C. Das Maßlose

[442] Das ausschließende Maß bleibt in seinem realisierten Fürsichsein selbst mit dem Momente quantitativen Daseins behaftet, darum des Auf- und Absteigens an der Skala des Quantums fähig, auf welcher die Verhältnisse sich ändern. Etwas oder eine Qualität als auf solchem Verhältnisse beruhend wird über sich hinaus in das Maßlose getrieben und geht durch die bloße Änderung seiner Größe zugrunde. Die Größe ist die Beschaffenheit, an der ein Dasein mit dem Scheine von Unverfänglichkeit ergriffen und wodurch es zerstört werden kann.

Das abstrakte Maßlose ist das Quantum überhaupt als in sich bestimmungslos und als nur gleichgültige Bestimmtheit, durch welche das Maß nicht verändert wird. In der Knotenlinie der Maße ist sie zugleich als spezifizierend gesetzt; jenes abstrakte Maßlose hebt sich zur qualitativen Bestimmtheit auf; das neue Maßverhältnis, in welches das zuerst vorhandene übergeht, ist ein Maßloses in Rücksicht auf dieses, an ihm selbst aber ebenso eine für sich seiende Qualität; so ist die Abwechslung von spezifischen Existenzen miteinander und derselben ebenso mit bloß quantitativ bleibenden Verhältnissen gesetzt, – so fort ins Unendliche. Was also in diesem Übergehen vorhanden ist, ist sowohl die Negation der spezifischen Verhältnisse als die Negation des quantitativen Fortgangs selbst; das fürsichseiende Unendliche. – Die qualitative Unendlichkeit, wie sie am Dasein ist, war das Hervorbrechen des Unendlichen am Endlichen, als unmittelbarer Überlang und Verschwinden des Diesseits in seinem Jenseits. Die quantitative Unendlichkeit hingegen ist ihrer Bestimmtheit nach schon die Kontinuität des Quantums, eine Kontinuität desselben über sich hinaus. Das[442] qualitativ Endliche wird zum Unendlichen; das quantitativ Endliche ist sein Jenseits an ihm selbst und weist über sich hinaus. Aber diese Unendlichkeit der Spezifikation des Maßes setzt ebensowohl das Qualitative wie das Quantitative als sich ineinander aufhebend und damit die erste, unmittelbare Einheit derselben, welche das Maß überhaupt ist, als In sich zurückgekehrt und damit selbst als gesetzt. Das Qualitative, eine spezifische Existenz, geht in eine andere so über, daß nur eine Veränderung der Größenbestimmtheit eines Verhältnisses vorgeht; die Veränderung des Qualitativen selbst in Qualitatives ist damit als eine äußerliche und gleichgültige und als ein Zusammengehen mit sich selbst gesetzt; das Quantitative hebt sich ohnehin als umschlagend in Qualitatives, das An-und-für-sich-Bestimmtsein auf. Diese so sich in ihrem Wechsel der Maße in sich selbst kontinuierende Einheit ist die wahrhaft bestehenbleibende, selbständige Materie, Sache.

