderen sich wenden, so gibt es, o Freund Glaukon, für die Völker kein Ende ihrer Übel, noch, denke ich, für das menschliche Geschlecht überhaupt; und dieser Staat, von dem ich sprach, wird nicht eher erzeugt werden und das Licht der Sonne sehen«, als bis dies geschieht. »Dies ist es«, setzt er hinzu, »was ich solange gezaudert habe zu sagen, weil ich weiß, daß es sosehr gegen die gemeine Vorstellung gehe.« Platon läßt den Glaukon erwidern: »Sokrates, du hast ein solches Wort und Sache ausgesprochen, daß du dir vorstellen mußt, es werde eine Menge, und das nicht schlechte Leute, ihre Mäntel abwerfen und nach der nächsten besten Waffe greifen und samt und sonders in geschlossenem Gliede auf dich losgehen; und wenn du sie nicht mit Gründen zu besänftigen wissen wirst, so wirst du es schwer zu büßen haben.«

Platon fordert die Philosophie schlechthin an die Regenten der Völker, stellt hier die Notwendigkeit dieser Verbindung der Philosophie und der Regierung auf. Was diese Forderung betrifft, so ist dies zu sagen. Regieren heißt, daß der wirkliche Staat bestimmt werde, in ihm gehandelt werde nach der Natur der Sache. Dazu gehört Bewußtsein des Begriffs der Sache; dann wird die Wirklichkeit mit dem Begriff in Übereinstimmung gebracht, die Idee kommt zur Existenz. Das Andere ist, daß der Boden der Geschichte ein anderer ist als der Boden der Philosophie. In der Geschichte[33] soll die Idee vollbracht werden; Gott regiert in der Welt, die Idee ist die absolute Macht, die sich hervorbringt. Die Geschichte ist die Idee, die sich auf natürliche Weise vollbringt, nicht mit dem Bewußtsein der Idee, – freilich mit Gedanken, aber mit bestimmten Zwecken, Umständen. Es wird nach allgemeinen Gedanken des Rechts, Sittlichen, Gottgefälligen gehandelt; die Idee wird so verwirklicht, aber durch Vermischung von Gedanken, Begriffen mit unmittelbaren partikulären Zwecken. Das muß auch sein; die Idee ist einerseits durch den Gedanken produziert, dann durch die Mittel der Handelnden. Die Idee kommt zustande in der Welt, da hat es keine Not; es ist nicht nötig, daß die Regierenden die Idee haben. Die Mittel scheinen oft der Idee entgegengesetzt zu sein, das schadet nichts. Man muß wissen, was Handeln ist: Handeln ist Treiben des Subjekts als solchen für besondere Zwecke. Alle diese Zwecke sind nur Mittel, die Idee hervorzubringen, weil sie die absolute Macht ist.

Es kann als eine große Anmaßung erscheinen, daß die Regenten Philosophen sein oder daß den Philosophen die Regierung der Staaten in die Hände gegeben werden soll. Um jedoch diese Äußerung zu beurteilen, muß man wohl im Sinn haben, was unter Philosophie im Platonischen Sinne, im Sinne der damaligen Zeit verstanden, was zur Philosophie gerechnet wurde. Das Wort Philosophie hat zu verschiedenen Zeiten verschiedene Bedeutungen gehabt. Es gab eine Zeit, wo man einen Menschen, der nicht an Gespenster, nicht an den Teufel glaubte, einen Philosophen nannte. Wenn dergleichen Vorstellungen überhaupt vorbei sind, so fällt es keinem Menschen ein, jemanden deshalb einen Philosophen zu nennen. Die Engländer nennen das Philosophie, was wir experimentierende Physik, Chemie nennen; ein Philosoph ist da jemand, der solche Versuche macht, theoretische Kenntnis der Chemie und des Maschinenwesens besitzt. Sprechen wir von Platonischer Philosophie und sehen, was darin gefaßt wird, so vermischt Philosophie[34] sich hier mit dem Bewußtsein des Übersinnlichen, das bei uns religiöses Bewußtsein; sie ist das Bewußtsein des an und für sich Wahrhaften und Rechten, das Bewußtsein und die Gültigkeit allgemeiner Zwecke im Staate. In der ganzen Geschichte von der Völkerwanderung an, wo die christliche Religion die allgemeine Religion wurde, hat es sich aber um nichts anderes gehandelt, als das Bewußtsein des Übersinnlichen, das übersinnliche Reich, was zunächst für sich gewesen ist, dies an und für sich Allgemeine, Wahre auch in die Wirklichkeit einzubilden, die Wirklichkeit danach zu bestimmen. Dies ist das fernere Geschäft der Bildung überhaupt gewesen. Ein Staat, eine Regierung, Staatsverfassung moderner Zeit ist daher etwas ganz anderes, hat eine ganz andere Grundlage als ein Staat älterer Zeit und besonders der Zeit, in der Platon lebte. Wir finden im allgemeinen, daß damals die Griechen vollkommen unzufrieden gewesen sind, abgeneigt, verdammt haben die demokratische Verfassung und den Zustand ihrer Zeit, der daraus hervorging, – ein Zustand, der dem Untergange dieser Verfassung vorherging. Alle Philosophen erklärten sich gegen die Demokratien der griechischen Staaten, – eine Verfassung, wo die Bestrafung der Generale usf. geschah. Gerade in ihr müßte es sich am ehesten vom Besten des Staats handeln; es war aber zufällige Willkür, korrigiert momentan durch überwiegende Individualitäten. Aristides, Themistokles, Mark Aurel sind Virtuosen. Der Zweck des Staats, das allgemeine Beste ist ganz anders immanent, gewalthabend in unseren Staaten als in älterer Zeit. Der gesetzliche Zustand, Zustand der Gerichte, der Verfassung, des Geistes ist so fest in sich selbst, daß nur zu entscheiden bleibt für das Momentane; es frage sich, was und ob etwas vom Individuum abhängig ist. Ein Beispiel, was ein Philosoph auf dem Throne bewirken könnte, wäre Mark Aurel; es sind aber nur Privathandlungen von ihm anzuführen, das Römische Reich ist nicht besser geworden. Friedrich II. ist der philosophische König genannt worden. Er war König und hat sich mit[35] Wolffischer Metaphysik und französischer Philosophie und Versen beschäftigt; er war so ein Philosoph nach seiner Zeit. Die Philosophie scheint eine besondere Privatsache seiner besonderen Neigung gewesen zu sein und davon unterschieden, daß er König war. Aber er ist auch ein philosophischer König in dem Sinne, daß er einen ganz allgemeinen Zweck, das Wohl, das Beste seines Staates sich selbst in seinen Handlungen und in allen Einrichtungen zum Prinzip gemacht hatte, gegen Traktate mit anderen Staaten, gegen die partikulären Rechte in seinem Lande; diese hat er unterworfen dem an und für sich allgemeinen Zwecke. Wenn dann später so etwas zur Sitte, zur Gewohnheit geworden ist, so heißen die folgenden Fürsten nicht mehr Philosophen, wenn auch dasselbe Prinzip vorhanden ist und die Regierung, die Institutionen vornehmlich, darauf gebaut sind.

Das Resultat hiervon ist, daß, wenn Platon sagt, die Philosophen sollen regieren, er das Bestimmen des ganzen Zustandes durch allgemeine Prinzipien meint. Dies ist in den modernen Staaten viel mehr ausgeführt; es sind allgemeine Prinzipien wesentlich die Basen der modernen Staaten, – d.h. nicht gerade aller, aber doch der meisten. Einige sind schon auf dieser Stufe, andere sind im Kampfe darüber; aber es ist allgemein anerkannt, daß solche Prinzipien das Substantielle der Verwaltung, der Regierung ausmachen sollen. Die Forderung des Platon ist so der Sache nach vorhanden. Was wir Philosophie nennen, die Bewegung in reinen Gedanken, betrifft die Form, die etwas Eigentümliches ist; aber auf dieser Form allein beruht es nicht, daß nicht das Allgemeine, die Freiheit, das Recht in einem Staate zum Prinzip gemacht sei.

