c. Das apodiktische Urteil

[349] Das Subjekt des apodiktischen Urteils (das Haus so und so beschaffen ist gut, die Handlung so und so beschaffen ist recht) hat an ihm erstens das Allgemeine, was es sein soll, zweitens seine Beschaffenheit; diese enthält den Grund, warum dem ganzen Subjekt ein Prädikat des Begriffsurteils zukommt oder nicht, d. i. ob das Subjekt seinem Begriffe entspricht oder nicht. – Dieses Urteil ist nun wahrhaft objektiv; oder es ist die Wahrheit des Urteils überhaupt. Subjekt und Prädikat entsprechen sich und haben denselben Inhalt, und dieser Inhalt ist selbst die gesetzte konkrete Allgemeinheit; er enthält nämlich die zwei Momente, das objektive Allgemeine oder die Gattung und das Vereinzelte. Es ist hier also das Allgemeine, welches es selbst ist und durch sein Gegenteil sich kontinuiert und als Einheit mit diesem erst Allgemeines ist. – Ein solches Allgemeines, wie das Prädikat gut, passend, richtig usw., hat ein Sollen zugrunde liegen und enthält das Entsprechen des Daseins zugleich; nicht jenes Sollen oder die Gattung für sich, sondern dies Entsprechen ist die Allgemeinheit, welche das Prädikat des apodiktischen Urteils ausmacht.

Das Subjekt enthält gleichfalls diese beiden Momente in unmittelbarer Einheit als die Sache. Es ist aber die Wahrheit[349] derselben, daß sie in sich gebrochen ist in ihr Sollen und ihr Sein; dies ist das absolute Urteil über alle Wirklichkeit. – Daß diese ursprüngliche Teilung, welche die Allmacht des Begriffes ist, ebensosehr Rückkehr in seine Einheit und absolute Beziehung des Sollens und Seins aufeinander ist, macht das Wirkliche zu einer Sache; ihre innere Beziehung, diese konkrete Identität, macht die Seele der Sache aus.

Der Übergang von der unmittelbaren Einfachheit der Sache zu dem Entsprechen, welches die bestimmte Beziehung ihres Sollens und ihres Seins ist, oder die Kopula, zeigt sich nun näher, in der besonderen Bestimmtheit der Sache zu liegen. Die Gattung ist das an und für sich seiende Allgemeine, das insofern als das unbezogene erscheint, – die Bestimmtheit aber dasjenige, was sich in jener Allgemeinheit in sich, aber sich zugleich in ein Anderes reflektiert. Das Urteil hat daher an der Beschaffenheit des Subjekts seinen Grund und ist dadurch apodiktisch. Es ist damit nunmehr die bestimmte und erfüllte Kopula vorhanden, die vorher in dem abstrakten Ist bestand, jetzt aber zum Grunde überhaupt sich weitergebildet hat. Sie ist zunächst als unmittelbare Bestimmtheit an dem Subjekte, aber ist ebensosehr die Beziehung auf das Prädikat, welches keinen anderen Inhalt hat als dies Entsprechen selbst oder die Beziehung des Subjekts auf die Allgemeinheit.

So ist die Form des Urteils untergegangen, erstens weil Subjekt und Prädikat an sich derselbe Inhalt sind, aber zweitens weil das Subjekt durch seine Bestimmtheit über sich hinausweist und sich auf das Prädikat bezieht; aber ebenso drittens ist dies Beziehen in das Prädikat übergegangen, macht nur dessen Inhalt aus und ist so die gesetzte Beziehung oder das Urteil selbst. – So ist die konkrete Identität des Begriffs, welche das Resultat des disjunktiven Urteils war und welche die innere Grundlage des Begriffsurteils ausmacht, im Ganzen hergestellt, die zunächst nur im Prädikate gesetzt war.

Das Positive dieses Resultats, das den Übergang des Urteils[350] in eine andere Form macht, näher betrachtet, so zeigen sich, wie wir gesehen, Subjekt und Prädikat im apodiktischen Urteile jedes als der ganze Begriff. – Die Begriffseinheit ist als die Bestimmtheit, welche die sie beziehende Kopula ausmacht, zugleich von ihnen unterschieden. Zunächst steht sie nur auf der andern Seite des Subjekts als dessen unmittelbare Beschaffenheit. Aber indem sie wesentlich das Beziehende ist, ist sie nicht nur solche unmittelbare Beschaffenheit, sondern das durch Subjekt und Prädikat Hindurchgehende und Allgemeine. – Indem Subjekt und Prädikat denselben Inhalt haben, so ist dagegen durch jene Bestimmtheit die Formbeziehung gesetzt, die Bestimmtheit als ein Allgemeines oder die Besonderheit. – So enthält sie die beiden Formbestimmungen der Extreme in sich und ist die bestimmte Beziehung des Subjekts und Prädikats; sie ist die erfüllte oder inhaltsvolle Kopula des Urteils, die aus dem Urteil, worin sie in die Extreme verloren war, wieder hervorgetretene Einheit des Begriffs. – Durch diese Erfüllung der Kopula ist das Urteil zum Schlusse geworden.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 349-351.
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