D. Philosophie der Skeptiker

[358] Der Skeptizismus vollendete die Ansicht der Subjektivität alles Wissens und setzte allgemein an die Stelle des Seins im Wissen den Ausdruck des Scheinens. Die letzte Spitze ist der Skeptizismus: die Form des Seienden und des Wissens des Seienden wird ganz zunichte gemacht. Skeptizismus ist Philosophie, die jedoch nicht System genannt werden kann, noch sein will. Vor ihm haben die Menschen großen Respekt.

Dieser Skeptizismus erscheint nun allerdings als etwas ganz Imponierendes. Der Skeptizismus hat zu allen Zeiten, und noch jetzt, für den furchtbarsten Gegner der Philosophie gegolten und für unbezwinglich, indem er die Kunst sei, alles Bestimmte aufzulösen, es in seiner Nichtigkeit zu zeigen; so daß es gleichsam scheint, er werde für an sich unbezwinglich gehalten und der Unterschied gleichsam nur darein gelegt, daß der Einzelne sich gleichsam für ihn oder für eine positive dogmatische Philosophie entschließe. Sein Resultat ist allerdings die Negation, die Auflösung des Bestimmten, Wahren, alles Inhalts. Die Unbezwinglichkeit des Skeptizismus ist auch allerdings zuzugeben, indessen nur als subjektiv in Rücksicht auf das Individuum; dies kann sich so stellen, daß es keine Notiz nimmt von der Philosophie, kann sich auf dem Standpunkte halten, nur das Negative zu behaupten, – aber dies ist nur subjektive Unbezwinglichkeit. Der Skeptizismus scheint so etwas zu sein, dem man sich ergebe; und man hat die Vorstellung, daß man einem, der sich ihm so in die Arme werfe, gar nicht beikommen könne, und der[358] andere nur darum ruhig bei seiner Philosophie bleibe, weil er keine Notiz vom Skeptizismus nehme, – was er eigentlich tun sollte, da er doch eigentlich nicht zu widerlegen sei. Wenn in der Tat ihm nur entgangen würde, so wäre er nicht bezwungen, sondern er bliebe seinerseits bestehen, und er hätte die Oberhand. Denn die positive Philosophie läßt ihn neben ihr stehen; er hingegen greift über sie über, er weiß sie sich zu überwinden, – sie hingegen ihn nicht.

In der Tat kann einer, wenn er schlechterdings ein Skeptiker sein will, nicht überwunden werden, oder er kann nicht zur positiven Philosophie gebracht werden, – sowenig als einer, der an allen Gliedern paralytisch ist, zum Stehen zu bringen ist. Eine solche Paralyse ist in der Tat der Skeptizismus, – eine Unfähigkeit der Wahrheit, die nur bis zur Gewißheit selbst, aber nicht des Allgemeinen kommen kann, nur im Negativen und im einzelnen Selbstbewußtsein stehenbleibt. Sich in der Einzelheit zu halten, ist eben der Wille eines Einzelnen; davon kann ihn keiner abhalten, aber so einer kann nicht allein sein. Allerdings kann man aus dem Nichts niemand heraustreiben. Ein anderes ist aber der denkende Skeptizismus, welcher dieses ist, von allem Bestimmten und Endlichen aufzuzeigen, daß es ein Wankendes ist. Die positive Philosophie kann über ihn dies Bewußtsein haben: sie hat das Negative des Skeptizismus in ihr selbst, er ist nicht ihr entgegengesetzt, nicht außer ihr, sondern ein Moment derselben, aber das Negative in seiner Wahrheit, wie es der Skeptizismus nicht hat.

Näher ist nun das Verhältnis des Skeptizismus zur Philosophie dies, daß derselbe die Dialektik alles Bestimmten ist. Von allen Vorstellungen vom Wahren kann die Endlichkeit aufgezeigt werden, da sie eine Negation, somit einen Widerspruch in sich enthalten. Und das gewöhnliche Allgemeine, Unendliche ist nicht hierüber erhaben; denn das Allgemeine, was dem Besonderen, das Unbestimmte, was dem Bestimmten, das Unendliche, was dem Endlichen gegenübersteht, ist eben auch nur bestimmt, – es ist nur die eine Seite und, als[359] solche, bestimmt. So ist denn der Skeptizismus gegen das verständige Denken gerichtet, welches die bestimmten Unterschiede als letzte, als seiende gelten läßt. Der logische Begriff ist ebenso selbst diese Dialektik; denn die wahrhafte Kenntnis der Idee ist diese Negativität, die im Skeptizismus ebenso einheimisch ist. Und der Unterschied liegt nur darin, daß die Skeptiker bei dem Resultat als einem Negativen stehenbleiben: dies und dies hat einen Widerspruch in sich, also löst es sich auf, also ist es nicht. Dies Resultat ist so das Negative; aber das Negative selbst ist wieder eine einseitige Bestimmtheit gegen das Positive, d.h. der Skeptizismus verhält sich nur als Verstand. Er verkennt, daß diese Negation ebenso affirmativ ist, ein bestimmter Inhalt in sich; denn es ist Negation der Negation, näher die unendliche Affirmation, die sich auf sich beziehende Negativität. Dies ist ganz abstrakt das Verhältnis der Philosophie zum Skeptizismus. Die Philosophie ist dialektisch, diese Dialektik ist die Veränderung: die Idee als abstrakte Idee ist das Träge, Seiende, aber sie ist nur wahrhaft, insofern sie als lebendige sich faßt; dies ist, daß sie dialektisch in sich ist, um jene Ruhe, jene Trägheit aufzuheben. Die philosophische Idee ist so in sich dialektisch, und nicht nach Zufälligkeit; der Skeptizismus dagegen übt seine Dialektik aus nach Zufälligkeit, – wie ihm der Stoff, der Inhalt gerade vorkommt, zeigt er auf, daß er in sich das Negative sei.