In der Republik spricht Platon weiterhin noch, in einem Bilde, in einer Art von Mythus, von dem Unterschiede des Zustandes philosophischer Bildung und des Mangels an Philosophie; es ist ein weitläufiges Gleichnis, das merkwürdig und glänzend ist. Die Vorstellung, die er gebraucht, ist[36] folgende: Man stelle sich eine unterirdische Wohnung wie eine Höhle vor mit einem langen Eingang, der gegen das Licht offen ist, durch den ein schwaches Licht hineinfällt. Ihre Bewohner sind festgeschmiedet und mit unbeweglichen Nacken, so daß sie nur den Hintergrund der Höhle zu sehen vermögen. Weit hinter ihrem Rücken brennt von oben eine Fackel. In diesem Zwischenraume befindet sich oben der Weg und zugleich eine niedrige Mauer. Und hinter dieser Mauer, dem Lichte zu, befinden sich andere Menschen, die selbst nicht über die Mauer hervorragen, aber über dieselbe, wie die Puppen über ein Marionettentheater, allerhand Bilder, Statuen von Menschen und Tieren tragen, erheben, sich bewegen lassen, und sprechen bald dazu untereinander und schweigen bald; so daß jene Angeschmiedeten die Schatten hiervon, die auf die gegenüberstehende Wand fallen, allein sehen können. Sie würden diese Schatten, die so und so gekehrt anders aussehen, für die wahren Wesen nehmen; diese selbst vermögen sie aber nicht zu sehen, und was jene anderen untereinander sprechen, die sie herumtragen, vernehmen sie durch den Widerhall und halten es für die Reden dieser Schatten. Wenn es nun geschähe, daß einer losgemacht würde und den Nacken umkehren müßte, so daß er die Dinge selbst jetzt sähe, so würde er glauben, das, was er jetzt erbliche, seien wesenlose Träume, jene Schatten aber das Wahre. Und wenn sie gar jemand an das Licht selbst aus ihrem Kerker heraufzöge, würden sie von dem Lichte geblendet sein und nichts sehen und würden den hassen, der sie an das Licht gezogen, als einen, der ihnen ihre Wahrheit genommen und dagegen nur Schmerz und Schaden zubereitet habe.

Platon spricht mit Energie, mit allem Stolze der Wissenschaft – von der sogenannten Bescheidenheit der Wissenschaft gegen andere Wissenschaften ist nichts zu finden, noch des Menschen gegen Gott –, mit allem Bewußtsein, wie[37] nahe und eins mit Gott die menschliche Vernunft ist. Man erträgt es, es bei Platon zu lesen, einem Alten, als etwas nicht Präsentem.

a) Dieser Mythus hängt zusammen mit der eigentümlichen Vorstellung der Platonischen Philosophie: nämlich dieser Bestimmung der Unterscheidung der sinnlichen Welt, und wie sich die Vorstellung der Menschen macht, gegen das Bewußtsein des Übersinnlichen, gegen das Bewußtsein der Idee. Und davon haben wir nun näher zu sprechen: von der Natur des Erkennens, den Ideen überhaupt, – Platonische Philosophie selbst. Die Philosophie ist ihm überhaupt Wissenschaft des an sich Allgemeinen. Er drückt dies im Gegensatze gegen das Einzelne so aus: »Ideen«, immer wiederkehrend und darauf zurückkommend.

Näher bestimmte Platon die Philosophen als diejenigen, »welche die Wahrheit zu schauen begierig sind. – Dies ist richtig; aber wie erläuterst du es? – Sokrates: Ich sage dies nicht jedem; du wirst aber darin mit mir übereinstimmend sein. – Worin? – Daß, da das Gerechte dem Ungerechten entgegengesetzt ist, es zwei sind. – Warum nicht? – Ebenso das Schöne dem Häßlichen, das Gute und Böse, und ebenso jedes andere eidos; entgegengesetzt sei, jedes dieser aber für sich eines sei. Dagegen durch die Gemeinschaft mit den Handlungen oder Körpern und mit der Gegenseitigkeit der Beziehung beider aufeinander allent halben erscheint (phantazomena) jedes als ein Vieles. – Du sagst recht. – Ich unterscheide nun hiernach einerseits die Schaulustigen und Künstelustigen und praktischen Menschen, andererseits die, von denen die Rede ist, welche man richtig allein Philosophen nennt. – Wie meinst du das? – Nämlich solche, die gern schauen und hören (philotheamones kai philêkooi), lieben, schöne Stimmen und Farben und Gestalten zu sehen und zu hören, und alles, was aus dergleichen besteht; aber des Schönen Natur selbst ist ihr Gedanke unfähig zu sehen und zu lieben. – So verhält es sich. – Die aber vermögen, auf das Schöne selbst zu gehen und es für sich (kath' hauto) zu[38] sehen, sind diese nicht selten? – Ja, wohl. – Wer nun die schönen Dinge oder gerechten Handlungen für schön hält, nicht aber die Schönheit und die Gerechtigkeit selbst erfaßt, auch sie nicht dafür hält (nomizôn), noch wenn jemand ihn auf die Erkenntnis (gnôsin, Gedanken) derselben führt, folgen kann, – meinst du, daß er das Leben in einem wachen oder einem Traumzustande zubringe?« So sind sie die Nicht-Philosophen, sie gleichen Träumenden. »Sieh nämlich. Ist Träumen nicht dies, wenn einer im Schlaf oder auch im Wachen das mit einer Sache«, dem Schönen oder Gerechten, »nur Ähnliche nicht für etwas ihm Ähnliches, sondern für die Sache selbst hält, der es gleicht? – Ich würde allerdings von einem solchen sagen, daß er träume. – So ist der Wachende dagegen, welcher das Schöne oder Gerechte selbst für das Seiende hält, es zu unterscheiden weiß und dasjenige, was nur Teil daran hat (metechonta), und sie nicht miteinander verwechselt.«

Bleiben wir zunächst beim Ausdruck »Idee« stehen. »Als Platon von der Tischheit und Becherheit sprach (trapezotêta kai kyathotêta), so sagte Diogenes, der Kyniker: Ich sehe wohl einen Tisch, und einen Becher, aber nicht die Tischheit und Becherheit. Richtig, erwiderte Platon; denn Augen, womit man den Tisch und Becher sieht (theôreitai), hast du wohl, aber womit man Tischheit und Becherheit sieht, – den Geist hast du nicht« (noun ouk echeis).

Was Sokrates begann, ist von Platon vollführt. Er erkennt nur das Allgemeine, die Idee, das Gute als das Wesenhafte. Durch die Darstellung seiner Ideen hat Platon die Intellektualwelt eröffnet. Sie ist nicht jenseits der Wirklichkeit, im Himmel, an einem anderen Orte, sondern sie ist wirkliche Welt; wie auch bei Leukipp: das Ideelle ist der Wirklichkeit nähergebracht, nicht metaphysisch. Aber nur das ist das Seiende in der Welt, was das an und für sich Allgemeine[39] ist. Das Wesen der Ideen ist die Ansicht, daß nicht das sinnlich Existierende das Wahre ist, sondern allein das in sich bestimmte Allgemeine, – die Intellektualwelt das Wahre, Wissenswerte, überhaupt das Ewige, an und für sich Göttliche ist. Die Unterschiede sind nicht seiende, sondern nur vorübergehende. Das Absolute des Platon, als das in sich Eine und mit sich Identische, ist konkret in sich; es ist eine Bewegung, ein Zurückgehen in sich selbst und ewiges Beisichsein. Die Liebe zu den Ideen ist das, was Platon Enthusiasmus nennt.

