1. Empedokles

[343] Die Fragmente von Empedokles sind mehrmals gesammelt. a) Sturz in Leipzig hat über 400 Verse zusammengebracht: Empedocles Agrigentinus. De vita et philosephia eius exposuit,[343] carminum reliquias ex antiquis scriptoribus collegit, recensuit, illustravit, praefationem et indices adiecit Magister Frid. Guil. Sturz, Leipzig (Göschen) 1805 (p. 704). b) Auch Peyron hat eine Sammlung der Fragmente des Empedokles und Parmenides angelegt: Empedoclis et Parmenidis fragmenta etc. restituta et illustrata ab Amadeo Peyron. In Leipzig ist 1810 ein Abdruck davon gemacht worden. Von Ritter findet sich in Wolffs Analecta ein Aufsatz über den Empedokles vor.

Empedokles war aus Agrigent in Sizilien, wie Heraklit ein Kleinasiate. Wir kommen so wieder nach Italien, die Geschichte wechselt zwischen diesen beiden Seiten; von dem eigentlichen Griechenlande, dem Mittelpunkt, gehen noch keine Philosophien aus. Empedokles war um die 70. Olympiade geboren, um die 80. Olympiade (460 v. Chr.) berühmt. Sturz führt Dodwell an: »Annus Parmenidis 65 conveniet Olymp. 85, 2. Proinde Olymp. 75, 2 natalis erit Zenonis, qui fuerit proinde sexennio maior condiscipulo Empedocle. Pythagoras decessit Ol. 77, 1/2 annum duntaxat unicum agente Empedocle.« Nach Dodwell ist Empedokles also Ol. 77, 1 (472 v. Chr.) geboren. Aristoteles sagt: »Er ist dem Alter nach später als Anaxagoras, aber den Taten nach früher.« Es ist unbestimmt, ob er der Zeit nach früher (jünger) philosophiert habe oder (wie es eher scheint) seine Philosophie in Ansehung der Stufe des Begriffs gegen den Begriff des Anaxagoras früher und unreifer ist.

Sonst erscheint er in den Erzählungen von seinen Lebensumständen als ein ähnlicher Wundermann und Zauberer (goês) als Pythagoras. Er genoß während seines Lebens großes Ansehen und Verehrung unter seinen Mitbürgern; sein Ruhm war weit verbreitet, und nach seinem Tode[344] wurde ihm eine Statue in seiner Vaterstadt errichtet. Er lebte nicht getrennt wie Heraklit, sondern in großem Einfluß auf seine Mitbürger und auf die Anordnung der Staatsgeschäfte Agrigents, wie Parmenides in Elea. Er erwarb sich das Verdienst, daß er nach dem Tode des Meton, Beherrschers von Agrigent, es dahin brachte, daß Agrigent sich eine freie Verfassung und gleiche Rechte allen Bürgern gab. Ebenso vernichtete er mehrere Versuche, die von Bürgern Agrigents gemacht wurden, die Herrschaft ihrer Vaterstadt an sich zu reißen; und als die Verehrung seiner Mitbürger so hoch stieg, daß sie ihm die Krone anboten, schlug er sie aus und lebte ferner als ein angesehener Privatmann.

