Vorspiel.

[1] Der Schauspieldirector tritt auf.


SCHAUSPIELDIRECTOR nach dem Ankleidezimmer hinblickend. Meine Verehrte, wenn du mit deinem Anzuge fertig bist, so tritt auf!

SCHAUSPIELERIN tritt auf. Gebieter! hier bin ich. Befiehl was nun geschehen soll.

SCHAUSPIELDIRECTOR. Du siehst diese große Versammlung von Gebildeten. Vor ihr sollen wir heute mit Kalidasa's neuester Schöpfung,[1] dem »Sakuntala's Erkennungsring« benannten Schauspiel, auftreten. Darum müssen wir uns alle Mühe geben.

SCHAUSPIELERIN. Bei der erprobten Geschicklichkeit des Gebieters wird es an nichts fehlen.

SCHAUSPIELDIRECTOR.

Ich sage dir was ich denke.

Vor Befriedigung der Kenner

Halt' ich nichts von unserer Geschicklichkeit.

Auch des sehr gebildeten

Künstlers Geist hegt Mistraun zu sich selber.

SCHAUSPIELERIN. So ist es: befiehl nun was zunächst zu thun ist.

SCHAUSPIELDIRECTOR. Was anders als durch ein Lied die Ohren dieser Versammlung günstig zu stimmen?

SCHAUSPIELERIN. Welche Jahreszeit soll ich zum Gegenstand des Gesanges wählen?

SCHAUSPIELDIRECTOR. Doch wol diese unlängst eingetretene zu Ruhegenuß sich eignende heiße Jahreszeit.

Denn jetzo sind

Die Tage, wo das Bad erquickt,

Der Waldwind von durchwehten Blüthen duftet,

Im Schatten leicht der Schlaf sich einstellt,

Die Tage die erst lieblich sind am Abend.[2]

SCHAUSPIELERIN. So sei's denn Sie singt.

Von Bienen leise leise

Geküßt an der Staubfäden zarten Spitzen,

Dienen zu Ohrgehängen

Verliebten Mädchen jetzt Sirischa-Blüthen.

SCHAUSPIELDIRECTOR. Schön hast du gesungen! Ja mit lustgefesselten Herzensregungen still wie ein Bild ist rings das ganze Theater. Mit welchem Stücke wollen wir ihm nun aufwarten?

SCHAUSPIELERIN. Hatte nicht der Gebieter so eben befohlen, das »Sakuntala's Erkennungsring« genannte unvergleichliche Drama sollte Gegenstand der Aufführung sein?

SCHAUSPIELDIRECTOR. Gut daß du mich daran erinnerst; ich hatte es wirklich in dem Augenblicke vergessen. Warum?

Fortgerissen vom Wohllaut deines

Hinströmenden Gesangs war ich,

Wie hier der König Duschianta

Von der Gazelle die er jagt.


Beide treten ab.

Quelle:
Sakuntala. Schauspiel von Kalidasa. Leipzig 1876, S. 1-3.
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