In dieser Bestimmung der Philosophie sehen wir schon überhaupt sogleich, was die soviel besprochenen Platonischen Ideen sind. Die Idee ist nichts anderes als das Allgemeine, und daß dies Allgemeine nicht als das formell Allgemeine genommen wird, wie die Dinge nur teil daran haben oder (wie wir es ausdrücken) nur Eigenschaften der Dinge sind, sondern indem dies Allgemeine als das an und für sich selbst Seiende, als das Wesen genommen wird, als dasjenige, was nur ist, was nur Wahrheit hat. Der Mißverstand der Platonischen Ideen geht nach zwei Seiten: die eine für das Denken, welches formal ist und allein das Sinnliche für Realität hält. Für ein solches Vorstellen gibt es kein Sein als das sinnliche oder als sinnlich vorgestellte. Wenn nun Platon von dem Allgemeinen als dem Wesen spricht, so fällt α) dies ein, daß das Allgemeine nur als Eigenschaft uns gegenwärtig ist, oder daß β) Platon aber auch dies Allgemeine als Substanzen nimmt, als Wesen an ihm selbst, – jene halten Schatten (das Sinnliche) für wahr; daß also α) dies Allgemeine weder Eigenschaft ist, noch, β) auch ein bloßer Gedanke, der in uns, in unserem Verstande ist, sondern γ) das Seiende, Substanz außer uns. Wenn dann Platon den Ausdruck gebraucht, die sinnlichen Dinge seien dem, was an und für sich ist, ähnlich oder die Idee sei Muster, Vorbild, so werden denn diese Ideen zu einer Art von Dingen, die in einem anderen Verstande, in einer außerweltlichen Vernunft, weit von uns entfernt, Bilder sind – wie das Vorbild des[40] Künstlers, nach dem er eine gegebene Materie bearbeitet und es ihr eindrückt –, abgelöst ebenso von dieser sinnlichen gegenständlichen Wirklichkeit, die für Wahrheit gilt, als von der Wirklichkeit des einzelnen Bewußtseins. Sie sind α) zwar nicht geradezu Dinge, die anderswo liegen, die wir nur nicht sehen, aber Vorgestellte, Bilder; β) dasjenige, dessen ursprüngliche Vorstellungen sie sind, ihr Subjekt, tritt außer dem Bewußtsein, es wird selbst nur vorgestellt als ein Anderes des Bewußtseins.

Das zweite Mißverständnis, das in Ansehung der Ideen obwaltet, ist, wenn die Idee nicht außer unserem Bewußtsein verlegt wird, als ob es Ideale unserer Vernunft seien, welche entweder unserer Vernunft notwendig, ihre Erzeugungen aber keine Realität haben, oder etwas, das nicht erreicht werden könne. Wie dort das Jenseits ein außerweltliches Vorstellen ist, so ist es hier unsere Vernunft, als ein solches Jenseits der Realität. Wenn sie auch so genommen werden, daß sie in uns die Formen der Realität, Anschauungen sind, so ist es aber wieder ein Mißverstand, als ob sie ästhetischer Natur wären; so daß sie bestimmt sind als intellektuelle Anschauungen, welche sich unmittelbar geben müssen und entweder einem glücklichen Genie oder auch einem Zustande der Entzückung und Begeisterung angehören, – Einbildungen der Phantasie. Allein dies ist der Sinn Platons und der Wahrheit nicht. Sie sind nicht unmittelbar im Bewußtsein, sondern sie sind im Erkennen. Sie sind nur insofern Anschauungen oder unmittelbar, daß sie das als Resultat in seine Einfachheit zusammengefaßte Erkennen sind; oder die unmittelbare Anschauung ist nur das Moment ihrer Einfachheit. Man hat sie deswegen nicht, sondern sie werden durch das Erkennen im Geiste hervorgebracht. Der Enthusiasmus ist ihre erste unförmliche Erzeugung, aber das Erkennen fördert sie erst in vernünftiger gebildeter Gestalt an den Tag. Aber sie sind ebenso real; sie sind, und sie sind allein das Sein.

Platon unterscheidet deswegen zunächst die Wissenschaft,[41] das Erkennen dessen, was in Wahrheit ist, von dem Meinen. »Ein solches Denken (dianoian) als eines Erkennenden mögen wir mit Recht Erkenntnis (gnômên) nennen; das andere aber Meinung (doxa). Das Erkennen geht auf das, was ist; das Meinen ist ihm entgegengesetzt, aber so, daß sein Inhalt nicht das Nichts ist (dies ist Unwissenheit), es wird etwas gemeint. Das Meinen ist das Mittelding zwischen Unwissenheit und Wissenschaft, sein Inhalt eine Vermischung des Seins und des Nichts. Die sinnlichen Gegenstände, der Gegenstand des Meinens, das Einzelne hat nur teil am Schönen, Guten, Gerechten, am Allgemeinen; aber es ist ebensosehr auch häßlich, schlecht, ungerecht usf. Das Doppelte ist ebenso Halbes. Das Einzelne ist nicht nur groß oder klein, leicht oder schwer, und eins dieser Gegensätze; sondern jedes Einzelne ist sowohl das eine als das andere. Eine solche Vermischung des Seins und Nichtseins ist das Einzelne, der Gegenstand der Meinung«, – eine Vermischung, worin die Gegensätze sich nicht ins Allgemeine aufgelöst haben. Dies ist die spekulative Idee des Erkennens. Zum Meinen gehört die Weise unseres gewöhnlichen Bewußtseins.

b) Beziehung des Erkennens als des Allgemeinen auf das einzelne Bewußtsein. Ehe wir uns noch näher an die Betrachtung des Inhalts (Objekts) des Erkennens wenden (dessen, was an sich ist), müssen wir vorher noch die subjektive Weise desselben näher betrachten (wie das Erkennen oder Wissen als solches nach Platon ist, existiert, d.h. im Bewußtsein ist), und dann die Weise, wie er ist oder in der Vorstellung erscheint, als Seele, – das allgemeine Erkennen als einzelnes, der Vorstellung angehörend. Und hier tritt eben die Vermischung des Vorstellens und des Begriffs ein.

α) Die Quelle, wodurch wir uns des Göttlichen bewußt werden, ist dieselbe als bei Sokrates. Der Geist des Menschen selbst ist diese Quelle; er enthält das Wesentliche selbst[42] in sich. Um das Göttliche kennenzulernen, muß man es aus sich zum Bewußtsein bringen. Platon sagt ferner, die Bildung zu diesem Erkennen sei nicht ein Lernen als solches, sondern die Grundlage sei immanent dem Geiste, der Seele des Menschen; so daß er das, was er so erkennt, aus ihm selbst sich entwickele. Es ist dies schon bei Sokrates bemerkt. Die Erörterung über diese Weise ist bei den Sokratikern überhaupt in der Form der Frage vorgekommen, ob die Tugend gelehrt werden könne. Und dann in Beziehung auf Protagoras, die Sophisten, ob die Empfindung das Wahre sei, – was dann mit dem Inhalte der Wissenschaft sowie mit der Unterscheidung derselben von der Meinung den nächsten Zusammenhang hat. Was wir zu lernen scheinen, ist nichts anderes als Wiedererinnerung. Und es ist ein Gegenstand, auf den Platon oft zurückkomme; vorzüglich behandele er diese Frage im Menon. Er behauptee daselbst in Ansehung des Lernens überhaupt, daß eigentlich nichts gelernt werden könne, sondern das Lernen vielmehr nur eine Erinnerung dessen sei, was wir schon besitzen, wissen, – eine Erinnerung, zu welcher nur die Verlegenheit, in welche das Bewußtsein gebracht werde, die Erregung (Ursache) sei (84).

Oder Platon gibt jener Frage sogleich eine spekulative Bedeutung, worin es um das Wesen des Erkennens, nicht die empirische Ansicht des Erwerbens von Erkenntnis zu tun ist. Lernen nämlich, nach der unmittelbaren Vorstellung von ihm, drückt die Aufnahme eines Fremden in das denkende Bewußtsein aus, – eine Weise der mechanischen Verbindung und Erfüllung eines leeren Raums mit Dingen, welche diesem Raum selbst fremd und gleichgültig sind. Ein solches äußerliches Verhältnis des Hinzukommens, wo die Seele als tabula rasa erscheint (wie im Lebendigen: Hinzukommen von Partikeln), paßt nicht für die Natur des Geistes (ist tot), der Subjektivität, Einheit, Bei-sich-Sein und -Bleiben ist. Platon aber stellt die wahre Natur des Bewußtseins vor, daß es Geist ist, an sich selbst dasjenige, was ihm Gegenstand, oder was es für es wird. Es ist dies der Begriff des[43] wahrhaft Allgemeinen in seiner Bewegung; das Allgemeine, die Gattung ist an ihr selbst ihr eigenes Werden. Sie ist dies, zu dem für sich zu werden, was sie an sich selbst ist; das, was sie wird, ist sie schon vorher; sie ist der Anfang ihrer Bewegung, worin sie nicht aus sich heraustritt. Der Geist ist die absolute Gattung; es ist nichts für ihn, was er nicht an sich selbst ist; seine Bewegung ist nur die beständige Rückkehr in ihn selbst. Lernen ist hiernach diese Bewegung, daß nicht ein Fremdes in ihn hineinkommt, sondern daß nur sein eigenes Wesen für ihn wird oder daß er zum Bewußtsein desselben kommt. (Was noch nicht gelernt hat, ist die Seele, das Bewußtsein, vorgestellt als natürliches Sein.) Was ihn zur Wissenschaft erregt, ist dieser Schein und die Verwirrung desselben, daß sein Wesen ihm als Anderes, als das Negative seiner selbst ist, – eine Weise der Erscheinung, die seinem Wesen widerspricht; denn er hat oder ist die innere Gewißheit, alle Realität zu sein. Indem er diesen Schein des Andersseins aufhebt, begreift er das Gegenständliche, d.h. gibt sich darin unmittelbar das Bewußtsein seiner selbst und komme so zur Wissenschaft. Vorstellungen von den Dingen kommen doch von außen; allerdings von den einzelnen, zeitlichen, vorübergehenden, – nicht aber das Allgemeine, Gedanken. Das Wahrhafte habe im Geiste selbst seine Wurzel und gehöre seiner Natur an; dadurch wird dann alle Autorität verworfen.