Wie über andere Umstände seines Lebens, so wurde auch viel über seinen Tod gefabelt. Wie er in seinem Leben sich ausgezeichnet betrug, so habe er auch durch seinen Tod sich das Ansehen geben wollen, nicht eines gewöhnlichen Todes gestorben zu sein, als Beweis, daß er nicht ein sterblicher Mensch war, sondern daß er nur hinweggerückt sei. Nach einem Gastmahl sei er entweder plötzlich verschwunden, oder auf dem Ätna sei er mit seinen Freunden gewesen, auf einmal von ihnen nicht mehr gesehen. Was aber aus ihm geworden sei, sei dadurch verraten worden, daß einer seiner Schuhe vom Ätna ausgeworfen und von einem seiner Freunde gefunden worden sei, wodurch also klar geworden sei, daß er sich in den Ätna gestürzt, um sich auf diese Weise dem Anblick der Menschen zu entziehen und die Meinung zu veranlassen, daß er eigentlich nicht gestorben, sondern unter die Götter versetzt worden sei. Der Ursprung und die Veranlassung dieser Fabel scheint in einem Gedichte zu liegen, worin sich mehrere Verse finden, die, allein genommen, viel Anmaßung aussprechen. Er sagt: »O Freunde, die ihr die große Burg am gelben Akragas bewohnet, in trefflichen Werken euch übend, seid gegrüßt! Ich bin euch ein unsterblicher[345] Gott und kein sterblicher Mensch mehr. Ich gehe umher von allen geehrt, von Diademen bekränzt und grünenden Kronen. Wenn ich in blühende Städte komme, werde ich ebenso von Männern und Weibern geehrt. Es folgen mir Tausende, fragend, welches der Weg sei zum Heil; andere bedürfend der Weissagungen, andere mannigfaltiger Krankheiten heilende Rede erkundend. Aber was halte ich darauf, als ob ich etwas Großes tue, daß ich so unter den sterblichen verderbenden Menschen verweile.« Aber der Zusammenhang dieser Ruhmredigkeit ist: Ich bin hochgeehrt, aber was hat dies für Wert. Es spricht der Überdruß der Ehre bei den Menschen aus ihm.

Empedokles hat Pythagoreer zu Lehrern gehabt, ist mit ihnen umgegangen. Er wird daher zuweilen zu den Pythagoreern gerechnet wie Parmenides und Zenon, was aber weiter keinen anderen Grund hat. Es fragt sich, ob er zu dem Bunde gehört hat; seine Philosophie hat kein pythagoreisches Aussehen. Auch wird er Mitschüler Zenons genannt.

In Ansehung seiner Philosophie sind uns zwar mancherlei einzelne physikalische Gedanken sowie paränetische Ausdrücke erhalten worden; in ihm scheint das Eindringen des Gedankens in die Realität und das Erkennen der Natur mehr Ausbreitung und Umfang gewonnen zu haben. Aber wir finden in ihm weniger spekulative Tiefe als in Heraklit, sondern den sich mehr in die reale Ansicht versenkenden Begriff, – eine Ausbildung der Naturphilosophie oder Naturbetrachtung. In Ansehung des bestimmten Begriffs, welcher sie beherrscht und in ihr wesentlich hervorzutreten anfängt, so ist es die Vermischung, Synthesis. Als Vermischung ist es zuerst, daß sich die Einheit Entgegengesetzter darbietet. Die Einheit Entgegengesetzter (der Begriff, der sich in Heraklit auftat) in ihrer Ruhe ist für die Vorstellung als Vermischung, ehe der Gedanke das Allgemeine erfaßt. Er[346] ist der Urheber der gemeinen Vorstellung, die auch auf uns gekommen, die vier physikalischen Elemente – Feuer, Luft, Wasser, Erde – als Grundwesen anzusehen. Die Chemiker verstehen ein chemisch Einfaches unter Element; so gehen die vier Elemente nicht mehr.

Seine Gedanken will ich nun kurz angeben; aus seiner Philosophie ist nicht viel zu machen. Das viele Einzelne, was berichtet wird, fassen wir in den Zusammenhang eines Ganzen zusammen.

Kurz ist sein allgemeiner Gedanke von Aristoteles so zusammengefaßt: »Empedokles hat zu den drei«, Feuer, Luft, Wasser, die vorher, jedes von diesem oder jenem, als Prinzip betrachtet wurden, »noch die Erde als das Vierte hinzugesetzt und gesagt, diese seien es, die immer bleiben und nicht werden, sondern nur nach dem Mehr oder Weniger vereinigt und geschieden in Eins zusammengehen und aus Einem kommen.« Kohlenstoff, Metalle usw. sind nichts an und für sich Seiendes, was bleibt und nicht wird; so ist nichts Metaphysisches dabei beabsichtigt. Bei Empedokles ist dies aber der Fall: jedes Ding entstehe durch irgendeine Art der Verbindung der vier. Diese vier Elemente in unserer gewöhnlichen Vorstellung sind nicht jene sinnlichen Dinge, wenn wir sie als allgemeine Elemente betrachten; denn sinnlich betrachtet, gibt es noch andere verschiedene sinnliche Dinge. Alles Organische z.B. ist anderer Art; ferner Erde als eine, als einfache reine Erde ist nicht, sondern sie ist in mannigfacher Bestimmtheit. Indem wir von den vier Elementen hören, so liegt darin die Erhebung der sinnlichen Vorstellung in den Gedanken.