Es muß alter Skeptizismus vom neuen unterschieden werden, wir haben es nur mit jenem zu tun; er ist wahrhafter, tiefer Natur. Der neue Skeptizismus ist eher Epikureismus; d.h. Schulze in Göttingen und andere legen zugrunde: man müsse für wahr halten das sinnliche Sein, was das sinnliche Bewußtsein uns gebe; an allem anderen aber müsse man zweifeln, was wir meinen, sei das Letzte, – Tatsachen des Bewußtseins. Das ist Subjektivität, – heute nicht Skeptizismus, – Eitelkeit des Bewußtseins; diese ist allerdings unüberwindlich,[360] – nicht der Wissenschaft, Wahrheit, sondern sich, der Subjektivität. Denn sie bleibt dabei stehen: dies gilt mir für wahr, meine Empfindung, mein Herz ist mir das Letzte. Hier ist nur von Gewißheit die Rede, nicht von Wahrheit. Mit der Überzeugung dieses einzelnen Subjekts ist nichts gesagt, es ist aber Hohes damit ausgesprochen: wie man sagt, die Wahrheit soll auf der andern Seite doch auch nur Überzeugung des anderen sein, die eigene Überzeugung soll aber hoch sein, oder diese ist auch ein Nur; – einmal muß man dies Subjekt bei seinem Hochmut, dann bei seiner Demut stehenlassen. Das Resultat des Skeptizismus ist auch nur Subjektivität des Wissens; diese ist aber auf entwickelnde denkende Zunichtemachung alles als wahr und seiend Geltenden begründet, – daß alles unbeständig.

Was nun zunächst zu betrachten, ist die äußerliche Geschichte des Skeptizismus. Die Entstehung des Skeptizismus ist sehr alt, wenn wir ihn im ganz unbestimmten, allgemeinen Sinne nehmen. Die Ungewißheit des Sinnlichen ist eine alte Überzeugung ebenso unter dem unphilosophischen Publikum als unter den bisherigen Philosophen. Die Skeptiker haben diese Stellung auch geschichtlich aufgewiesen. Skeptizismus im allgemeinen Sinn ist, daß man sagt: Die Dinge sind veränderlich; sie sind, aber ihr Sein ist nicht wahrhaft, es setzt sich ebenso ihr Nichtsein. Z.B. heute ist heute, heute ist auch morgen usf.; jetzt ist es Tag, aber jetzt ist auch Nacht usf. Von dem, was man so als Bestimmtes gelten läßt, sagt man so auch das Gegenteil. Wenn man nun sagt, alle Dinge sind veränderlich, so sind die Dinge zuerst möglich, verändert zu sein, – aber nicht nur möglich. Sondern, daß alles veränderlich ist, heißt in seiner Allgemeinheit genommen in der Tat so viel: Es ist nichts an sich, sondern sein Wesen ist, sich aufzuheben; sie sind an ihnen selbst veränderlich, es ist ihre Notwendigkeit. Jetzt nur sind sie so, in einer anderen Zeit sind sie anders; und diese Zeit, das Jetzt, ist selbst nicht mehr, indem ich von ihm spreche, – die Zeit ist selbst nicht fest und macht nichts fest. Diese Negativität aller Bestimmung[361] macht das Charakteristische des Skeptizismus aus. Als philosophisches Bewußtsein ist der Skeptizismus aber später. Unter Skeptizismus ist zu verstehen ein gebildetes Bewußtsein, dem teils nicht nur das sinnliche Sein nicht für Wahres gilt, sondern auch das gedachte; alsdann mit Bewußtsein sich Rechenschaft zu geben weiß von der Nichtigkeit dieses als wahr und Wesen Behaupteten; endlich auf allgemeine Weise nicht nur dies und jenes Sinnliche oder Gedachte, sondern gebildet ist, in allem seine Unwahrheit zu erkennen.

