a. Die dritte Figur: E – A – B

[369] 1. Dieser dritte Schluß hat keine einzige unmittelbare Prämisse mehr; die Beziehung E – A ist durch den ersten, die Beziehung B – A durch den zweiten Schluß vermittelt worden. Er setzt daher die beiden ersten Schlüsse voraus; aber umgekehrt setzten beide ihn voraus, so wie überhaupt jeder die beiden übrigen voraussetzt. In ihm ist somit überhaupt die Bestimmung des Schlusses vollendet. – Diese gegenseitige Vermittlung enthält eben dies, daß jeder Schluß, obzwar für sich die Vermittlung, zugleich nicht an ihm selbst die Totalität derselben ist, sondern eine Unmittelbarkeit an ihm hat, deren Vermittlung sich außer ihm befindet.

Der Schluß E – A – B, an ihm selbst betrachtet, ist die Wahrheit des formalen Schlusses; er drückt dies aus, daß dessen Vermittlung die abstrakt allgemeine ist und die Extreme nach ihrer wesentlichen Bestimmtheit nicht in der Mitte, sondern nur nach ihrer Allgemeinheit enthalten [sind], vielmehr also das gerade nicht darin zusammengeschlossen ist, was vermittelt sein sollte. Es ist also hier das gesetzt, worin der Formalismus des Schlusses besteht, dessen Termini einen unmittelbaren, gegen die Form gleichgültigen Inhalt haben oder, was dasselbe ist, solche Formbe stimmungen sind, die sich noch nicht zu Inhaltsbestimmungen reflektiert haben.[369]

2. Die Mitte dieses Schlusses ist zwar die Einheit der Extreme, aber worin von ihrer Bestimmtheit abstrahiert ist, das unbestimmte Allgemeine. Insofern aber dies Allgemeine zugleich als das Abstrakte von den Extremen als dem Bestimmten unterschieden ist, ist es auch selbst noch ein Bestimmtes gegen sie und das Ganze ein Schluß, dessen Verhältnis zu seinem Begriffe zu betrachten ist. Die Mitte ist als das Allgemeine gegen ihre beiden Extreme subsumierend oder Prädikat, nicht auch das eine Mal subsumiert oder Subjekt. Insofern er daher als eine Art des Schlusses diesem entsprechen soll, so kann dies nur [so] geschehen, daß, indem die eine Beziehung E – A schon das gehörige Verhältnis hat, auch die andere A – B dasselbe erhalte. Dies geschieht in einem Urteil, worin das Verhältnis von Subjekt und Prädikat gleichgültig ist, in einem negativen Urteil. So wird der Schluß legitim, aber die Konklusion notwendig negativ.

Damit ist es nun auch gleichgültig, welche von den beiden Bestimmungen dieses Satzes als Prädikat oder als Subjekt und, im Schlüsse, ob als Extrem der Einzelheit oder als das der Besonderheit, hiermit ob als Terminus Minor oder als Terminus Maior genommen werde. Indem es hiervon nach der gewöhnlichen Annahme abhängt, welche von den Prämissen die Maior oder Minor sein soll, so ist dies hier gleichgültig geworden. – Dies ist der Grund der gewöhnlichen vierten Figur des Schlusses, die Aristoteles nicht gekannt [hat] und die vollends einen ganz leeren, interesselosen Unterschied betrifft. Die unmittelbare Stellung der Terminorum ist darin die umgekehrte der Stellung der ersten Figur; da Subjekt und Prädikat des negativen Schlußsatzes nach der formalen Betrachtung des Urteils das bestimmte Verhältnis von Subjekt und Prädikat nicht haben, sondern eines die Stelle des anderen einnehmen kann, so ist es gleichgültig, welcher Terminus als Subjekt und welcher als Prädikat genommen werde; daher ebenso gleichgültig, welche Prämisse als Maior oder Minor genommen wird. – Diese Gleichgültigkeit, zu der auch die Bestimmung der Partikularität[370] (insbesondere insofern bemerkt wird, daß sie im komprehensiven Sinne genommen werden kann) verhilft, macht jene vierte Figur zu etwas ganz Müßigem.

3. Die objektive Bedeutung des Schlusses, worin das Allgemeine die Mitte ist, ist, daß das Vermittelnde als Einheit der Extreme wesentlich Allgemeines ist. Indem die Allgemeinheit aber zunächst nur die qualitative oder abstrakte Allgemeinheit ist, so ist die Bestimmtheit der Extreme darin nicht enthalten; ihr Zusammenschließen, wenn es stattfinden soll, muß ebenso in einer außer diesem Schlüsse liegenden Vermittlung ihren Grund haben und ist in Rücksicht auf diesen ganz so zufällig als bei den vorhergehenden Formen der Schlüsse. Indem nun aber das Allgemeine als die Mitte bestimmt und darin die Bestimmtheit der Extreme nicht enthalten ist, so ist diese als eine völlig gleichgültige und äußerliche gesetzt. – Es ist hiermit zunächst nach dieser bloßen Abstraktion allerdings eine vierte Figur des Schlusses entstanden, nämlich die des verhältnislosen Schlusses, A – A – A, welcher von dem qualitativen Unterschiede der Terminorum abstrahiert und somit die bloß äußerliche Einheit derselben, nämlich die Gleichheit derselben zur Bestimmung hat.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 369-371.
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