b. Die zweite Figur: B – E – A

[365] 1. Die Wahrheit des ersten qualitativen Schlusses ist, daß etwas mit einer qualitativen Bestimmtheit als einer allgemeinen nicht an und für sich zusammengeschlossen ist, sondern durch eine Zufälligkeit oder in einer Einzelheit. Das Subjekt des Schlusses ist in solcher Qualität nicht in seinen Begriff zurückgekehrt, sondern nur in seiner Äußerlichkeit begriffen; die Unmittelbarkeit macht den Grund der Beziehung, somit die Vermittlung aus; insofern ist das Einzelne in Wahrheit die Mitte.

Ferner aber ist die Schlußbeziehung die Aufhebung der Unmittelbarkeit; der Schlußsatz ist nicht eine unmittelbare Beziehung, sondern als durch ein Drittes; er enthält daher eine negative Einheit; die Vermittlung ist daher nunmehr bestimmt, ein negatives Moment in sich zu enthalten.

In diesem zweiten Schlüsse sind die Prämissen B – E und E – A, nur die erstere dieser Prämissen ist noch eine unmittelbare; die zweite, E – A, ist schon eine vermittelte, nämlich durch den ersten Schluß; der zweite Schluß setzt daher den ersten voraus, so wie umgekehrt der erste den zweiten voraussetzt. – Die beiden Extreme sind hierin als Besonderes und Allgemeines gegeneinander bestimmt; das letztere hat insofern noch seine Stelle: es ist Prädikat; aber das Besondere hat die seinige vertauscht: es ist Subjekt oder unter der Bestimmung des Extrems der Einzelheit gesetzt, so wie das Einzelne mit der Bestimmung der Mitte oder der Besonderheit gesetzt ist. Beide sind daher nicht mehr die abstrakten Unmittelbarkeiten, welche sie im ersten Schlüsse[365] waren. Sie sind jedoch noch nicht als Konkrete gesetzt; daß jedes an der Stelle des anderen steht, dadurch ist es in seiner eigenen und zugleich, jedoch nur äußerlich, in der anderen Bestimmung gesetzt.

Der bestimmte und objektive Sinn dieses Schlusses ist, daß das Allgemeine nicht an und für sich ein bestimmtes Besonderes ist – denn es ist vielmehr die Totalität seiner Besonderen –, sondern so eine seiner Arten ist durch die Einzelheit; die anderen seiner Arten sind durch die unmittelbare Äußerlichkeit von ihm ausgeschlossen. Andererseits ist das Besondere ebenso nicht unmittelbar und an und für sich das Allgemeine, sondern die negative Einheit streift ihm die Bestimmtheit ab und erhebt es dadurch in die Allgemeinheit. – Die Einzelheit verhält sich insofern zum Besonderen negativ, als sie dessen Prädikat sein soll; es ist nicht Prädikat des Besonderen.

2. Zunächst aber sind die Termini noch unmittelbare Bestimmtheiten; sie haben sich durch sich selbst zu keiner objektiven Bedeutung fortgebildet; die veränderte Stellung, welche zwei derselben erhalten, ist die Form, die nur erst äußerlich an ihnen ist; sie sind daher noch wie im ersten Schlüsse überhaupt ein gegeneinander gleichgültiger Inhalt, – zwei Qualitäten, die nicht an und für sich selbst, sondern durch eine zufällige Einzelheit verknüpft sind.

