Drittes Kapitel
Das absolute Verhältnis

[217] Die absolute Notwendigkeit ist nicht sowohl das Notwendige, noch weniger ein Notwendiges, sondern Notwendigkeit, – Sein schlechthin als Reflexion. Sie ist Verhältnis, weil sie Unterscheiden ist, dessen Momente selbst ihre ganze Totalität sind, die also absolut bestehen, so daß dies aber nur ein Bestehen und der Unterschied nur der Schein des Auslegens und dieser das Absolute selbst ist. – Das Wesen als solches ist die Reflexion oder das Scheinen; das Wesen als absolutes Verhältnis aber ist der als Schein gesetzte Schein,[217] der als dies Beziehen auf sich die absolute Wirklichkeit ist. – Das Absolute, zuerst von der äußeren Reflexion ausgelegt, legt nun als absolute Form oder als Notwendigkeit sich selbst aus; dies Auslegen seiner selbst ist sein Sich-selbst-Setzen, und es ist nur dies Sich-Setzen. – Wie das Licht der Natur nicht Etwas, noch Ding, sondern sein Sein nur sein Scheinen ist, so ist die Manifestation die sich selbst gleiche absolute Wirklichkeit.

Die Seiten des absoluten Verhältnisses sind daher keine Attribute. Im Attribute scheint das Absolute nur in einem seiner Momente, als einem vorausgesetzten und von der äußeren Reflexion aufgenommenen. Die Auslegerin des Absoluten aber ist die absolute Notwendigkeit, die identisch mit sich ist, als sich selbst bestimmend. Da sie das Scheinen ist, das als Schein gesetzt ist, so sind die Seiten dieses Verhältnisses Totalitäten, weil sie als Schein sind; denn als Schein sind die Unterschiede sie selbst und ihr Entgegengesetztes, oder [sie sind] das Ganze; – umgekehrt sind sie so Schein, weil sie Totalitäten sind. Dies Unterscheiden oder Scheinendes Absoluten ist so nur das identische Setzen seiner selbst.

Dies Verhältnis in seinem unmittelbaren Begriff ist das Verhältnis der Substanz und der Akzidenzen, das unmittelbare Verschwinden und Werden des absoluten Scheines in sich selbst. Indem die Substanz sich zum Fürsichsein gegen ein Anderes bestimmt oder das absolute Verhältnis als reales, ist das Verhältnis der Kausalität. Endlich indem dieses als sich auf sich Beziehendes in Wechselwirkung übergeht, so ist damit das absolute Verhältnis nach den Bestimmungen, welche es enthält, auch gesetzt; diese gesetzte Einheit seiner in seinen Bestimmungen, die als das Ganze selbst und damit ebensosehr als Bestimmungen gesetzt sind, ist alsdann der Begriff.[218]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 217-219.
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