In dem einen Sinne ist Erinnerung ein ungeschickter Ausdruck, und zwar in dem, daß man eine Vorstellung reproduziere, die man zu einer anderen Zeit schon gehabt hat. Aber Erinnerung hat auch einen anderen Sinn, den die Etymologie gibt, den: Sich-innerlich-machen, Insichgehen; dies ist der tiefe Gedankensinn des Worts. In diesem Sinne kann man sagen, daß das Erkennen des Allgemeinen nichts sei als eine Erinnerung, ein Insichgehen, daß wir das, was zunächst in äußerlicher Weise sich zeigt, bestimmt ist als ein Mannigfaltiges, – daß wir dies zu einem Innerlichen machen, zu einem Allgemeinen dadurch, daß wir in uns selbst gehen,[44] so unser Inneres zum Bewußtsein bringen. Bei Platon hat jedoch wie nicht zu leugnen ist, der Ausdruck der Erinnerung häufig den empirischen, ersten Sinn.

Diesen wahrhaften Begriff, daß das Bewußtsein an sich selbst dies ist, trägt Platon nun zum Teil in der Weise der Vorstellung und mythisch vor. Es ist schon erwähnt, daß er das Lernen eine Erinnerung nennt. Daß es dies sei, zeigt er im Menon an einem Sklaven, der keine Unterweisung erhalten hatte (82-86): Sokrates fragt ihn und läßt ihn nach seiner eigenen Meinung antworten, ohne ihn etwas zu lehren oder etwas als Wahres zu versichern (beizubringen), und bringt ihn dadurch endlich zum Aussprechen eines geometrischen Satzes vom Verhältnisse des Diameters eines Quadrats zu der Seite desselben. Der Sklave ruft die Wissenschaft nur aus sich selbst hervor, so daß es scheint, er erinnere sich nur an etwas, das er schon gewußt, aber vergessen hatte. Wenn nun Platon hier dies Hervortreten der Wissenschaft aus dem Bewußtsein eine Erinnerung nennt, so komme die Bestimmung dadurch hinein, daß dies Wissen schon einmal wirklich in diesem Bewußtsein gewesen ist, d.h. daß das einzelne Bewußtsein nicht nur an sich, seinem Wesen nach, den Inhalt des Wissens hat, sondern auch als dieses einzelne Bewußtsein, nicht als allgemeines, ihn schon besessen habe. Aber dies Moment der Einzelheit gehört nur der Vorstellung an, dieser Mensch ist das sinnliche Allgemeine; denn Erinnerung bezieht sich auf Diesen als sinnlichen Diesen, nicht als allgemeinen. Erinnerung gehört der Vorstellung an, ist nicht Gedanke. Das Wesen des Hervortretens der Wissenschaft ist deswegen hier vermischt mit Einzelnem, mit der Vorstellung. Es tritt hier das Erkennen in der Form der Seele ein, als des an sich seienden Wesens, des Eins, da die Seele nur Moment des Geistes ist. Und Platon geht hier in das Mythische über (mythisch bildet er dies weiter aus), in eine Vorstellung, deren Inhalt nicht mehr die reine Bedeutung des Allgemeinen, sondern des Einzelnen hat.

Er stellt also jenes Ansichsein des Geistes in der Form eines[45] Vorherseins in der Zeit vor; das Wahrhafte muß also schon zu einer anderen Zeit für uns gewesen sein. Aber zugleich ist zu bemerken, daß er dies nicht als eine philosophische Lehre, sondern in Gestalt einer Sage (Mythos) gibt, welche er von Priestern und Priesterinnen empfangen, die sich auf das, was göttlich ist, verstehen. Ähnliches erzähle auch Pindar und andere göttliche Männer. Nach diesen Sagen sei die Seele des Menschen unsterblich und höre jetzt auf zu sein, was man sterben nenne, und komme wieder ins Dasein (palin gignesthai), gehe aber keineswegs unter. Wenn nun die Seele unsterblich ist und oft wieder hervortritt (Seelenwanderung) und das, was sowohl hier als im Hades – im Unbewußten – ist, und alles gesehen hat, so findet kein Lernen mehr statt, und sie erinnert sich nur dessen, was sie schon weiß, – was nur die Seele ehemals angeschaut habe. Das ist Anspielung auf Ägyptisches. Die Menschen greifen nach der sinnlichen Bestimmtheit: Platon habe statuiert, angenommen. Über so etwas hat Platon gar nicht statuiert. Es gehört gar nicht zur Philosophie, auch ausdrücklich nicht zu der seinigen; nachher noch mehr so von Gott.

β) Im Phaidros ist dann dieser Mythus weiter und glänzender ausgeführt; er bringt eben diesen gewöhnlichen Sinn der Erinnerung herbei, daß der Geist des Menschen das in vergangener Zeit gesehen habe, was sich seinem Bewußtsein vom Wahrhaften, Anundfürsichseienden entwickelt. Es ist ein Hauptbemühen des Platon, zu zeigen, daß der Geist, die Seele, das Denken an und für sich ist und daß dann so diese Bestimmung die Form erhält, in der Behauptung liegt, daß die Wissenschaft nicht gelernt werde, nur sei ein Erinnern dessen, das in dem Geiste, in der Seele als solcher vorhanden sei. Daß die Seele das Denkende und das Denken frei für sich sei, hat bei den Alten, besonders aber bei der Platonischen Vorstellung, einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem, was wir die Unsterblichkeit der Seele nennen. Im [46] Phaidros spricht er davon, um zu zeigen, daß der Eros eine göttliche Raserei und uns zur größten Glückseligkeit gegeben sei. Es ist dies ein Enthusiasmus, der hier eine mächtige, alles überwiegende Richtung auf die Idee hat, – Bewußtsein, Wissen des Idealen, nicht Anschauen, nicht der Enthusiasmus der Brust, der Empfindung. Er sage, er müsse die Natur der göttlichen und menschlichen Seele auseinanderlegen, um den Eros zu zeigen. »Das Erste ist, daß die Seele unsterblich ist. Denn was sich selbst bewegt, ist unsterblich, unvergänglich; was aber seine Bewegung von einem Anderen hat, ist vergänglich. Was sich selbst bewegt, ist Prinzip; denn es hat ja seinen Ursprung und Anfang in ihm selbst und von keinem Anderen. Und ebensowenig kann es aufhören, sich zu bewegen; denn nur das hört auf, was seine Bewegung aus einem Anderen hat.« Platon entwickelt also zuerst den einfachen Begriff der Seele als des sich selbst Bewegenden, die insofern Moment des Geistes. Das eigentliche Leben des Geistes an und für sich ist das Bewußtsein der Absolutheit und Freiheit des Ichs selbst. Das Unsterbliche sei nicht der Veränderung unterworfen.

