B. Kontinuierliche und diskrete Größe

[228] 1. Die Quantität enthält die beiden Momente der Kontinuität und der Diskretion. Sie ist in beiden als ihren Bestimmungen zu setzen. – Sie ist schon sogleich unmittelbare Einheit derselben, d.h. sie ist zunächst selbst nur in der einen ihrer Bestimmungen, der Kontinuität, gesetzt und ist so kontinuierliche Größe.

Oder die Kontinuität ist zwar eines der Momente der Quantität, die erst mit dem anderen, der Diskretion, vollendet ist. Aber die Quantität ist konkrete Einheit nur, insofern sie die Einheit unterschiedener Momente ist. Diese sind daher auch als unterschieden zu nehmen, jedoch nicht in Attraktion und Repulsion wieder aufzulösen, sondern nach ihrer Wahrheit jede in ihrer Einheit mit der anderen, d.h. das Ganze bleibend. Die Kontinuität ist nur die zusammenhängende, gediegene Einheit, als Einheit des Diskreten; so gesetzt ist sie nicht mehr nur Moment, sondern ganze Quantität, – kontinuierliche Größe.

2. Die unmittelbare Quantität ist kontinuierliche Größe. Aber die Quantität ist überhaupt nicht ein Unmittelbares; die Unmittelbarkeit ist eine Bestimmtheit, deren Aufgehobensein sie selbst ist. Sie ist also in der ihr immanenten Bestimmtheit zu setzen, diese ist das Eins. Die Quantität ist diskrete Größe.

Die Diskretion ist, wie die Kontinuität, Moment der Quantität, aber ist selbst auch die ganze Quantität, eben weil sie Moment in ihr, dem Ganzen ist, also als unterschieden nicht aus demselben, nicht aus ihrer Einheit mit dem anderen Momente heraustritt. – Die Quantität ist Außereinandersein an sich, und die kontinuierliche Größe ist dies Außereinandersein als sich ohne Negation fortsetzend, als ein in sich selbst gleicher Zusammenhang. Die diskrete Größe aber ist dies Außereinander als nicht kontinuierlich, als unterbrochen. Mit dieser Menge von Eins ist jedoch nicht die Menge des Atomen und das Leere, die Repulsion überhaupt,[228] wieder vorhanden. Weil die diskrete Größe Quantität ist, ist ihre Diskretion selbst kontinuierlich. Diese Kontinuität am Diskreten besteht darin, daß die Eins das einander Gleiche sind oder daß sie dieselbe Einheit haben. Die diskrete Größe ist also das Außereinander des vielen Eins, als des Gleichen, nicht das viele Eins überhaupt, sondern als das Viele einer Einheit gesetzt.


Anmerkung

In gewöhnlichen Vorstellungen von kontinuierlicher und diskreter Größe wird es übersehen, daß jede dieser Größen beide Momente, sowohl die Kontinuität als die Diskretion, an ihr hat und ihr Unterschied nur dadurch konstituiert wird, welches von beiden Momenten die gesetzte Bestimmtheit und welches nur die an sich seiende ist. Raum, Zeit, Materie usf. sind stetige Größen, indem sie Repulsionen von sich selbst, einströmendes Außersichkommen sind, das zugleich nicht ein Übergehen oder Verhalten zu einem qualitativ Anderen ist. Sie haben die absolute Möglichkeit, daß das Eins allenthalben an ihnen gesetzt werde; nicht als die leere Möglichkeit eines bloßen Andersseins (wie man sagt, es wäre möglich, daß an der Stelle dieses Steines ein Baum stünde), sondern sie enthalten das Prinzip des Eins an ihnen selbst, es ist die eine der Bestimmungen, von denen sie konstituiert sind.

Umgekehrt ist an der diskreten Größe die Kontinuität nicht zu übersehen; dies Moment ist, wie gezeigt, das Eins als Einheit.

Die kontinuierliche und diskrete Größe können als Arten der Quantität betrachtet werden, aber insofern die Größe nicht unter irgendeiner äußerlichen Bestimmtheit gesetzt ist, sondern unter den Bestimmtheiten ihrer eigenen Momente; der gewöhnliche Obergang von Gattung zu Art läßt an jene nach irgendeinem ihr äußerlichen Einteilungsgrunde äußerliche Bestimmungen kommen. Dabei sind die kontinuierliche und diskrete Größe noch keine Quanta; sie sind nur die[229] Quantität selbst in einer jeden ihrer beiden Formen. Sie werden etwa Größen genannt, insofern sie mit dem Quantum dies überhaupt gemein haben, eine Bestimmtheit an der Quantität zu sein.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 5, Frankfurt a. M. 1979, S. 228-230.
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