Das Geschäft des Skeptizismus ist unrecht als eine Lehre vom Zweifel ausgedrückt. Zweifeln ist nur die Ungewißheit, ein entgegengesetzter Gedanke gegen etwas Geltendes, – Unentschlossenheit, Unentschiedenheit. Zweifel enthält leicht Zerrissenheit des Gemüts und Geistes, er macht unruhig; es ist Zweiheit des Menschen in sich, er bringt Unglück. Die Situation des Zweiflers war in der Poesie bei uns Hauptmoment. Das setzt tiefes Interesse an den Inhalt voraus und Verlangen des Geistes, daß dieser Inhalt in ihm befestigt werde oder nicht: entweder das eine oder das andere ist. Zweifel ist Schlaffheit, um zu nichts zu kommen; es soll den feinen scharfsinnigen Denker bekunden, ist aber Eitelkeit, Quäkelei. Heutzutage ist der Skeptizismus ins Leben getreten, – diese allgemeine Negativität. Der alte Skeptizismus zweifelt nicht, sondern er ist der Unwahrheit gewiß; er irrlichtert nicht nur mit Gedanken hin und her, die die Möglichkeit lassen, daß dies doch noch wahr sein könnte, sondern er beweist mit Sicherheit die Unwahrheit. Oder sein Zweifeln ist ihm Gewißheit, hat nicht die Absicht, zur Wahrheit zu gelangen, läßt nicht unentschieden, sondern ist schlechthin Entschiedenheit, vollkommen fertig; dies Entschiedene ist ihm aber nicht eine Wahrheit, sondern die Gewißheit seiner selbst. Es ist Ruhe, Festigkeit des Geistes in sich, – nicht mit einer Trauer.

Vorher Geschichte des Skeptizismus. Die Geschichte des eigentlich sogenannten Skeptizismus wird gewöhnlich mit[362] Pyrrhon angefangen; daher auch der Name Pyrrhonismus. Es ist schon erinnert, daß er im unbestimmten Sinne älter. Die Skeptiker selbst, z.B. Sextus Empiricus, aber sprechen davon, daß er sehr alt sei. Sextus Empiricus, der Hauptschriftsteller über den Skeptizismus, fängt geschichtlich von demselben zu sprechen an. Im unbestimmten Sinne führen nämlich die Skeptiker an, schon Homer sei ein Skeptiker gewesen, weil er von denselben Dingen auf entgegengesetzte Weise spreche. Hierher rechnen sie dann Bias mit seinem Wahlspruch: Verbürge dich nicht (dies hat den allgemeinen Sinn: Halte nicht irgend etwas für etwas, halte dich überhaupt nicht an irgend etwas, dem du dich hingibst, man solle nicht glauben an die Festigkeit irgendeines Verhältnisses, Gegenstandes usf.); so die negative Seite der Xenophanischen, Parmenideischen Philosophie; Heraklit mit seinem Prinzip, daß alles fließe, alles mithin widersprechend und vergänglich sei; Platon und die Akademie, nur daß er hier noch nicht ganz rein ausgedrückt sei. Alles dies kann zum Teil als die skeptische Ungewißheit aller Dinge genommen werden. Allein es gehört nicht hierher. Es ist nicht diese bewußte und allgemeine Negativität: nicht diese bewußte, die beweist; allgemeine, die ihre Unwahrheit des Objektiven auf alles ausdehnt; nicht eine Negativität, die bestimmt sagt, daß alles nicht an sich, sondern nur fürs Selbstbewußtsein ist und alles nur in die Gewißheit seiner selbst zurückgeht. Sonst grenzte die Neue Akademie so nahe an den Skeptizismus, daß die Skeptiker genug zu tun hatten, sie sich vom Halse zu halten, und in der skeptischen Schule ein langer wichtiger Streit darüber herrschte, ob Platon und dann die Neue Akademie dem Skeptizismus angehöre oder nicht. Die Skeptiker sind auch sehr sorgfältig, sich von anderen Systemen zu unterscheiden, – so von der Akademie; dieser[363] Unterschied ist weitläufig behandelt. Näheres über den Unterschied von der Neuen Akademie noch nachher.

Pyrrhon also gilt für den Stifter des eigentlichen Skeptizismus. Sextus Empiricus sagt von ihm, daß er körperlicherweise (substantieller, vollständiger) und deutlicher an die Skepsis gegangen sei, mit bestimmtem Bewußtsein, mit bestimmtem Ausdruck. Er ist älter als mehrere der schon Betrachteten. Allein indem der Skeptizismus überhaupt zusammenzufassen ist, so ist der gebildetere Skeptizismus, der sich mehr gegen das Gedachte richtet, später; erst dieser hat eigentliches Aufsehen gemacht und gehört dem Denken an. Der Skeptizismus des Pyrrhon geht gegen die unmittelbare Wahrheit teils des Sinnlichen sowie des Sittlichen, – nicht diese Wahrheit als gedachte; wie weiterhin sich näher ergeben wird.

