c. Wirkung und Gegenwirkung

[233] Die Kausalität ist voraussetzendes Tun. Die Ursache ist bedingt, sie ist die negative Beziehung auf sich als vorausgesetztes, als äußerliches Anderes, welches an sich, aber nur an sich die Kausalität selbst ist. Es ist, wie sich ergeben hat, die substantielle Identität, in welche die formelle Kausalität übergeht, die sich nunmehr gegen dieselbe als ihr Negatives bestimmt hat. Oder es ist dasselbe, was die Substanz des Kausalitätsverhältnisses [ist], aber welcher die Macht der Akzidentalität als selbst substantielle Tätigkeit gegenübersteht. – Es ist die passive Substanz. – Passiv ist das Unmittelbare[233] oder Ansichseiende, das nicht auch für sich ist, – das reine Sein oder das Wesen, das nur in dieser Bestimmtheit der abstrakten Identität mit sich ist. – Der passiven steht die als negativ sich auf sich beziehende, die wirkende Substanz gegenüber. Sie ist die Ursache, insofern sie sich in der bestimmten Kausalität durch die Negation ihrer selbst aus der Wirkung wiederhergestellt hat, [ein Anderes,] das in seinem Anderssein oder als Unmittelbares sich wesentlich als setzend verhält und durch seine Negation sich mit sich vermittelt. Die Kausalität hat deswegen hier kein Substrat mehr, dem sie inhärierte, und ist nicht Formbestimmung gegen diese Identität, sondern selbst die Substanz, oder das Ursprüngliche ist nur die Kausalität. – Das Substrat ist die passive Substanz, die sie sich vorausgesetzt hat.

Diese Ursache wirkt nun; denn sie ist die negative Macht auf sich selbst; zugleich ist sie ihr Vorausgesetztes; so wirkt sie auf sich als auf ein Anderes, auf die passive Substanz. – Somit hebt sie erstlich das Anderssein derselben auf und kehrt in ihr in sich zurück; zweitens bestimmt sie dieselbe, sie setzt dies Aufheben ihres Andersseins oder die Rückkehr in sich als eine Bestimmtheit. Dies Gesetztsein, weil es zugleich ihre Rückkehr in sich ist, ist zunächst ihre Wirkung. Aber umgekehrt, weil sie als voraussetzend sich selbst als ihr Anderes bestimmt, so setzt sie die Wirkung in der anderen, der passiven Substanz. – Oder weil die passive Substanz selbst das Gedoppelte ist, nämlich ein selbständiges Anderes und zugleich ein Vorausgesetztes und an sich schon mit der wirkenden Ursache Identisches, so ist das Wirken von dieser selbst ein Gedoppeltes; es ist beides in einem, das Aufheben ihres Bestimmtseins, nämlich ihrer Bedingung, oder das Aufheben der Selbständigkeit der passiven Substanz, – und daß sie ihre Identität mit derselben aufhebt, somit sich voraus oder als Anderes setzt. – Durch das letztere Moment wird die passive Substanz erhalten, jenes erste Aufheben derselben er scheint in Beziehung hierauf zugleich auch so,[234] daß nur einige Bestimmungen an ihr aufgehoben werden und die Identität ihrer mit der ersten in der Wirkung äußerlich an ihr geschieht.

Insofern leidet sie Gewalt. – Die Gewalt ist die Erscheinung der Macht oder die Macht als Äußerliches. Äußerliches ist aber die Macht nur, insofern die ursächliche Substanz in ihrem Wirken, d.h. im Setzen ihrer selbst zugleich voraussetzend ist, d.h. sich selbst als Aufgehobenes setzt. Umgekehrt ist daher ebensosehr das Tun der Gewalt ein Tun der Macht. Es ist nur ein von ihr selbst vorausgesetztes Anderes, auf welches die gewaltige Ursache wirkt; ihre Wirkung auf dasselbe ist negative Beziehung auf sich oder die Manifestation ihrer selbst. Das Passive ist das Selbständige, das nur ein Gesetztes ist, ein in sich selbst Gebrochenes, – eine Wirklichkeit, welche Bedingung ist, und zwar die Bedingung nunmehr in ihrer Wahrheit, nämlich eine Wirklichkeit, welche nur eine Möglichkeit ist, oder umgekehrt ein Ansichsein, das nur die Bestimmtheit des Ansichseins, nur passiv ist. Demjenigen daher, dem Gewalt geschieht, ist es nicht nur möglich, Gewalt anzutun, sondern sie muß ihm auch angetan werden; was Gewalt über das Andere hat, hat sie nur, weil es die Macht desselben ist, die sich darin und das Andere manifestiert. Die passive Substanz wird durch die Gewalt nur gesetzt als das, was sie in Wahrheit ist, nämlich weil sie das einfache Positive oder unmittelbare Substanz ist, eben darum nur ein Gesetztes zu sein; das Voraus, das sie als Bedingung ist, ist der Schein der Unmittelbarkeit, den die wirkende Kausalität ihr abstreift.