Was hiermit vorhanden ist, ist α eine und dieselbe Sache, welche als Grundlage in ihren Unterscheidungen und als perennierend gesetzt ist. Schon im Quantum überhaupt beginnt dies Abtrennen des Seins von seiner Bestimmtheit; groß ist etwas als gleichgültig gegen seine seiende Bestimmtheit. Im Maße ist die Sache selbst bereits an sich Einheit des Qualitativen und Quantitativen, – der beiden Momente, die innerhalb der allgemeinen Sphäre des Seins den Unterschied ausmachen und wovon das eine das Jenseits des anderen ist; das perennierende Substrat hat auf diese Weise zunächst an ihm selbst die Bestimmung seiender Unendlichkeit. β Diese Dieselbigkeit des Substrats ist darin gesetzt, daß die qualitativen Selbständigkeiten, in welche die maßbestimmende Einheit abgestoßen ist, nur in quantitativen Unterschieden bestehen, so daß das Substrat sich in dies sein Unterscheiden kontinuiert; γ in dem unendlichen Progresse der Knotenreihe ist die Kontinuierung des Qualitativen in das quantitative Fortgehen als in eine gleichgültige Veränderung, aber ebenso die darin enthaltene Negation des[443] Qualitativen und zugleich damit der bloß quantitativen Äußerlichkeit gesetzt. Das quantitative Hinausweisen über sich zu einem Anderen als anderem Quantitativen geht unter in dem Hervortreten eines Verhältnismaßes, einer Qualität, und das qualitative Übergehen hebt sich eben darin auf, daß die neue Qualität selbst nur ein quantitatives Verhältnis ist. Dies Übergehen des Qualitativen und des Quantitativen ineinander geht auf dem Boden ihrer Einheit vor, und der Sinn dieses Prozesses ist nur das Dasein, das Zeigen oder Setzen, daß demselben ein solches Substrat zugrunde liegt, welches ihre Einheit sei.

In den Reihen selbständiger Maßverhältnisse sind die einseitigen Glieder der Reihen unmittelbare qualitative Etwas (die spezifischen Schweren oder die chemischen Stoffe, die basischen oder kalischen, die sauren z.B.), und dann die Neutralisationen derselben (worunter hier auch die Verbindungen von Stoffen verschiedener spezifischer Schwere zu begreifen sind) sind selbständige und selbst ausschließende Maßverhältnisse, gegeneinander gleichgültige Totalitäten fürsichseienden Daseins. Nun sind solche Verhältnisse nur als Knoten eines und desselben Substrats bestimmt. Damit sind die Maße und die damit gesetzten Selbständigkeiten zu Zuständen herabgesetzt. Die Veränderung ist nur Änderung eines Zustandes, und das Übergehende ist als darin dasselbe bleibend gesetzt.

Um die Fortbestimmung, welche das Maß durchlaufen hat, zu übersehen, so fassen sich die Momente derselben so zusammen, daß das Maß zunächst die selbst unmittelbare Einheit der Qualität und der Quantität ist als ein gewöhnliches Quantum, das aber spezifisch ist. Hiermit als [sich] nicht auf Anderes, sondern auf sich beziehende Quantitätsbestimmtheit ist es wesentlich Verhältnis. Daher ferner enthält es seine Momente als aufgehobene und ungetrennte in sich; wie immer in einem Begriffe ist der Unterschied in demselben so, daß Jedes von dessen Momenten selbst Einheit des Qualitativen und Quantitativen ist. Dieser hiermit reale[444] Unterschied ergibt eine Menge von Maßverhältnissen, die als formelle Totalitäten in sich selbständig sind. Die Reihen, welche die Seiten dieser Verhältnisse bilden, sind für jedes einzelne Glied, das als einer Seite zugehörig sich zu der ganzen gegenüberstehenden Reihe verhält, dieselbe konstante Ordnung. Diese, als bloße Ordnung, noch ganz äußerliche Einheit, zeigt sich zwar als immanente spezifizierende Einheit eines fürsichseienden Maßes unterschieden von seinen Spezifikationen; aber das spezifizierende Prinzip ist noch nicht der freie Begriff, welcher allein seinen Unterschieden immanente Bestimmung gibt, sondern das Prinzip ist zunächst nur Substrat, eine Materie, für deren Unterschiede, um als Totalitäten zu sein, d. i. die Natur des sich selbst gleich bleibenden Substrats in sich zu haben, nur die äußerliche quantitative Bestimmung vorhanden ist, die sich als Verschiedenheit der Qualität zugleich zeigt. Die Maßbestimmung ist in dieser Einheit des Substrats mit sich selbst eine aufgehobene, ihre Qualität ein durch das Quantum bestimmter, äußerlicher Zustand. – Dieser Verlauf ist ebensowohl die realisierende Fortbestimmung des Maßes, als sie das Herabsetzen desselben zu einem Momente ist.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 5, Frankfurt a. M. 1979, S. 442-445.
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