Was seine Lebensumstände anbetrifft, so sehen sie ebenso skeptisch aus als seine Lehre; es ist wenig Sicheres bekannt. Pyrrhon gehört in Aristoteles' Zeit, war aus Elis gebürtig. Ich will die Namen seiner Lehrer nicht anführen; besonders wird darunter Anaxarch, ein Schüler Demokrits erwähnt. Wo er eigentlich gelebt hat, wenigstens den größten Teil, ist nicht zu bestimmen. Die Umstände seines Lebens sind ohne Zusammenhang. Als ein Beweis, wie sehr er während seines Lebens in Achtung gestanden, wird angeführt, daß seine Vaterstadt ihn sogar zum Oberpriester erwählt und die Stadt Athen ihm das Bürgerrecht geschenkt habe. Endlich wird erwähnt, daß er Alexander den Großen auf seinem Zuge nach Asien begleitet habe; dort wird ihm viel mit den Magiern und Brahmanen zu tun gemacht. Man erzählt, Alexander habe ihn hinrichten lassen, weil er den Tod eines persischen Satrapen verlangt haben soll; und dieses Schicksal habe ihn in seinem 90. Jahre betroffen. Ist dieses alles so gegründet, so muß, da Alexander etwa zwischen 12 und 14[364] Jahren in Asien zubrachte, also Pyrrhon frühstens noch im 78. Jahre sich zur Reise dahin aufgemacht haben. Pyrrhon scheint nicht als öffentlicher Lehrer aufgetreten zu sein, sondern nur einzelne, von ihm gebildete Freunde hinterlassen zu haben. Von ihm hießen die Skeptiker auch Pyrrhonier, ohne daß er doch eine Schule (hairesis) gestiftet; eine eigentliche Schule lag auch nicht in der Manier, im Geiste des Skeptizismus. Sextus sagt: Skeptizismus ist nicht Häresis, Wahl für Dogmen, sondern nur eine Agoge (agôgê), äußere Häresis nur im weitläufigeren Sinne; mehr eine Anleitung, recht zu leben, richtig zu denken – nicht ein Vorzug für gewisse Dogmen –, Anleitung zum Skeptizismus. Mehr als von seinen Lebensumständen werden Anekdoten von seinem persönlichen skeptischen Betragen erzählt, worin dasselbe lächerlich gemacht werden soll; wo denn das Allgemeine des Skeptizismus gegen einen besonderen Fall gesetzt wird, so daß inkonsequent scheinende Verhältnisse und an solche das Widersinnige als von sich selbst einwuchert, – das Verhalten für sich selbst als widersinnig erscheint. Weil er nun behauptete, die Realität der sinnlichen Dinge habe keine Wahrheit, so erzählt man z.B., daß er im Gehen keinem Gegenstande, keinem Pferde oder Wagen, das auf ihn zurannte, aus dem Wege gegangen oder auch auf eine Wand geradezu losmarschiert sei, in dem gänzlichen Unglauben an die Gewißheit sinnlicher Empfindung und dergleichen; und daß nur seine Freunde, die ihn umgaben, ihn immer vor solchen Gefahren weggezogen und gerettet hätten. Das fällt aber weg, wenn er 90 Jahr alt nach Asien ging; dergleichen Anekdoten sind töricht, weil es nicht denkbar ist, daß er so hätte dem Alexander folgen können. Man sieht aber zum Teil wohl sogleich, daß solche Anekdoten bloß erdichtet sind, um seine Philosophie zu persiflieren, diese Geschichten den Zweck haben, das skeptische Prinzip[365] in seinem Extreme, in Konsequenzen zu zeigen, um den Skeptizismus lächerlich zu machen. Den Skeptikern gilt allerdings das sinnliche Sein, aber als Erscheinung, sich im Leben danach zu betragen, nicht aber, es für Wahrheit zu halten. Sextus Empiricus sagt von den Neuakademikern, eine ihrer Lehren sei gewesen, man müsse sich im Leben betragen nicht nur nach den Regeln der Klugheit, sondern auch nach den Gesetzen der sinnlichen Erscheinung.

Nach Pyrrhon ist besonders Timon der Phliasier, der Sillograph berühmt geworden. Von seinen Sillen, d.h. bissigen Einfällen über alle Philosophien, werden viele von den Älteren angeführt; bitter sind und schmähend sie wohl, aber viele eben nicht sehr witzig und des Aufhebens wert. Der Dr. Paul hat sie in einer Dissertation gesammelt; aber es ist viel Unbedeutendes darunter. Goethes und Schillers ähnliche Sachen sind allerdings geistreicher.

Die Pyrrhonier verschwinden hierauf, scheinen überhaupt mehr oder weniger nur vereinzelt vorhanden gewesen zu sein. Und den Peripatetikern, Stoikern und Epikureern sehen wir in der Geschichte lange mehr nur die Akademiker gegenüberstehen, und was von älteren Skeptikern etwa auch erwähnt wird.

Den Skeptizismus erweckte insbesondere erst Ainesidemos wieder, ein Gnossier aus Kreta, der zu Ciceros Zeiten in Alexandrien lebte, welches bald mit Athen um den Sitz der Philosophie und der Wissenschaften zu wetteifern anfängt. In folgenden Zeiten verliert sich die Akademie in den Skeptizismus, die ohnedem nur noch eine dünne Scheidewand von ihm trennt; und wir sehen den Skeptizismus herrschend, als die negative Seite. Pyrrhons Skeptizismus zeigt noch nicht viel Bildung und Richtung auf den Gedanken, sondern geht nur gegen das Sinnliche; ein solcher Skeptizismus konnte bei der Bildung der Philosophie als[366] Stoizismus, Epikureismus, Platonismus usf. kein Interesse haben. Und daß der Skeptizismus erst mit der Würde auftrat, die der Philosophie angemessen ist, dazu gehört, daß er selbst nach der Seite der Philosophie ausgebildet wurde; dies hat nun Ainesidemos getan.