In Ansehung des abstrakten Begriffes ihres Verhältnisses zueinander sagt Aristoteles weiter, daß Empedokles (ebenso wie Heraklit), und zwar zuerst, nicht nur die vier Elemente als Prinzipien gebraucht habe, sondern auch »Freundschaft und Feindschaft«. Wir haben diese bei Heraklit schon gesehen;[347] es erhellt unmittelbar, daß sie anderer Art sind: sie sind eigentlich etwas Allgemeines. Es kommen bei ihm die vier Naturelemente als die realen und als die ideellen Prinzipien Freundschaft und Feindschaft vor; so hat er sechs Prinzipien. Ich führe die Bemerkungen an, die Aristoteles hierüber macht.

α) »Wenn man dies in seiner Konsequenz und nach dem Verstande nehmen wolle, nicht bloß wie Empedokles davon stammelt, so werde man sagen, daß die Freundschaft das Prinzip des Guten, die Feindschaft aber das Prinzip des Bösen sei, so daß man gewissermaßen sagen könne, Empedokles setze, und zwar zuerst, das Böse und das Gute als die absoluten Prinzipien, weil das Gute das Prinzip alles Guten, das Böse das Prinzip alles Bösen ist.« Aristoteles zeigt die Spur des Allgemeinen darin auf. Ihm ist es nämlich, wie notwendig, um den Begriff des Prinzips zu tun, das an und für sich selbst ist. Dies aber ist nur der Begriff oder der Gedanke, der unmittelbar an ihm selbst für sich ist (was an sich ist, ist nicht für sich, sondern für ein Anderes, wie in der Formeinheit des Seins und Nichtseins); solches Prinzip haben wir noch nicht gesehen, sondern erst bei Anaxagoras. Aristoteles vermißte schon das Prinzip des Guten bei Heraklit, und er wollte es daher gern bei Empedokles finden. Unter dem Guten ist das zu verstehen, was Zweck an und für sich selbst ist, das schlechthin in sich Feste. Es ist schon mehrmals bemerkt, daß Aristoteles bei den alten Philosophen ein Prinzip der Bewegung vermißte; er sagt, man kann die Veränderung nicht begreifen aus dem Sein. Dies Prinzip haben wir nun bei Heraklit in der Bewegung des Werdens gefunden. Aber ein noch tieferes Prinzip nennt Aristoteles das Umweswillen, den Zweck; das Gute ist das, was um seiner selbst willen ist. Der Zweck ist der Begriff der an und für sich feststeht, der sich selbst bestimmt; so ist er das Wahre, das schlechthin für sich ist, wodurch alles andere ist. Drücken wir den Zweck (das Gute) als das Wahre aus, so hat es noch die Bestimmung des Tätigen, des Sichvollführens,[348] des Selbstzwecks, des Begriffs, der an und für sich ist, – Zweck, der sich für sich bestimmt und zugleich so die Tätigkeit ist, sich hervorzubringen; so ist er die Idee, der Begriff, der sich objektiviert und in seiner Objektivität mit sich identisch ist. Aristoteles vermißt bei Heraklit das Prinzip des Zwecks, des Sichgleichbleibenden, des Sicherhaltens; er polemisiert so gegen Heraklit stark, weil da nur Veränderung ist, ohne Zurückgehen, ohne Zweck. Dies glaubt er nun hier zu finden; aber zugleich sagt er, Empedokles stammele nur.