Wenn wir von der Unsterblichkeit der Seele sprechen, so haben wir dabei häufig und gewöhnlich die Vorstellung daß die Seele wie ein physisches Ding vor uns ist, das Eigenschaften hat, ein Ding mit allerhand Eigenschaften, das verändert wird, – unabhängig von ihm die Eigenschaften. Unter diesen ist auch das Denken, und das Denken ist so bestimmt als Ding, als ob es vergehen, aufhören könnte. Dies ist das Interesse der Vorstellung bei dieser Frage. Bei Platon hängt die Unsterblichkeit der Seele unmittelbar zusammen damit, daß die Seele das Denkende ist; so daß das Denken nicht eine Eigenschaft der Seele ist. Wir meinen, die Seele könne sein, könne bestehen, ohne Phantasie, Denken usf. zu haben; und das Unvergängliche der Seele wird insofern betrachtet als das Unvergängliche[47] eines Dinges, als eines, das so vorgestellt wird, als eines Seienden. Bei Platon hingegen ist die Bestimmung der Unsterblichkeit der Seele von großer Wichtigkeit, insofern das Denken nicht Eigenschaft der Seele ist, sondern ihre Substanz, so daß die Seele dies selbst ist. Es ist wie beim Körper: der Körper ist schwer, dies ist seine Substanz; Schwere ist nicht Qualität, dies, daß er ist, ist nur, insofern er schwer ist. Nimmt man die Schwere fort, so existiert der Körper nicht mehr; nimmt man das Denken fort, so existiert die Seele nicht mehr. Das Denken nun ist die Tätigkeit des Allgemeinen; das Allgemeine aber ist nicht als Abstraktum, ist das Sich-in-sich-selbst-Reflektieren, das Sich-sich-Gleichsetzen. In allen Vorstellungen geschieht dies. Indem nun so das Denken dies Allgemeine ist, das sich in sich reflektiert, in sich selbst bei sich selbst zu sein, so ist es diese Identität mit sich; diese ist aber das Unveränderliche, das Unvergängliche. Veränderung ist, daß das eine zum anderen werde, nicht in dem anderen bei sich selbst ist. Die Seele ist dagegen das Sichselbst-Erhalten im Anderen; z.B. in der Anschauung hat sie es mit Anderem, mit äußerlichem Stoffe zu tun und ist zugleich bei sich. Die Unsterblichkeit hat so bei Platon nicht das Interesse, was sie bei uns in religiöser Rücksicht hat. Sie hängt bei Platon mit der Natur des Denkens, mit der inneren Freiheit des Denkens zusammen, mit der Bestimmung, die den Grund dessen ausmacht, was das Ausgezeichnete der Platonischen Philosophie ist, mit diesem übersinnlichen Boden, dem Bewußtsein, das Platon gegründet hat. Das Erste ist also, daß die Seele unsterblich ist.

Die Idee der Seele darzulegen, fährt er fort, sei eine lange und göttliche Untersuchung; aber eine Ähnlichkeit davon lasse sich menschlicherweise und leichter sagen. – Hier folgt nun der Mythos (Allegorie), in dem es jedoch etwas bunt und inkonsequent hergeht. Er sagt: »Die Seele gleiche der zusammengeeinten Kraft eines Wagens und Fuhrmanns.« Dies Bild spricht uns nicht an. »Die Pferde nun« (Triebe) »der Götter und die Fuhrmänner sind selbst gut und aus[48] Gutem. Unser herrschendes Wesen aber« (der Fuhrmann) »lenkt zuerst den Zügel; dann aber ist eins der Pferde schön und gut und (besteht) aus solchen, das andere aber entgegengesetzt und (besteht) aus Entgegengesetzten. Hierdurch wird ihre Lenkung schwer und widerspenstig. Wie sie nun ein sterbliches und unsterbliches Lebendiges genannt werden, ist zu versuchen zu sagen. Alle Seele bekümmert sich (epimeleitai) um Unbeseeltes und durchwandert den ganzen Himmel, von einer Idee (Art, eidos) in die andere übergehend. Wenn sie vollkommen und geflügelt ist, so ist sie aufrecht (meteôroporei, hat erhabene Gedanken) und ordnet (dioikei) die ganze Welt. Deren Flügel aber sinken, die Seele treibt sich und senkt sich, bis sie etwas Festes (stereou) erlange hat; so nimmt sie einen irdischen Leib an, der sich selbst durch die Kraft jener bewege, und das Ganze heiße ein Lebendiges (zôon, Tier), eine Seele und ein Leib zusammengefügt, und hat die Benennung des Sterblichen.« Das eine ist so die Seele als Denken, das Anundfürsichsein; das andere ist die Verbindung mit einer Materie. Dieser Übergang vom Denken zur Körperlichkeit ist sehr schwierig und für die Alten zu begreifen zu schwer; mehr davon werden wir bei Aristoteles sehen. Aus dem Gesagten könnte man so den Grund der Vorstellung ableiten, die man von dem Platonischen Philosophem gibt, daß die Seele für sich vor diesem Leben schon existiert hat und dann herabfällt in die Materie, sich mit ihr vereinigt, sich damit befleckt, und daß ihre Bestimmung sei, die Materie wieder zu verlassen. Der Zusammenhang, daß das Geistige sich aus sich selbst realisiert, verkörpert, ist ein Punkt, der bei den Alten nicht in seiner Tiefe erörtert ist. Sie haben zwei Abstrakta, die Seele und die Materie, und die Verbindung ise nur in der Form eines Abfalls der Seele ausgesprochen.

»Das Unsterbliche aber«, fährt Platon weiter fort, »wenn wir es nicht nach einem erkennenden Gedanken (oud' ex henos logou lelogismenou),[49] sondern der Vorstellung gemäß (plattomen), wenn wir, nicht einsehend, noch hinreichend begreifend, Gott aussprechen, – das unsterbliche Leben Gottes ist das, was einen Leib und eine Seele hat, die aber auf immer zusammenerzeugt (zusammengenaturt) sind (ton aei chronon sympephykota)«: ein Leib und eine Seele, die an und für sich immer eins sind, nicht äußerlich so gemacht sind. (Seele und Leib sind beides Abstrakta; das Leben aber ist die Einheit von beiden, und Gott ist es als Wesen der Vorstellung ausgesprochen; seine Natur ist dies, Seele und Leib ungetrennt in einem zu haben; dies aber ist die Vernunft, deren Form -die Seele – und deren Inhalt unzertrennt eins an ihnen selbst sind.) Dies ist eine große Definition von Gott, eine große Idee, die übrigens nichts anderes als die Definition neuerer Zeit ist: die Identität der Objektivität und Subjektivität, Untrennbarkeit des Ideellen und Reellen, der Seele und des Leibes. Das Sterbliche, Endliche ist von Platon richtig als das bestimmt, dessen Existenz, Realität nicht absolut adäquat ist der Idee oder bestimmter der Subjektivität.

Nun gibt Platon weiter an (246-251), wie es im Leben des göttlichen Wesens zugeht (beschreibt das Schauspiel, was die Seele vor sich habe) und wie das Abfallen der Flügel von der Seele geschehe: Die Wagen der Götter fahren in Reihen einher; der Heerführer Jupiter führt die Reihe an, auf seinem geflügelten Wagen fahrend. Ihm folgt das Heer der anderen Götter und Göttinnen, in elf Teile geordnet, und sie führen, jeder sein Geschäft vollbringend, die herrlichsten und seligsten Schauspiele auf. Die farb- und gestalt- und gefühllose Substanz der Seele braucht den Gedanken allein als Zuschauer; und so entsteht ihr da die wahre Wissenschaft. Da sieht sie das, was ist (to on), und lebt in der Betrachtung des Wahren, indem sie dem in sich zurückführenden Kreise (von Ideen) folgt. In diesem Kreisen (der Götter) schaut auf sie die Gerechtigkeit, die Mäßigkeit (sôphrosynê) und die Wissenschaft, nicht von dem, was wir Dinge nennen, sondern was in Wahrheit an und für sich selbst ist (to ontôs on[50] ). – Dies ist nun so als ein Geschehenes ausgedrückt. »Wenn die Seele aus dieser Beschauung zurückkommt, so stellt der Fuhrmann die Pferde an die Krippe, speist sie mit Ambrosia und tränkt sie mit Nektar. Dies ist das Leben der Götter. Andere Seelen aber durch Fehler des Fuhrmanns oder der Pferde geraten in Tumult, treten aus jenen himmlischen Gegenden, hören auf, die Wahrheit zu sehen, und nähren sich vom Futter der Meinung und fallen auf die Erde; und je nachdem eine mehr oder weniger gesehen, in einen um so höheren oder geringeren Stand kommt sie hier. In diesem Zustande aber behält sie eine Erinnerung dessen, was sie gesehen, und wenn sie etwas Schönes, Gerechtes usf. erblickt, so gerät sie außer sich, in Enthusiasmus. Die Flügel gewinnen Kraft, und die Seele erinnert sich ihres ehemaligen Zustandes, in welchem sie aber nicht etwas Schönes, etwas Gerechtes usf. erblickte, sondern die Schönheit und Gerechtigkeit selbst.« Das Leben der Götter ist also für die Seele; in dem einzelnen Schönen wird sie ans Allgemeine erinnert. Es liegt hierin dies, daß in der Seele, als in solchem Anundfürsichseienden, die Idee des Schönen, Guten, Gerechten als des Anundfürsichseienden, an und für sich Allgemeinen ist. Dies macht die Grundlage, die allgemeine Basis der Platonischen Vorstellung aus.