Einer der berühmtesten Skeptiker, dessen Werke wir großenteils noch haben, der bei weitem wichtigste für uns, ist jedoch Sextus Empiricus, von dessen Leben uns leider so gut als gar nichts bekannt ist. Er hieß Empiricus, weil er ein Arzt war. Daß er ein empirischer Arzt war, der nicht nach der Theorie, sondern nach dem, was scheint, handelte, lehrt uns sein Name. Ausführliche Darstellungen dieses Philosophierens haben wir von ihm. Er lebte, lehrte ungefähr in der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christus. Seine Werke teilen sich in zwei Partien: 1. Seine Pyrrhonianae hypotyposes in drei Büchern geben uns mehr eine allgemeine Darlegung des Skeptizismus überhaupt; 2. von seinen Büchern Adversus mathematicos – d.h. gegen die Wissenschaft überhaupt, speziell gegen die Geometrie, Arithmetik, Grammatiker, Musiker, Logik, Physik und Ethik –, in allem elf, sind sechs wirklich gegen die Mathematiker gerichtet, die anderen fünf aber gegen die Philosophen.

In dem, was die Philosophie oder vielmehr die Manier der Skeptiker ausmacht, trennt sich ebenso dasjenige, was dem Skeptizismus des Pyrrhon und der älteren angehört, von dem, was die neueren zu dieser Manier hinzugefügt haben, wie bei der näheren Betrachtung zu sehen sein wird.

Schon ist der Unterschied zwischen der Akademie und dem Skeptizismus berührt worden, – eine Materie, welche von Skeptikern viel bearbeitet worden. Ein Hauptsatz des Skeptizismus ist, daß man seine Zustimmung zurückhalten müsse. Der Unterschied von der neueren Akademie ist nur in der Form des Ausdrucks. Weither ist dieser Unterschied eben nicht und gründet sich überhaupt auf die Sucht der Skeptiker, alle Art von behauptendem (dogmatischem) Ausdrucke abzuschneiden und zu vermeiden: daß ihnen in dem, was sie[367] von dem Skeptizismus sagen, kein Sein, kein Aussprechen eines Seins aufgezeigt werden könne; so daß sie z.B. in einem Satze statt Sein immer Scheinen (phainesthai) setzen. Sie sagen: »Nichts bestimmen (ouden horizein); alles ist falsch«, oder »Nichts ist wahr; ouden mallon hält der Skeptiker auch nicht dafür, sagt sich auch von sich selbst.« Die Neue Akademie des Karneades sagt nicht irgend etwas als das Wahre und Seiende aus oder als etwas, dem das Denken zustimmen könne. Die Skeptiker stehen so der Akademie sehr nahe. Der reine Skeptizismus setzt so an der Akademie nur aus, daß sie noch unrein sei, indem sie sage, solches Zustimmen sei ein Übel, die Zurückhaltung des Beifalls aber ein Gut, – weil sie sagen, es sei, und nicht, es scheine; deshalb haben sie sich nicht hervorgehoben zur Reinheit der Skepsis. Es ist dies aber nichts als eine bloße Form; denn der Inhalt hebt das, was in der Form läge, was wie behauptend aussähe, sogleich auf. Wenn wir sagen, »es ist etwas ein Gut, das Denken stimmt ihm zu«, und fragen wir, »aber was ist das Gut, was ist das, dem das Denken zustimmt, als wahr setzt«, so ist der Inhalt hier dies, daß es nicht zustimmen solle; also die Form ist, »es ist ein Gut«, aber der Inhalt ist, daß man nicht etwas für gut, für wahr gelten lassen soll. So setzen sie auch aus, daß die Akademiker, wie erwähnt, sagen, man müsse eine Wahrscheinlichkeit der anderen vorziehen in bezug auf Wahrheit, als ob eine Vorstellung mehr oder weniger Wahrheit habe oder die Wahrscheinlichkeit das eine dem anderen vorziehbar mache. Die Skeptiker hingegen sprechen weder jenes Sein aus (sie wollen das ist noch in scheint verwandelt wissen), noch unterscheiden sie eine Vorstellung von der anderen in bezug auf den Grund, auf Wahrheit, sondern jede ist ihnen insofern gleich, – eine ebensowenig ein solches, das als wahr ausgesagt werden kann, als das andere. Vorziehen ist so eine von den Formen, die die Skeptiker auch angreifen; solche Ausdrücke[368] klangen noch zu positiv. Es war dies ein Streit, mit dem sie sich viel herumgetrieben haben.