ß) Die zwei allgemeinen Prinzipien, Vereinen und Trennen, sind sehr wichtige Denkbestimmungen. Aber Aristoteles sagt ferner über das nähere Verhältnis und die Bestimmung dieser Prinzipien, tadelt, daß »Empedokles diese Prinzipien der Freundschaft und Feindschaft: weder durchgreifend gebraucht, noch auch in ihnen selbst ihre Bestimmtheit festhält (exeuriskei to homologoumenon), denn häufig scheidet bei ihm die Freundschaft, und die Feindschaft vereinigt; denn wenn das All durch die Feindschaft in die Elemente auseinandertritt, so wird dadurch das Feuer in Eins vereinigt und ebenso jedes der anderen Elemente«. Die Trennung ist ebenso notwendig Vereinigung. Das Getrennte, auf einer Seite zu stehen Kommende ist selbst ein in sich Vereintes, – seine Selbständigkeit. Die Scheidung der Elemente, welche im All verbunden sind, ist Vereinigung der Teile jedes Elements unter sich. »Wenn aber alles durch Freundschaft wieder in eins zusammengeht, ist notwendig, daß aus jedem Selbständigen seine Teile wieder ausgeschieden werden.« Denn es sind viele, vier: es steht also in verschiedener Beziehung. Das Ineinswerden ist selbst ein Vielfaches, ein Geschiedenes; also ist das Zusammengehen zugleich ein Scheiden. Dies ist der Fall überhaupt mit aller Bestimmtheit, daß sie das Gegenteil an ihr selbst sein und als solches sich darstellen muß. Es ist eine tiefe Bemerkung, daß überhaupt keine Einigung ohne Trennung, keine Trennung ohne Einigung ist; Identität und Nicht-Identität sind solche Denkbestimmungen,[349] aber sie können nicht getrennt werden. Es ist ein Tadel des Aristoteles, der in der Natur der Sache liegt. Aristoteles merkt an: »Empedokles ist der erste gewesen« (Empedokles ist jünger als Heraklit), »der solche Prinzipien aufgestellt hat, indem er das Prinzip der Bewegung nicht als Eines setzte, sondern verschiedene und entgegengesetzte.«

γ) Daß die realen Momente die bekannten vier Elemente sind, ist schon gesagt. Aber Aristoteles sagt ferner: »Er gebraucht sie ebenso nicht als vier« Gleichgültige nebeneinander, wie wir vier sagen, ohne Verhältnis zueinander, »sondern im Gegensatze als zwei; das Feuer für sich und die anderen als eine Natur (hôs mia physei), – Erde, Luft, Wasser.« Das Interessanteste wäre die Bestimmung ihres Verhältnisses.

δ) Was das Verhältnis der zwei ideellen Momente, Freundschaft und Feindschaft, und der vier realen Elemente betrifft (wie dies Ideelle sich realisiert), so stammelte er hierüber, wie Aristoteles sich ausdrückt. Er hat sie nicht gehörig unterschieden, sondern sie koordiniert, – kein vernünftiges Verhältnis; so daß sechs Elemente bei ihm erscheinen (wie Sextus oft von den sechs Elementen des Empedokles spricht) in Versen, die uns Aristoteles und Sextus aufbewahrt:


Mit der Erde sehn wir die Erde, mit Wasser das Wasser,

Mit Luft göttliche Luft, und mit Feuer das ewige Feuer,

Mit der Liebe die Liebe, den Streit mit traurigem Streite.


So sehen wir sie häufig nebeneinander als seiend von gleicher Würde aufgezählt; aber es versteht sich von selbst, daß Empedokles beide Weisen, die reale und ideale, auch unterschied und den Gedanken als die Beziehung jener aussprach.[350]

Durch Teilnahme an ihnen werden sie für uns. Darin liegt die Vorstellung, daß der Geist, die Seele selbst die Einheit, dieselbe Totalität der Elemente ist, – sich nach dem Prinzip der Erde zur Erde, nach dem des Wassers zum Wasser, nach dem der Liebe zur Liebe usf. verhält. Indem wir Feuer sehen, so ist es dies Feuer in uns, für welches das objektive Feuer ist usf.

Über das Verhältnis dieser realen Momente ist schon gesagt, daß er das Feuer auf die eine Seite und die drei anderen als den Gegensatz hiervon auf die andere Seite stellte. Und auch den Prozeß dieser Elemente erwähnt er, aber er hat ihn weiter nicht begriffen; sondern dies ist das Auszeichnende, daß er ihre Einheit als eine Vermischung vorstellt. In dieser synthetischen Verbindung – oberflächliche, begrifflose Beziehung, zum Teil Bezogen-, zum Teil auch Nichtbezogensein – kommt nun notwendig der Widerspruch vor, daß einmal die Einheit der Elemente gesetzt ist, das andere Mal ebenso ihre Trennung, – nicht die allgemeine Einheit, worin sie als Momente sind, in ihrer Verschiedenheit selbst unmittelbar eins und in ihrer Einheit unmittelbar verschieden, sondern diese beiden Momente, Einheit und Verschiedenheit, fallen auseinander. Vereinigung und Scheidung sind die ganz unbestimmten Verhältnisse.