Der passiven Substanz wird daher durch die Einwirkung einer anderen Gewalt nur ihr Recht angetan. Was sie verliert, ist jene Unmittelbarkeit, die ihr fremde Substantialität. Was sie als ein Fremdes erhält, nämlich als ein Gesetztsein bestimmt zu werden, ist ihre eigene Bestimmung. – Indem sie nun aber in ihrem Gesetztsein oder in ihrer eigenen Bestimmung gesetzt wird, wird sie dadurch vielmehr nicht[235] aufgehoben, sondern geht so nur mit sich selbst zusammen und ist also in ihrem Bestimmtwerden Ursprünglichkeit. – Die passive Substanz wird also einerseits durch die aktive erhalten oder gesetzt – nämlich insofern diese sich selbst zur aufgehobenen macht –, andererseits aber ist es das Tun des Passiven selbst, mit sich zusammenzugehen und somit sich zum Ursprünglichen und zur Ursache zu machen. Das Gesetztwerden durch ein Anderes und das eigene Werden ist ein und dasselbe.

Hierdurch, daß die passive Substanz nun selbst in Ursache verkehrt ist, wird erstlich die Wirkung in ihr aufgehoben; darin besteht ihre Gegenwirkung überhaupt. Sie ist an sich das Gesetztsein, als passive Substanz; auch ist das Gesetztsein durch die andere Substanz in ihr gesetzt worden, insofern sie nämlich die Wirkung derselben an ihr bekam. Ihre Gegenwirkung enthält daher ebenso das Gedoppelte, daß nämlich erstlich, was sie an sich ist, gesetzt wird, zweitens, als was sie gesetzt wird, sich als ihr Ansichsein darstellt; sie ist an sich Gesetztsein: daher erhält sie eine Wirkung an ihr durch die andere; aber dies Gesetztsein ist umgekehrt ihr eigenes Ansichsein: so ist dies ihre Wirkung, sie selbst stellt sich als Ursache dar.

Zweitens geht die Gegenwirkung gegen die erste wirkende Ursache. Die Wirkung, welche die vorher passive Substanz in sich aufhebt, ist nämlich eben jene Wirkung der ersten. Die Ursache hat aber ihre substantielle Wirklichkeit nur in ihrer Wirkung; indem diese aufgehoben wird, so wird ihre ursächliche Substantialität aufgehoben. Dies geschieht erstlich an sich durch sich selbst, indem sie sich zur Wirkung macht; in dieser Identität verschwindet ihre negative Bestimmung, und sie wird Passives; zweitens geschieht es durch die vorhin passive, nun rückwirkende Substanz, welche deren Wirkung aufhebt. – In der bestimmten Kausalität wird die Substanz, auf welche gewirkt wird, zwar auch wieder Ursache, sie wirkt hiermit dagegen, daß eine Wirkung in ihr gesetzt wurde. Aber sie wirkte nicht zurück gegen[236] jene Ursache, sondern setzte ihre Wirkung wieder in eine andere Substanz, wodurch der Progreß von Wirkungen ins Unendliche zum Vorschein kam, – weil hier die Ursache in ihrer Wirkung nur erst an sich mit sich identisch ist, daher einerseits in einer unmittelbaren Identität in ihrer Ruhe verschwindet, andererseits in einer anderen Substanz sich wieder erweckt. – In der bedingten Kausalität hingegen bezieht die Ursache in der Wirkung sich auf sich selbst, weil sie ihr Anderes als Bedingung, als Vorausgesetztes ist und ihr Wirken dadurch ebensosehr Werden als Setzen und Aufheben des Anderen ist.

Ferner verhält sie sich hiermit als passive Substanz; aber wie sich ergab, entsteht diese durch die auf sie geschehene Wirkung als ursächliche Substanz. Jene erste Ursache, welche zuerst wirkt und ihre Wirkung als Gegenwirkung in sich zurückerhält, tritt damit wieder als Ursache auf, wodurch das in der endlichen Kausalität in den schlecht-unendlichen Progreß auslaufende Wirken umgebogen und zu einem in sich zurückkehrenden, einem unendlichen Wechselwirken wird.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 233-237.
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