Wir sehen hier, in welchem Sinn Platon von der Wissenschaft als einer Erinnerung spricht. Er sagt es ausdrücklich, daß dies nur in Gleichnissen und Ähnlichkeiten gesprochen sei, nicht wie es sonst den Theologen Ernst damit war, zu fragen, ob die Seele vor ihrer Geburt präexistiert habe, und gar auch wo. Es kann von Platon gar nicht aufgeführt werden, daß er diesen Glauben, diese Meinung gehabt hat. Es ist davon bei ihm gar keine Rede, in dem Sinne, wie es bei ihnen die Rede war: nichts von einem Abfalle aus einem vollkommenen Zustande, – daß der Mensch dies Leben als eine Einkerkerung zu betrachten habe; sondern er hat das Bewußtsein, daß dies nur eine gleichnisweise Vorstellung ist. Das, was er als das Wahre ausspricht, ist, daß das Bewußtsein[51] an ihm selbst in der Vernunft das göttliche Wesen und Leben ist; daß der Mensch im reinen Gedanken es anschaut und erkennt und dies Erkennen eben selbst dieser himmlische Aufenthalt und Bewegung ist.

Bestimmter tritt dann das Erkennen in seiner Form als Seele da auf, wo von ihrer Unsterblichkeit die Rede ist. Im Phaidon hat Platon diese Vorstellungen von der Unsterblichkeit der Seele weiter ausgeführt. Was im Phaidros bestimmt als Mythus und als Wahrheit geschieden ist und auch so erscheint, dies erscheine weniger so im Phaidon, dem berühmten Dialoge, worin Platon den Sokrates von der Unsterblichkeit der Seele sprechen läßt. Daß Platon an die Geschichte des Todes des Sokrates diese Untersuchung geknüpft, hat zu allen Zeiten bewundernswürdig geschienen. Es scheint nichts passender, als die Überzeugung von der Unsterblichkeit dem, der im Begriff ist, das Leben zu verlassen, in den Mund zu legen und jene Überzeugung durch diese Szene zu beleben, so wie ein solches Sterben gegenseitig durch sie. Es ist zugleich zu bemerken, daß das Passende auch diesen Sinn haben muß, daß a dem Sterbenden erst eigentlich, ziemt, mit sich statt mit dem Allgemeinen, mit dieser Gewißheit seiner selbst als eines Diesen als mit der Wahrheit sich zu beschäftigen. Wir treffen deswegen hier am wenigsten geschieden die Weise des Vorstellens und des Begriffes; allein dabei ist dieses Vorstellen weit entfernt, zu dieser Roheit herabzusinken, welche die Seele als ein Ding sich vorstellt und in der Weise eines Dings nach seiner Dauer oder seinem Bestehen fragt. Wir finden nämlich den Sokrates in diesem Sinne sprechen, daß dem Streben nach Weisheit, dem einzigen Geschäfte der Philosophie, der Körper, und was sich auf den Körper beziehe, ein Hindernis sei, weil die sinnliche Anschauung nichts rein, wie es an sich ist, zeigt und, was wahr ist, durch Entfernung der Seele vom Körperlichen erkannt werde. Denn die Gerechtigkeit, die Schönheit und dergleichen Gattungen sind allein das in Wahrheit Seiende, das, welchem alle Veränderung und[52] Untergang fremd ist; und es wird nicht durch den Körper, sondern allein in der Seele angeschaut.

Schon in dieser Trennung sehen wir das Wesen der Seele nicht in einer dinglichen Weise des Seins betrachtet, sondern als das Allgemeine. Noch mehr in dem Folgenden, wodurch Platon die Unsterblichkeit beweist. Ein Hauptgedanke hierbei ist der schon betrachtete, daß die Seele schon vor diesem Leben existiert habe, weil das Lernen nur eine Erinnerung ist, und worin dies liegt, daß die Seele schon an sich selbst dies ist, was sie für sich wird. Es muß hierbei nicht an die schlechte Vorstellung angeborener Ideen gedacht werden, -ein Ausdruck, der ein natürliches Sein der Ideen enthält, als ob die Gedanken teils schon fixiert wären, teils ein natürliches Dasein hätten, das nicht erst durch die Bewegung des Geistes sich hervorbrächte. Hauptsächlich aber setzt Platon die Unsterblichkeit darein, daß das Zusammengesetzte der Auflösung und dem Untergange unterworfen sei, das Einfache dagegen auf keine Weise aufgelöst und zerstreut werden könne; was aber immer sich selbst gleich und dasselbe ist, sei einfach. Diese Einfachen, das Schöne und Gute, das Gleiche ist aller Veränderung unfähig, hingegen dasjenige, worin diese Allgemeinen sind, die Menschen, Dinge usf. sind das Veränderliche, das von den Sinnen Aufzunehmende, jenes aber das Unsinnliche: die Seele deswegen, wel che im Gedanken ist und sich an dies als an ein ihr Verwandtes wendet und mit ihm umgeht, muß darum auch selbst dafür gehalten werden, einfacher Natur zu sein.

Hier erhellt dann wieder, daß Platon die Einfachheit nicht als Einfachheit eines Dings nimmt, nicht als diese Einfachheit z.B. eines chemischen Stoffs usf., etwas, das nicht mehr als an sich unterschieden dargestellt werden kann, – die leere abstrakte Identität oder eine abstrakte Allgemeinheit, das Einfache als ein Sein.[53] Endlich ist aber das Allgemeine selbst in der Gestalt eines Seins. Z.B. »eine Harmonie, die wir hören, ist nichts anderes als ein Allgemeines, ein Einfaches, das eine Einheit Verschiedener ist. Diese Harmonie aber ist an ein sinnliches Ding gebunden und verschwindet mit diesem wie die Musik der Flöte mit ihr.« Platon zeigt, daß die Seele auch nicht eine Harmonie auf diese Weise ist; denn diese sinnliche Harmonie ist erst nach dem Dinge, eine Folge desselben, die Harmonie der Seele aber an und für sich vor allem sinnlichen Sein. Die sinnliche Harmonie hat verschiedene Grade der Stimmung, die Harmonie der Seele aber keine quantitativen Unterschiede.

Hieraus erhellt, daß Platon das Wesen der Seele ganz im Allgemeinen erhält und ihre Wahrheit und Sein nicht in sinnliche Einzelheit setzt und die Unsterblichkeit der Seele nicht in dem Sinne der Vorstellung bei ihm genommen werden kann, in welchem wir sie nehmen, als ein einzelnes Ding. Wenn nun auch weiterhin der Mythus vorkommt von dem Aufenthalte der Seele nach dem Tode auf einer anderen, glänzenderen und herrlicheren Erde, so haben wir oben gesehen, was es mit diesem Himmel für eine Beschaffenheit hat.

γ) Was nun die Erziehung und Bildung der Seele anbetrifft, so steht dies mit dem Vorhergehenden in Verbindung. Man muß jedoch den Idealismus des Platon sich nicht als subjektiven Idealismus denken, als jenen schlechten Idealismus, wie er in neueren Zeiten wohl vorgestellt ist, als ob der Mensch überhaupt nichts lerne, nicht äußerlich bestimmt werde, sondern alle Vorstellungen aus dem Subjekt erzeugt werden. Es wird oft gesagt, der Idealismus sei dies, daß das Individuum alle seine Vorstellungen, auch die unmittelbarsten, aus sich erzeuge, alles aus sich setzt. Dies ist jedoch eine unhistorische, ganz falsche Vorstellung; wie dies rohe Vorstellen den Idealismus definiert, so hat es in der Tat[54] unter den Philosophen keine Idealisten gegeben. Der Platonische Idealismus ist ebenso von dieser Gestalt ganz entfernt.