Der Zweck des Skeptizismus aber ist nun im allgemeinen, daß dem Selbstbewußtsein aus dem Verschwinden alles Gegenständlichen, für wahr Gehaltenen, Seienden oder Allgemeinen, alles Bestimmten, alles Affirmativen, sowohl insofern es als Sinnliches wie auch insofern es als Gedanke bestimmt ist, und durch die Epoche der Zustimmung, die Unbeweglichkeit und Sicherheit des Gemüts, diese Ataraxie seiner selbst hervorgehe; und es ist so dasselbe Resultat, was wir bei den nächsten früheren Philosophien gesehen haben. Sobald also etwas dem Selbstbewußtsein für Wahrheit gilt, es sei sinnliches Sein oder gedachtes, so ist es daran gebunden, es ist ihm Wesen, – ein Allgemeines, über es Hinausgehendes, gegen das es sich das Nichtige ist; und wenn dann dieses Feste verschwindet, so verliert das Selbstbewußtsein sich selbst, – seinen Halt. Seine Ruhe ist das Bestehen seines Seienden und Wahren. Aber dies fremde und bestimmte Wahre ist nicht das Ansichseiende, es ist seine Notwendigkeit, zu wanken und zu weichen; und das Selbstbewußtsein verliert damit selbst sein Gleichgewicht und wird in Unruhe, Furcht und Angst umhergetrieben. Das skeptische Selbstbewußtsein aber ist eben diese Befreiung von aller Wahrheit dieses Seins und davon, sein Wesen in etwas der Art zu setzen; die Skepsis hatte den Zweck, daß alles Bestimmte, als Endliches, ihm nicht gelte. Zur Unbeweglichkeit, zur Freiheit des Selbstbewußtseins gehört, an nichts gebunden zu sein, damit es sein Gleichgewicht nicht verliere; denn gebunden an etwas gerät es in Unruhe. Denn nichts ist fest, jeder Gegenstand ist veränderlich und unruhig, und so kommt das Selbstbewußtsein selbst in Unruhe. Die Skepsis hat so den Zweck, diese bewußtlose Befangenheit aufzuheben, worin das natürliche Selbstbewußtsein befangen ist, den bewußtlosen Dienst unter einem solchen, und, insofern[369] der Gedanke sich in einem Inhalte befestigt, ihn von solchem im Gedanken festen Inhalt zu heilen. Das Selbstbewußtsein läßt für sich selbst alles dergleichen Sein verschwinden, und aus diesem Wanken alles Endlichen, alles Objektiven geht ihm seine subjektive Befreiung, seine einfache Sichselbstgleichheit hervor, – eine Ataraxie, welche durch Vernunft erworben wird und nur durch Vernunft erworben werden kann. Die Reflexion über das, was wir bewußtlos sind, der Gedanke ist es, der das zum Bewußtsein bringt, was von Neigungen, Gewohnheiten usf. im Menschen ist, was er ist, – dies aber zugleich auflöst, indem es sich an sich selbst widerspricht; dies bringt der Gedanke zum Bewußtsein. Und »so entsteht die Ataraxie, die dem Wanken alles Endlichen wie der Schatten dem Körper folgt«; diese Gleichheit, Unabhängigkeit, diese Ruhe tritt aus jenem Wanken mit dem Gedanken unmittelbar von sich selbst ins Bewußtsein über. Sextus Empiricus vergleicht diese Ataraxie damit, »wie Apelles, als er ein Pferd malte und den Schaum durchaus nicht herausbringen konnte, endlich ärgerlich darüber den Schwamm, woran er den Pinsel ausgewischt hatte und worin so alle Farben vermischt waren, gegen das Bild warf und damit eine treue Abbildung des Schaumes traf. So finden auch die Skeptiker in der Vermischung alles Seienden und aller Gedanken die Sichselbstgleichheit des Selbstbewußtseins, die Ruhe, das Wahre, die Ataraxie.« – Es ist diese Gleichgültigkeit, welche die Tiere von Natur haben und welche durch Vernunft zu besitzen den Menschen von den Tieren unterscheidet. »Pyrrhon zeigte so einst auf dem Schiffe während eines Sturmes seinen Gefährten, die zagten, ein Schwein, das ganz indifferent dabei blieb und ruhig fortfraß, mit den Worten: In solcher Ataraxie müsse auch der Weise stehen«, – aber sie müsse nicht schweinisch sein, sondern aus der Vernunft geboren.[370]

Was also die Natur des Skeptizismus ausmacht, ist dieses aus dem Seienden und Gedachten in seine Einfachheit zurückkehrende Selbstbewußtsein. Was als Seiendes und Gedachtes galt, galt ihnen daher nur für ein Erscheinendes oder eine Vorstellung; aber es galt ihnen als eine solche, nach der der Skeptiker sich in seinem Betragen, Tun und Lassen richtete. Die oben angeführten Anekdoten von Pyrrhon sind dem zuwider, was die Skeptiker hierüber sagten. Sie richteten sich allerdings nach dem, was sie sahen, hörten, nach dem Recht und den Gesetzen, die galten, nach dem, was die Klugheit erforderte, aber es hatte nicht die Bedeutung einer Wahrheit für sie, sondern nur einer Gewißheit, einer subjektiven Überzeugung, welche nicht den Wert eines Anundfürsichseienden hat.

Der Skeptizismus hieß auch pyrrhonische Philosophie, und ephektische Skepsis von skeptein suchen, forschen. Man muß skepsis nicht übersetzen: Lehre des Zweifels oder Zweifelsucht. Skeptizismus ist nicht ein Zweifel. Zweifel ist gerade das Gegenteil der Ruhe, die das Resultat desselben ist. Zweifel kommt von Zwei her, ist ein Hin- und Herwerfen zwischen zweien und mehreren; man beruhigt sich weder bei dem einen noch bei dem anderen, – und doch soll man sich bei dem einen oder bei dem anderen beruhigen. Z.B. Zweifel über die Unsterblichkeit der Seele, über das Dasein Gottes; vor 40 Jahren schrieb man viel darüber, machte, wie z.B. im Messias, Schilderungen von dem Unglück des Zweifels, man will da seine Ruhe haben in dem einen oder dem anderen. Der Skeptizismus dagegen ist gleichgültig gegen eins sowie gegen das andere; dies ist der Standpunkt der Ataraxie des Skeptizismus.