Der Schluß der ersten Figur war der unmittelbare oder ebensosehr der Schluß, insofern er in seinem Begriffe als abstrakte Form ist, die sich an ihren Bestimmungen noch nicht realisiert hat. Indem diese reine Form in eine andere Figur übergegangen, ist dies einerseits die begonnene Realisation des Begriffs, indem das negative Moment der Vermittlung und dadurch eine weitere Formbestimmtheit an der zunächst unmittelbaren, qualitativen Bestimmtheit der Terminorum gesetzt wird. – Zugleich ist dies aber ein Anderswerden der reinen Form des Schlusses; er entspricht ihr nicht mehr vollständig, und die an seinen Terminis gesetzte Bestimmtheit ist verschieden von jener ursprünglichen Formbestimmung.[366] – Insofern er nur als ein subjektiver Schluß betrachtet wird, der in einer äußeren Reflexion vor sich geht, so gilt er als eine Art des Schlusses, welche der Gattung, nämlich dem allgemeinen Schema EB – A, entsprechen sollte. Diesem entspricht er aber zunächst nicht; die zwei Prämissen desselben sind B – E, oder E – B, und E – A; der Medius Terminus ist daher beidemal subsumiert oder beidemal Subjekt, dem also die beiden anderen Termini inhärieren, also nicht eine Mitte, die das eine Mal subsumierend oder Prädikat und das andere Mal subsumiert oder Subjekt sein, oder der der eine Terminus inhärieren, die aber selbst dem anderen inhärieren soll. – Daß dieser Schluß nicht der allgemeinen Form des Schlusses entspricht, hat den wahrhaften Sinn, daß diese in ihn übergegangen ist, indem ihre Wahrheit darin besteht, ein subjektives zufälliges Zusammenschließen zu sein. Wenn der Schlußsatz in der zweiten Figur (nämlich ohne die gleich zu erwähnende Beschränkung, die ihn zu etwas Unbestimmtem macht, zu Hilfe zu nehmen) richtig ist, so ist er es, weil er es für sich ist, nicht, weil er Schlußsatz dieses Schlusses ist. Aber dasselbe ist der Fall bei dem Schlußsatze der ersten Figur; diese seine Wahrheit ist es, die durch die zweite Figur gesetzt ist. – In der Ansicht, daß die zweite Figur nur eine Art sein soll, wird der notwendige Obergang der ersten in diese zweite Form übersehen und bei jener als wahrhafter Form stehengeblieben. Insofern daher in der zweiten Figur (welche aus alter Gewohnheit, ohne weiteren Grund, als die dritte aufgeführt wird) gleichfalls ein in diesem subjektiven Sinne richtiger Schluß stattfinden soll, so müßte er dem ersten angemessen sein; somit, da die eine Prämisse E – A das Verhältnis der Subsumtion des Medius Terminus unter das eine Extrem hat, so müßte die andere Prämisse B – E das entgegengesetzte Verhältnis, das sie hat, erhalten und B unter E subsumiert werden können. Ein solches Verhältnis aber wäre die Aufhebung des bestimmten Urteils »E ist und könnte nur in einem unbestimmten Urteile stattfinden, – in einem partikulären; daher[367] der Schlußsatz in dieser Figur nur partikulär sein kann. Das partikuläre Urteil ist aber, wie oben bemerkt, sowohl positiv als negativ, – ein Schlußsatz, dem daher eben kein großer Wert zugeschrieben werden kann. – Insofern auch das Besondere und Allgemeine die Extreme und unmittelbare, gleichgültige Bestimmtheiten gegeneinander sind, so ist ihr Verhältnis selbst gleichgültig; es kann beliebig die eine oder die andere als Terminus Maior oder Minor, daher auch die eine oder die andere Prämisse als Ober- oder als Untersatz genommen werden.

3. Der Schlußsatz, indem er ebensosehr positiv als negativ ist, ist somit eine gegen diese Bestimmtheiten gleichgültige, somit allgemeine Beziehung. Näher betrachtet, so war die Vermittlung des ersten Schlusses an sich eine zufällige; in dem zweiten ist diese Zufälligkeit gesetzt. Sie ist somit sich selbst aufhebende Vermittlung; die Vermittlung hat die Bestimmung der Einzelheit und Unmittelbarkeit; was durch diesen Schluß zusammengeschlossen ist, muß vielmehr an sich und unmittelbar identisch sein, denn jene Mitte, die unmittelbare Einzelheit, ist das unendlich mannigfaltige und äußerliche Bestimmtsein. Es ist in ihr also vielmehr die sich äußerliche Vermittlung gesetzt. Die Äußerlichkeit der Einzelheit aber ist die Allgemeinheit; jene Vermittlung durch das unmittelbare Einzelne weist über sich selbst hinaus auf die ihr andere, welche somit durch das Allgemeine geschieht. – Oder was durch den zweiten Schluß vereinigt sein soll, muß unmittelbar zusammengeschlossen sein; durch die Unmittelbarkeit, die ihm zugrunde liegt, kommt ein bestimmtes Zusammenschließen nicht zustande. Die Unmittelbarkeit, auf welche er fortweist, ist die andere gegen die seinige – die aufgehobene erste Unmittelbarkeit des Seins –, also die in sich reflektierte oder an sich seiende, das abstrakte Allgemeine.

Der Übergang dieses Schlusses war nach der betrachteten Seite ein Anderswerden wie das Übergehen des Seins, weil ihm das Qualitative, und zwar die unmittelbare Einzelheit[368] zugrunde liegt. Dem Begriffe nach aber schließt die Einzelheit das Besondere und Allgemeine insofern zusammen, als sie die Bestimmtheit des Besonderen aufhebt, was sich als die Zufälligkeit dieses Schlusses darstellt; die Extreme werden nicht durch ihre bestimmte Beziehung, welche sie zum Medius Terminus haben, zusammengeschlossen; er ist daher nicht ihre bestimmte Einheit, und die positive Einheit, die ihm noch zukommt, ist nur die abstrakte Allgemeinheit. Indern die Mitte in dieser Bestimmung, welche ihre Wahrheit ist, gesetzt wird, ist dies aber eine andere Form des Schlusses.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 365-369.
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