Was nun das Lernen insbesondere anbetrifft, so setzt Platon voraus, daß das, was das wahrhaft Allgemeine ist, die Idee, das Gute, Schöne, vorher im Geiste selbst einheimisch ist und nur aus ihm sich ent wickelt. In seiner Republik (7. Buch) spricht er im Zusammenhang mit dem, was ich schon erwähnt habe, davon, wie die Erziehung, das Lernen beschaffen sei. Er sagt: »Wir müssen von der Wissenschaft und dem Lernen (paideias) dies halten, daß sie nicht so beschaffen sind« (sie seien nicht so vorzustellen), »wie einige dafür ausgeben« (er meint damit die Sophisten), »die von der Bildung sprechen, als ob das Wissen nicht in der Seele enthalten sei, sondern als ob man die Wissenschaft in die Seele so hineinlege, wie in blinde Augen das Sehen gelegt werde«, wie man den Star steche. Diese Vorstellung, daß das Wissen ganz von außen komme, findet sich in neuerer Zeit bei ganz abstrakten, rohen Erfahrungsphilosophen, die behauptet haben, daß alles, was der Mensch vom Göttlichen wisse, für wahr halte, durch Erziehung, durch Angewöhnung in ihn komme, die Seele, der Geist nur die ganz unbestimmte Möglichkeit sei. Das Extrem ist dann die Offenbarung, wo alles von außen gegeben ist. In der protestantischen Religion ist diese rohe Vorstellung in ihrer Abstraktion nicht vorhanden; da gehört zum Glauben wesentlich das Zeugnis des Geistes, d.h. daß der einzelne subjektive Geist an und für sich, in sich diese Bestimmung enthalte, setze, mache, die in Form eines; Äußerlichen, nur Gegebenen an ihn kommt. Platon spricht also gegen jene Vorstellung. Er sagt (dies bezieht sich auf den obigen Mythus, der bloß vorstellt): Die Vernunft lehrt, daß in jedem inwohne das immanente Vermögen seiner Seele; er habe in sich das Organ, mit dem er lernt. Nämlich, wie wenn das Auge nicht anders fähig wäre, als mit dem ganzen Körper sich von der Finsternis an das Helle zu wenden, so müsse man auch mit der ganzen[55] Seele von dem ab, was geschieht, herumgewendet werden, abgewendet von dem, was ein Zufälliges ist, eine zufällige Vorstellung und Empfindung; sie müsse hingewendet werden zu dem, was ist, zu dem Seienden, bis sie fähig ist, dies auszuhalten und die Klarheit, die Helligkeit des Seienden zu schauen. Dies Seiende aber, sagen wir, ist das Gute. Dessen Kunst wäre die Kunst des Unterrichts. »Das Lehren ist so nur die Kunst dieser Heraus(Herum)führung der Seele – und zwar auf welche Weise am leichtesten und wirksamsten einer herumgekehrt würde –, nicht um ihm das Sehen einzusetzen (empoiêsai, hineinzumachen), sondern – indem er es schon hat, aber nicht gehörig in sich gewendet worden ist und nicht die Gegenstände sieht, die er sehen soll – nun dieses zu bewirken. Die anderen Tugenden der Seele stehen dem Körper näher; sie sind nicht vorher in der Seele, sondern kommen durch Übung und Gewohnheit hinein«, können dadurch gestärkt oder geschwächt werden. »Das Denken (to phronêsai) hingegen als ein Göttliches verliert seine Kraft niemals, und durch die Weise des Herumführens wird es nur gut oder böse.«

Dies ist näher das Verhältnis, welches Platon in Rücksicht des Innerlichen und Äußerlichen festsetzt. Uns sind dergleichen Vorstellungen, daß der Geist aus sich bestimmt, das Gute bestimme usf., viel geläufiger; bei Platon aber war es darum zu tun, dies erst festzusetzen.

c) Unterschiede des Erkennens, Weise der Wissenschaft überhaupt nach Platon. Die Wahrheit setzt Platon allein in das, was durch den Gedanken produziert wird. Die Quelle der Erkenntnis ist mehrfach; das Gefühl, die Empfindung, das sinnliche Bewußtsein ist Quelle. Das Erste ist das sinnliche Bewußtsein; dies ist das Bekannte, von dem wir anfangen. Daß dadurch das Wahre gegeben werde, ist eine Vorstellung, der Platon durchaus entgegengesetzt ist, als der Lehre der Sophisten; so sahen wir es beim Protagoras.[56] Beim Gefühl kommt leicht Mißverstand vor. Alles ist im Gefühl, wie jene Platonische mania des Schönen. Das Wahre ist hier in der Weise des Gefühls; das Gefühl als solches ist nur Form. Mit dem Gefühl macht man Willkür zur Bestimmung des Wahren. Was der wahrhafte Inhalt sei, ist nicht durch das Gefühl gegeben; denn da hat aller Inhalt Platz. Auch der höchste Inhalt muß im Gefühl sein; dies ist aber nicht die wahrhafte Weise des Wahren. Gefühl ist das ganz subjektive Bewußtsein. Im Gedächtnis, im Verstande haben, ist uns etwas anderes, als im Herzen, im Gefühl haben, d.h. in unserer innersten Subjektivität, im Ich, im Diesen. Insofern der Inhalt im Herzen ist, sagen wir, ist er erst am wahrhaften Ort; er ist ganz identisch mit unserer besonderen Individualität. Der Mißverstand ist aber, daß ein Inhalt nicht darum der wahrhafte ist, weil er in unserem Gefühle ist. Das ist daher die große Lehre Platons, daß der Inhalt nur durch den Gedanken gefüllt wird; denn er ist das Allgemeine. Das Allgemeine kann nur durch den Gedanken produziert oder gefaßt werden; es ist nur durch die Tätigkeit des Denkens. Diesen allgemeinen Inhalt hat Platon als Idee bestimmt.