Der Skeptizismus verhält sich also gegen alles, was die Form des Allgemeinen und des Seins hat, negativ, – eines Allgemeinen, das ein Gedachtes der Stoiker ist, ein bestimmter[371] Begriff, ein Inhalt in einer einfachen Form des Gedankens; gegen das Seiende der sinnlichen Gewißheit überhaupt, der es unbefangen als das Wahre gilt, oder den Epikureismus, der es mit Bewußtsein als das Wahre behauptet. (Insofern der Skeptizismus sich hierauf beschränkt, so ist er ein Moment der Philosophie selbst, die, ebenso negativ gegen beides gerichtet, es nur als ein Aufgehobenes als wahr erkennt. Allein der Skeptizismus meint, er reiche noch weiter; er hat die Prätention, sich an die Idee zu wagen und die spekulative Idee zu überwinden. Allein diese hat den Skeptizismus selbst als Moment in ihr und ist wieder über ihn hinaus.) Gegen beides kann er nun freilich siegen; aber die Idee ist weder eins noch das andere, und das Vernünftige berührt er gar nicht. Dies ist der ewige Mißverstand mit dem Skeptizismus für diejenigen, die die Natur der Idee nicht kennen: daß sie meinen, das Wahre falle notwendig in die eine oder die andere Form, – entweder ein bestimmter Begriff oder ein bestimmtes Sein. Gegen den Begriff als Begriff, absoluten Begriff, geht der Skeptizismus nicht; der absolute Begriff ist vielmehr seine Waffe, nur daß er kein Bewußtsein darüber hat. – Teils werden wir jene Waffe gegen das Endliche sehen, teils auch, wie er sich an dem Vernünftigen versucht.

Die allgemeine Weise des Skeptizismus war also nun näher, daß er sich, wie Sextus es ausdrückt, »für eine Kraft ausgibt, das Empfundene und das Gedachte sich auf irgendeine Weise entgegenzusetzen« (Empfundenes ist es nach der epikureischen Form, Gedachtes nach der stoischen, unmittelbares Bewußtsein und denkendes Bewußtsein, – beide Klassen befassen alles, was auf irgendeine Weise entgegenzusetzen ist): »es sei das Sinnliche dem Sinnlichen und das Gedachte dem Gedachten oder das Sinnliche dem Gedachten oder das Gedachte dem Sinnlichen entgegenzusetzen«, – d.h. einen Widerspruch derselben gegeneinander aufzuzeigen oder von allem Bestimmten »zu zeigen, daß irgendeins soviel Wert und Gültigkeit hat als sein Entgegengesetztes«,[372] oder für Überzeugung und Nichtüberzeugung gleichgültig ist; so daß das nächste Resultat ist: beides gilt auch, also ist jedes nur ein Scheinen, – »wodurch also die Epoche« (die Zurückhaltung des Beistimmens, etwas als wahr gelten zu lassen) »entsteht und aus ihr dann die Freiheit von aller Bewegung des Gemüts.« Und hiernach drückt der Skeptizismus sich immer aus: Das scheint nur so. Aber die Skeptiker gehen weiter als die Anhänger des neueren rein formellen Idealismus; sie haben es mit dem Inhalt zu tun und zeigen von allem Inhalt, er sei ein empfundener oder gedachter, daß er ein ihm Entgegengesetztes habe. Sie zeigen also in demselben den Widerspruch auf, daß von allem, was aufgestellt wird, auch das Entgegengesetzte gilt; dies ist das Objektive des Skeptizismus bei seinem Scheinen, – nicht subjektiver Idealismus. »So wird z.B. Sinnliches gegen Sinnliches gesetzt, indem daran erinnert wird, daß derselbe Turm in der Nähe viereckig, in der Entfernung rund aussieht«, also eins so gut als das andere gesagt werden könne. Dies ist nun zwar ein triviales Beispiel; aber es kommt auf den Gedanken an, der darin ist. »Oder es wird das Gedachte dem Gedachten entgegengesetzt. Daß es eine Vorsehung gebe«, die das Gute belohnt, das Böse bestraft, »dafür beruft man sich auf das System der himmlischen Körper; dem wird entgegengesetzt, daß es den Guten oft schlecht geht, den Bösen aber glücklich, wodurch wir zeigen, daß es keine Vorsehung gibt«, – jenes aber dem, der behaupten würde, es gebe keine Vorsehung. Bei dem »Entgegensetzendes Gedachten gegen das Sinnliche« wird die Bestimmung des Anaxagoras aufgeführt, der von dem Schnee, obschon er als weiß erscheint, aus Gründen, Gedanken behaupte, er sei schwarz; denn er sei gefrorenes Wasser, Wasser aber habe keine Farbe, sei also schwarz, mithin müsse dies auch der Schnee sein.[373]

Das Nähere, wie die Skeptiker verfahren, ist nun zu betrachten. Das Allgemeine ist, daß sie jedem Bestimmten, Behaupteten, Gedachten sein Anderes entgegensetzen; und dies nun haben sie in gewisse Formen gebracht. Man kann, der Natur des Skeptizismus nach, kein System von Sätzen fordern; es werden nur allgemeine Formen, Methoden dieser Entgegensetzung gezeigt. Da es Zufälligkeit ist, was irgend sich für Gedanken zeigen, so ist auch zufällig die Art und Weise, sie anzugreifen, – allgemeine Weisen; der Widerspruch in einem erscheint so, in anderem anders.

