b. Das problematische Urteil

[347] Das problematische Urteil ist das assertorische, insofern dieses ebensowohl positiv als negativ genommen werden muß. – Nach dieser qualitativen Seite ist das partikuläre Urteil gleichfalls ein problematisches, denn es gilt ebensosehr positiv als negativ; – ingleichen ist am hypothetischen Urteil das Sein des Subjekts und Prädikats problematisch; auch durch sie ist es gesetzt, daß das singuläre und das kategorische Urteil noch etwas bloß Subjektives ist. Im problematischen Urteile als solchem ist aber dies Setzen immanenter als in den erwähnten Urteilen, weil in jenem der Inhalt des Prädikats die Beziehung des Subjekts auf den Begriff ist, hier hiermit die Bestimmung des Unmittelbaren als eines Zufälligen selbst vorhanden ist.

Zunächst erscheint es nur als problematisch, ob das Prädikat mit einem gewissen Subjekte verbunden werden soll oder nicht, und die Unbestimmtheit fällt insofern in die Kopula. Für das Prädikat kann daraus keine Bestimmung hervorgehen, denn es ist schon die objektive, konkrete Allgemeinheit. Das Problematische geht also die Unmittelbarkeit des Subjekts an, welche hierdurch als Zufälligkeit bestimmt[347] wird. – Ferner aber ist darum nicht von der Einzelheit des Subjekts zu abstrahieren; von dieser überhaupt gereinigt, wäre es nur ein Allgemeines; das Prädikat enthält eben dies, daß der Begriff des Subjekts in Beziehung auf seine Einzelheit gesetzt sein soll. – Es kann nicht gesagt werden: »Das Haus oder ein Haus ist gut«, sondern: »je nachdem es beschaffen ist«. – Das Problematische des Subjekts an ihm selbst macht seine Zufälligkeit als Moment aus, die Subjektivität der Sache, ihrer objektiven Natur oder ihrem Begriff gegenübergestellt, die bloße Art und Weise oder die Beschaffenheit.

Somit ist das Subjekt selbst in seine Allgemeinheit oder objektive Natur, sein Sollen, und in die besondere Beschaffenheit des Daseins unterschieden. Hiermit enthält es den Grund, ob es so ist, wie es sein soll. Auf diese Weise ist es mit dem Prädikate ausgeglichen. – Die Negativität des Problematischen, insofern sie gegen die Unmittelbarkeit des Subjekts gerichtet ist, heißt hiernach nur diese ursprüngliche Teilung desselben, welches an sich schon als Einheit des Allgemeinen und Besonderen ist, in diese seine Momente, – eine Teilung, welche das Urteil selbst ist.

Es kann noch die Bemerkung gemacht werden, daß jede der beiden Seiten des Subjekts, sein Begriff und seine Beschaffenheit, dessen Subjektivität genannt werden könne. Der Begriff ist das in sich gegangene allgemeine Wesen einer Sache, ihre negative Einheit mit sich selbst; diese macht ihre Subjektivität aus. Aber eine Sache ist auch wesentlich zufällig und hat eine äußerliche Beschaffenheit; diese heißt ebensosehr deren bloße Subjektivität, jener Objektivität gegenüber, Die Sache selbst ist eben dies, daß ihr Begriff als die negative Einheit seiner selbst seine Allgemeinheit negiert und in die Äußerlichkeit der Einzelheit sich heraussetzt. – Als dieses Gedoppelte ist das Subjekt des Urteils hier gesetzt; jene entgegenstehenden Bedeutungen der Subjektivität sind ihrer Wahrheit nach in Einem. – Die Bedeutung des Subjektiven ist dadurch selbst problematisch geworden, daß es die unmittelbare [348] Bestimmtheit, welche es im unmittelbaren Urteile hatte, und seinen bestimmten Gegensatz gegen das Prädikat verloren hat. – Jene auch in dem Räsonnement der gewöhnlichen Reflexion vorkommende entgegengesetzte Bedeutung des Subjektiven könnte für sich wenigstens darauf aufmerksam machen, daß es in einer derselben keine Wahrheit hat. Die gedoppelte Bedeutung ist die Erscheinung hiervon, daß jede einzeln für sich einseitig ist.

Das Problematische so als Problematisches der Sache, die Sache mit ihrer Beschaffenheit, gesetzt, so ist das Urteil selbst nicht mehr problematisch, sondern apodiktisch.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 347-349.
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