Aristoteles führt α) an: »Es ist nichts eine Natur, sondern allein eine Mischung und Trennung des Gemischten. Sie wird Natur nur von den Menschen genannt.« Dasjenige nämlich, woraus etwas ist, als aus seinen Elementen oder Teilen, nennen wir noch nicht Natur, sondern die bestimmte Einheit derselben; z.B. die Natur eines Tieres ist seine bleibende, wesentliche Bestimmtheit, seine Gattung, seine Allgemeinheit, – es ist dies ein Einfaches. Allein die Natur in diesem Sinne hebt Empedokles auf. Denn jedes Ding ist nach ihm[351] die Vermischung einfacher Elemente; es selbst also ist nicht das Allgemeine, Einfache, Wahre an sich, – nicht wie wir es ausdrücken, wenn wir es Natur nennen. Aristoteles nennt Natur, daß sich etwas nach seinem Selbstzwecke bewegt; in späterer Zeit ist diese Vorstellung freilich schon mehr verlorengegangen.

β) Indem die Elemente also so einfach an sich Seiende sind, so wäre eigentlich kein Prozeß derselben gesetzt; denn im Prozesse eben sind sie zugleich nur verschwindende Momente, nicht an sich Seiende. So an sich wären sie unveränderlich, oder sie können sich nicht zu einem Eins konstituieren; denn in dem Eins eben hebt sich ihr Bestehen (oder ihr Ansichsein) auf. Aber dies Eins ist eben von ihm gesetzt: die Dinge bestehen aus diesen Elementen; es ist darin zugleich ihre Einheit gesetzt. Mit Recht sagt Aristoteles, daß Empedokles sich selbst und der Erscheinung widerspreche, denn das eine Mal behauptet er, daß keines der Elemente aus dem anderen entspringe, sondern alles andere aus ihnen; zugleich aber läßt er sie in ein Ganzes durch die Freundschaft werden und aus diesem Einen wieder durch den Streit. »So werden durch bestimmte Unterschiede und Eigenschaften das eine Wasser, das andere Feuer usf. Wenn nun die bestimmten Unterschiede weggenommen werden (und sie können weggenommen werden, da sie entstanden – nicht an sich – sind), so ist offenbar, daß Wasser aus Erde und umgekehrt entsteht.« Denn das, woraus die Elemente sind, ist z.B. ebenso in seiner Einheit Wasser, und die Erde, die daraus hervorgeht, geht aus dem Wasser hervor. Insofern das Eins nicht Eins, ist also Wasser + Erde + Luft + Feuer; so soll's auch nicht sein, sondern Eins. Indem sie in Eins werden, so ist ihre Bestimmtheit, das, wodurch Wasser Wasser ist, nichts an sich; dies widerspricht aber dem, daß sie die absoluten Elemente sind oder daß sie an sich sind.[352] Sie sind nicht an sich; d.h. sie sind übergehend in ein Anderes, »so daß es nicht deutlich (adêlon), ob er eigentlich das Eine oder das Viele zum Wesen gemacht«. Die wirklichen Dinge betrachtete er als eine Vermischung der Elemente, gegen deren Ursprünglichkeit er aber auch wieder alles aus Einem durch die Freundschaft und Feindschaft entspringend sich denkt. Dies ist die Natur des synthesierenden Vorstellens überhaupt, dies das gewöhnliche Gedankenlose, jetzt die Einheit, dann die Vielheit festzuhalten und beide Gedanken nicht zusammenzubringen; Eins ist aufgehoben und auch nicht Eins.

Dies sind die Hauptmomente. Empedokles ist mehr poetisch als bestimmt philosophisch; er ist nicht von großem Interesse. Empedokles' Synthesis gehört zum Heraklit, als eine Vervollständigung des Verhältnisses. Heraklits spekulative Idee ist auch in der Realität überhaupt als Prozeß; aber die einzelnen Momente sind nicht als Begriffe gegeneinander, nicht in der Realität. Empedokles' Begriff der Synthese macht sich noch bis diesen Tag geltend.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 18, Frankfurt am Main 1979, S. 343-353.
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