Näher gebrauchten die Skeptiker, als bestimmte Weisen dieses Entgegensetzens, gewisse, nicht Sätze, sondern Tropen, Wendungen, wodurch die Zurückhaltung zustande komme. Es sind eigentliche Wendungen, Formen, die auf alles Gedachte und Empfundene angewendet werden, um zu zeigen, daß es nicht an sich, sondern nur in einer Relation auf Anderes so ist, daß es also selber in ein Anderes scheint und dieses Andere in sich scheinen läßt, daß also überhaupt, was ist, nur scheint, – unmittelbar aus der Sache selbst, nicht aus einem Anderen, als wahr Gesetzten. Z.B. sagt man, die empirische Wissenschaft habe keine Wahrheit, weil diese nur in der Vernunft sei, so ist nur das Gegenteil vorausgesetzt; auch die Wahrheit der Vernunft, an ihr selbst erwiesen, ist nicht eine Widerlegung; denn diese steht so neben jener mit gleichem Rechte an und innerhalb dieser selbst. Die skeptische Lehre besteht in diesen Tropen, Kunst, Widerspruch aufzuzeigen. Diese Wendungen brauchen wir also nur zu beleuchten.

Die Skeptiker selbst (Sextus) unterscheiden in diesen Formen ältere und neuere: zehn an der Zahl, die den älteren Skeptikern angehören, und fünf (oder sieben) den neueren. Es wird aus ihren Angaben erhellen, daß jene älteren gegen das gemeine Bewußtsein überhaupt gerichtet sind und einem wenig gebildeten Denken angehören, – einem Bewußtsein,[374] welches zunächst das sinnlich Seiende vor sich hat. Sie gehen gegen das, was wir den gemeinen Glauben an die unmittelbare Wahrheit der Dinge nennen, und widerlegen sie auf ebenso unmittelbare Weise, nicht durch den Begriff, sondern das entgegengesetzte Sein. Sie haben auch in ihrer Aufzählung diese Begriffslosigkeit. Die fünf späteren aber haben mehr Interesse. Sie gehen gegen die Reflexion, auf ein Bewußtsein, welches sich auf den ausgebildeten Verstand bezieht, gegen wissenschaftliche Kategorien, – gegen das Gedachtsein des Sinnlichen, gegen die Bestimmung desselben durch Begriffe. Z.B. jene gegen ein ist: dies ist ein Viereckiges; diese gegen: dies Ding ist eins. Wenn uns nun auch die meisten jener ganz trivial vorkommen können, so müssen wir sie uns doch schon gefallen lassen, da sie geschichtlich sind und sodann wesentlich gegen die Form »es ist« gerichtet sind. Das ist aber ohne Zweifel ein hohes abstraktes Bewußtsein, welches sich diese abstrakte Form »es ist« zum Gegenstand setzt und sie bekämpft. Diese Tropen sehen sehr trivial und gemein aus, aber noch trivialer und gemeiner ist die Realität der sogenannten äußeren Objekte, das unmittelbare Wissen: »Blau ist, dies ist Gelb«; man muß gar nicht vom Philosophieren sprechen wollen, wenn neugierig so was behauptet wird. Der Skeptizismus war wesentlich davon entfernt, die Dinge der unmittelbaren Gewißheit für wahr zu halten. In neuerer Zeit hat Schulze in Göttingen sich breit gemacht mit seinem Skeptizismus; er hat auch einen Ainesidemos geschrieben und hat auch in anderen Werken den Skeptizismus ausgelegt im Gegensatz gegen Leibniz und Kant. In diesem modernen Skeptizismus wird angenommen, daß das, was in unserem unmittelbaren Bewußtsein ist, alles Sinnliche ein Wahres sei. Die Skeptiker haben gelten lassen daß man sich danach richten müsse; es aber als etwas Wahres auszugeben, ist ihnen nicht eingefallen. Der neuere Skeptizismus ist nur gegen Gedanken, Begriff und Idee gerichtet,[375] also gegen das höhere Philosophische; er läßt also die Realität der Dinge ganz unbezweifelt dastehen und behauptet nur, daß sich daraus nichts für den Gedanken schließen läßt. Das ist aber nicht einmal eine Bauernphilosophie; denn diese wissen, daß alle irdischen Dinge vergänglich sind, daß also ihr Sein ebensogut ist als ihr Nichtsein. Dagegen richtet sich der alte Skeptizismus, den wir jetzt betrachten, eben gegen die Realität der Dinge. Seine Wendungen sollen jetzt näher angegeben werden.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 19, Frankfurt am Main 1979, S. 358-376.
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Universal-Bibliothek, Nr. 4881: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte
Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft Nr. 612: Georg Wilhelm Friedrich Hegel Werke Band 12: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 18: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie I (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 19: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)
Werke in 20 Bänden mit Registerband: 20: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III (suhrkamp taschenbuch wissenschaft)

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Die Wände. Eine politische Komödie in einem Akte

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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

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