Platon bestimmt die Unterschiede in unserem Bewußtsein, in unserem Wissen noch näher. Am Ende des sechsten Buchs der Republik wird der Unterschied des Sinnlichen und Intellektuellen aufgestellt. Im Intelligiblen, Denken, Allgemeinen unterscheidet Platon zwei Weisen: Wissenschaften wie die Geometrie, das ist Denken (dianoia); das reine Denken ist aber noêsis. Das Sinnliche ist wieder doppelt. α) »Im Sinnlichen ist αα) äußerliche Erscheinung, Bilder im Wasser, Schatten, und was in den dichten, glatten, glänzenden und dergleichen Körpern ist. ββ) Die zweite Art begreift dasjenige, dem jenes ähnlich ist: die Tiere, Pflanzen«, diese konkrete Lebendigkeit, »Gefäße, die wir verfertigen« (kai to skeuaston holon genos totum fabricae genus). β) Im Intelligiblen ist auch solcher zwiefacher Inhalt: αα) »Das eine Mal gebraucht die Seele die Bilder jenes Geteilten«[57] (Sinnlichen, Mannigfaltigen), »ist genötigt, von Grundlagen aus zu forschen, indem sie nicht geht auf den Anfang (Prinzip, archên), sondern zum Ende (Resultat). ββ) Die andere Gattung, das in der Seele selbst Gedachte, ist die, wo die Seele von einer Grundlage, Voraussetzung zu einem Prinzip ausgeht, das nicht hypothetisch ist, und ohne die Bilder, die wir zu jenem gebrauchen, durch die Ideen (eidesi) selbst den Weg (methodon) macht. In der Geometrie, Arithmetik und ähnlichen Wissenschaften setzt man voraus das Gleiche und Ungleiche und Figuren und drei Arten von Winkeln und dergleichen. Und indem man von solchen Grundlagen (hypotheseis) ausgeht, so glaubt man nicht nötig zu haben, davon als von einem allen Bekannten Rechenschaft zu geben. Ferner weißt du, daß sie sich der Figuren, die sichtbar sind, bedienen und von ihnen sprechen, obgleich sie nicht dieses nur im Gedanken haben (peri toutôn dianooumenoi), sondern diejenigen, wovon diese nur die Abbilder sind (ekeinôn peri, hois tauta eoike), indem sie ihre Betrachtung (Bestimmungen, logous) um des Vierecks selbst machen und seiner Diagonale willen, nicht um jenes willen, das sie hinzeichnen; und ebenso mit den anderen Dingen.« Man hat bestimmte Figuren vor sich (so verfährt man); die Figuren sind nicht als bestimmte gemeint; mit diesem Dreieck meine ich das Dreieck überhaupt das allgemeine, es ist nicht um das Sinnliche als solches zu tun. »Diejenigen Figuren, welche sie zeichnen und beschreiben (welche auch einen Schatten geben und im Wasser Bild abspiegeln), – das alles gebrauchen sie nur als Bilder und suchen deren Originale zu sehen, die man nicht anders als mit dem Gedanken, Nachdenken (tê dianoia) sieht«, nicht sinnlich; aber ihr Gegenstand ist nicht reines Verstandeswesen. – »Wahrhaftig! – Dieses nun habe ich oben diejenige Gattung des Gedachten (noêtou to eidos) genannt, zu dessen Erforschung die Seele genötigt ist, Hypothesen zu gebrauchen, weil sie nicht auf das Prinzip geht, indem sie nicht über die Hypothesen« (jene Voraussetzungen) »hinausgehen kann, aber diese untergeordneten Bilder gebraucht[58] als Bilder, die jenen vollkommen gleichgemacht und ganz so bestimmt sind. – Ich verstehe, daß du von dem redest, was in Geometrie und anderen dergleichen verwandten Wissenschaften geschieht. – Lerne jetzt den anderen Abschnitt des Gedachten (noêtou) kennen, welchen die Vernunft. (logos) selbst berührt, indem sie durch die Kraft (Vermögen) der Dialektik Hypothesen macht, nicht als Prinzipien, sondern in der Tat (tô onti) nur als Hypothesen, als Auftritte und Ausgangspunkte (epibaseis te kai hormas); damit sie bis zum Voraussetzungslosen (anypothetou), zum Prinzip des Alls gelange (tou pantos archên)«, das an und für sich ist, »es erfasse (hapsamenos) und, wieder das erfassend, was von jenem gefaßt wird, so wieder zum Ende (teleutên) herabsteige, indem sie dabei ganz und gar kein Sinnliches gebrauche, sondern nur die Gattungen selbst, und so durch sie selbst zu ihnen am Ende gelange (tois eidesin autois di' autôn eis auta, kai teleuta eis eidê).« Dies zu erkennen, ist das Interesse und das Geschäft der Philosophie; dies wird vom reinen Gedanken an und für sich erforscht, der sich nur in solchen reinen Gedanken bewegt (noêsis). – »Ich verstehe es, aber noch nicht ganz hinreichend. Du scheinst mir das behaupten zu wollen, daß das, was von der Wissenschaft der Dialektik (tou dialegesthai), vom Seienden und Gedachten betrachtet wird, klarer (saphesteron, richtiger) sei, als was von jenen genannten Wissenschaften, welchen die Hypothesen Prinzipien sind und wo die, welche sie betrachten, genötigt sind, mit dem Verstande (tê dianoia), aber nicht mit den Sinnen zu betrachten. Weil sie nicht auf das absolute Prinzip (archên) überhaupt hinaufsteigen in ihrer Betrachtung, sondern aus Hypothesen spekulieren, so scheinen sie nicht den Gedanken bei diesen Gegenständen selbst zu haben (noun ouk ischein peri auta), ob diese Gegenstände gleich Gedanken sind mit einem Prinzip (noêtôn ontôn archês). Die Verfahrungsweise (Denkweise, hexin) der Geometrie und der ihr verwandten Wissenschaften scheinst du mir Räsonnement (dianoian) zu nennen und[59] hiermit so, daß das Räsonnieren (Schließen, reflektierende Erkennen) zwischen dem nous; und der doxa sich befindet. – Du hast ganz richtig aufgefaßt. Gemäß diesen vier Unterscheidungen will ich die vier Verhaltungsweisen der Seele nennen: α) noêsis, Begreifen, Denken von dem Höchsten (epi tô anôtatô); β) dianoia von dem Zweiten (epi tô deuterô); γ) das Dritte heiße Glaube (pistis)« zu Tieren, Pflanzen, weil sie lebendig, homogener, identischer mit uns, – wahre Meinung; δ) »und das Letzte die Vorstellung oder das bildliche Wissen (eikasia, imaginatio, assimilatio). Das sind Stufen der Wahrheit, Klarheit.«

Platon bestimmt so als erste Weise das Sinnliche; als eine andere Weise bestimmt er die Reflexion, sofern sie das Denken einmischt in das zunächst sinnliche Bewußtsein. Und hier, sage er, ist der Ort, wo die Wissenschaft überhaupt hervortritt; sie beruht auf dem Denken, Bestimmung allgemeiner Prinzipien, Grundlagen, Hypothesen. Diese Hypothesen werden nicht durch die Sinne selbst betrachtet, sind nicht für sich sinnlich; sie gehören allerdings dem Denken an. Aber dies ist so noch nicht die wahrhafte Wissenschaft; diese besteht darin, das Allgemeine für sich selbst, das geistige Allgemeine zu betrachten. Sinnliches Bewußtsein, zunächst sinnliche Vorstellung, Meinung, unmittelbares Wissen, hat Platon unter den Namen doxa begriffen. In der Mitte zwischen der Meinung und der Wissenschaft an und für sich liegt das räsonierende Erkennen, die schließende Reflexion, das reflektierende Erkennen, das sich allgemeine Gesetze, bestimmte Gattungen aus jenem bildet. Das Höchste aber ist das Denken an und für sich, das auf das Höchste gerichtet ist. Dies ist der Unterschied, der bei Platon vornehmlich zugrunde liegt und bei ihm näher zum Bewußtsein gekommen ist.

Von dem Erkennen nun aber zum näheren Inhalt desselben. (Die Idee organisiert sich weiter in sich und setzt sich als[60] besondere Idee, und dieses Besondere macht das Wissenschaftliche, das Systematisieren aus.) Dieser Inhalt fängt bei Platon an, in die drei Teile zu zerfallen, welche wir als spekulative, Natur- und Geistesphilosophie unterscheiden. Die spekulative oder logische Philosophie hieß bei den Alten Dialektik. Und Diogenes Laertios und sonst die philosophischen Geschichtsschreiber der Alten sagen ausdrücklich, daß, nachdem die Ionier der physischen Philosophie, Sokrates der Moralphilosophie ihre Entstehung gegeben, Platon die Dialektik hinzugefügt habe. Es ist dies eine Dialektik, welche nicht eine solche, wie wir sie früher gesehen haben, nicht die der Sophisten, welche die Vorstellungen überhaupt in Verwirrung bringt, sondern die Dialektik, welche sich in reinen Begriffen bewegt, – die Bewegung des Logischen. Das Zweite bei Platon ist eine Art von Naturphilosophie, besonders im Timaios; im Timaios wird die Idee konkreter ausgesprochen. Das Dritte ist die Philosophie des Geistes; in Rücksicht der theoretischen Seite des Geistes ist schon im allgemeinen bemerklich gemacht, wie Platon die Arten des Erkennens unterscheidet, und es ist daher nur noch das Praktische herauszuheben und wesentlich seine Darstellung von einem vollkommenen Staate. Nach diesen drei Unterschieden wollen wir das Nähere der Platonischen Philosophie betrachten.

Nach dieser vorläufigen Bemerkung, worin die Platonische Dialektik besteht, so ist zu bemerken, daß die Platonische Philosophie in ihrem ganzen Inhalte, abgesondert in drei Teile, eigentlich zusammenhängend in den Büchern über die Republik, alsdann dem Timaios enthalten ist, wozu noch Kritias kommen sollte, wovon aber nur der Anfang auf uns gekommen, als eine ideale Geschichte des Menschengeschlechts oder Athens. Alle drei gibt Platon als die Fortsetzung einer Unterredung. Hierzu muß dann noch der Parmenides genommen werden, so macht dies zusammen den ganzen Körper der Platonischen Philosophie aus.[61]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 19, Frankfurt am Main 1979, S. 11-62.
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