Zweiter Abschnitt
Die Größe (Quantität)

[209] Der Unterschied der Quantität von der Qualität ist angegeben worden. Die Qualität ist die erste, unmittelbare Bestimmtheit, die Quantität die Bestimmtheit, die dem Sein gleichgültig geworden, eine Grenze, die ebensosehr keine ist; das Fürsichsein, das schlechthin identisch mit dem Sein-für-Anderes, – die Repulsion der vielen Eins, die unmittelbar Nicht-Repulsion, Kontinuität derselben ist.

Weil das Fürsichseiende nun so gesetzt ist, sein Anderes nicht auszuschließen, sondern sich in dasselbe vielmehr affirmativ fortzusetzen, so ist [es] das Anderssein, insofern das Dasein an dieser Kontinuität wieder hervortritt, und die Bestimmtheit desselben [ist] zugleich nicht mehr als in einfacher Beziehung auf sich, nicht mehr unmittelbare Bestimmtheit des daseienden Etwas, sondern ist gesetzt, sich als repellierend von sich, die Beziehung auf sich als Bestimmtheit vielmehr in einem anderen Dasein (einem fürsichseienden) zu haben; und indem sie zugleich als gleichgültige, in sich reflektierte, beziehungslose Grenzen sind, so ist die Bestimmtheit überhaupt außer sich, ein sich schlechthin Äußerliches und [ein] Etwas [als] ebenso Äußerliches; solche Grenze, die Gleichgültigkeit derselben an ihr selbst und des Etwas gegen sie, macht die quantitative Bestimmtheit desselben aus.

Zunächst ist die reine Quantität von ihr als bestimmter Quantität, vom Quantum zu unterscheiden. Als jene ist sie erstens das in sich zurückgekehrte, reale Fürsichsein, das noch keine Bestimmtheit an ihm hat, – als gediegene sich in sich kontinuierende unendliche Einheit.

Diese geht zweitens zu der Bestimmtheit fort, die an ihr gesetzt wird, als solche, die zugleich keine, nur äußerliche ist.[209] Sie wird Quantum. Das Quantum ist die gleichgültige Bestimmtheit, d.h. die über sich hinausgehende, sich selbst negierende; es verfällt als dies Anderssein des Andersseins in den unendlichen Progreß. Das unendliche Quantum aber ist die aufgehobene gleichgültige Bestimmtheit, es ist die Wiederherstellung der Qualität.

Drittens: das Quantum in qualitativer Form ist das quantitative Verhältnis. Das Quantum geht nur überhaupt über sich hinaus; im Verhältnisse aber geht es so über sich in sein Anderssein hinaus, daß dieses, in welchem es seine Bestimmung hat, zugleich gesetzt, ein anderes Quantum ist, – somit sein In-sich-Zurückgekehrtsein und die Beziehung auf sich als in seinem Anderssein vorhanden ist.

Diesem Verhältnisse liegt noch die Äußerlichkeit des Quantums zugrunde, es sind gleichgültige Quanta, die sich zueinander verhalten, d. i. ihre Beziehung auf sich selbst in solchem Außersichsein haben; – das Verhältnis ist damit nur formelle Einheit der Qualität und Quantität. Die Dialektik desselben ist sein Obergang in ihre absolute Einheit, in das Maß.


Anmerkung

Am Etwas ist seine Grenze als Qualität wesentlich seine Bestimmtheit. Wenn wir aber unter Grenze die quantitative Grenze verstehen und z.B. ein Acker diese seine Grenze verändert, so bleibt er Acker vor wie nach. Wenn hingegen seine qualitative Grenze verändert wird, so ist dies seine Bestimmtheit, wodurch er Acker ist, und er wird Wiese, Wald usf. – Ein Rot, das intensiver oder schwächer ist, ist immer Rot; wenn es aber seine Qualität änderte, so hörte es auf, Rot zu sein, es würde Blau usf. – Die Bestimmung der Größe als Quantum, wie sie sich oben ergeben hat, daß ein Sein als Bleibendes zugrunde liegt, das gegen die Bestimmtheit, die es hat, gleichgültig ist, ergibt sich an jedem anderen Beispiel.

Unter dem Ausdruck Größe wird das Quantum, wie an den[210] gegebenen Beispielen, verstanden, nicht die Quantität, weswegen wesentlich dieser Name aus der fremden Sprache gebraucht werden muß.

Die Definition, welche in der Mathematik von der Größe gegeben wird, betrifft gleichfalls das Quantum. Gewöhnlich wird eine Größe definiert als etwas, das sich vermehren oder vermindern läßt. Vermehren aber heißt, etwas mehr groß, vermindern weniger groß machen. Es liegt darin ein Unterschied der Größe überhaupt von ihr selbst, und die Größe wäre also das, dessen Größe sich verändern läßt. Die Definition zeigt sich insofern als ungeschickt, als in ihr diejenige Bestimmung selbst gebraucht wird, welche definiert werden sollte. Insofern in ihr nicht dieselbe Bestimmung zu gebrauchen ist, ist das Mehr und Weniger in einen Zusatz als Affirmation, und zwar nach der Natur des Quantums als eine gleichfalls äußerliche, und in ein Wegnehmen, als eine ebenso äußerliche Negation, aufzulösen. Zu dieser äußerlichen Weise sowohl der Realität als der Negation bestimmt sich überhaupt die Natur der Veränderung am Quantum. Daher ist in jenem unvollkommenen Ausdruck das Hauptmoment nicht zu verkennen, worauf es ankommt; nämlich die Gleichgültigkeit der Veränderung, so daß in ihrem Begriff selbst ihr eigenes Mehr [oder] Minder liegt, ihre Gleichgültigkeit gegen sich selbst.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 5, Frankfurt a. M. 1979, S. 209-211.
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