Fünftes Kapitel (60. Gegenstand).

Erbteilung: Erbfolge.

[254] Söhne, die noch unter ihres Vaters Gewalt stehen (pitṛimantas), sind nicht Herren über sich selber, solange ihnen Vater und Mutter leben. Nach deren Tode findet die Teilung des ErbesA1 vom Vater her statt. Was einer (der Söhne) selber erworben hat, geht nicht in die Teilung ein, außer wenn es aus des Vaters Vermögen entspringt (d.h. mit dessen Hilfe zuwege gebracht worden ist).

Was des Vaters Vermögen betrifft, so sollen an den Sachen, die aus dem ungeteilten Familienerbe herkommen, die Söhne und Enkel bis zum vierten Gliede teilhaben. Soweit ist die durch die Totenopfer bestimmte Geschlechterfolge ununterbrochen. Alle, die der unterbrochenen Geschlechterfolge angehören (also jenseits des vierten Gliedes stehen), sollen gleich teilen. Die Zusammenlebenden, mögen sie nun kein Vermögen vom Vater empfangen oder des Vaters Vermögen schon verteilt haben, sollen (bei des Vaters Tod) aufs neue teilen.1 Und durch wen (unter den Erben) es sich gehoben hat (d.h. von wem das, was weiter vorhanden ist, sich herschreibt), der soll den der Vermehrung entsprechenden Teil bekommen.A2

Das Vermögen eines Sohnlosen sollen seine leiblichen Brüder oder die mit ihm Zusammenlebenden bekommen und die Mädchen. Die Hinterlassenschaft des mit Söhnen Gesegneten erben die Söhne oder die Töchter, wenn sie in rechtmäßiger Ehe gezeugt sind. Sind aber solche nicht vorhanden, dann der Vater, wenn er noch lebt; ist er nicht mehr, dann die Brüder und [255] die Brudersöhne. Und sind auch viele vaterlose Brüder und Brudersöhne da, sollen sie (doch) jeder den ihm durch seinen (verstorbenen) Vater zustehenden Teil bekommen.A3 Sind lauter leibliche Brüder durch die Mutter, aber von verschiedenen Vätern da, so findet die Teilung statt vom Vater, her (d.h. jeder empfängt, was ihm durch seinen Vater zukommt). Und ist (in der Reihe:) Vater, Bruder, Brudersohn der (jeweilig) Vorangehende nicht vorhanden,A4 so sind sie (die Vorhandenen) von dem Nachfolgenden (d.h. dem in der Reihe dem Weggefallenen Zunächststehenden) abhängig; und ist der Älteste nicht mehr, dann von dem Jüngsten, der das Vermögen bekommt.2

Findet die Erbteilung bei Lebzeiten des Vaters statt, so soll er keinen vorziehen und keinen ohne guten Grund vom Erbe ausschließen.A5 Ist kein Vermögen vom Vater da, dann sollen die ältesten Brüder die jüngsten unterstützen, außer solchen, die verkehrt wandeln.

Eine Erbschaftszuteilung gibt es nur für Mündige. Das Erbe der noch Unmündigen sollen sie, nach Abzug dessen, was zu zahlen ist,3 bis zur Mündigkeit bei den Verwandten der Mutter oder bei den Dorfältesten hinterlegen; ebenso das Erbe eines Verreisten.A6

Den Brüdern, die noch keinen Hausstand gegründet haben, sollen sie dieselbe Haushaltgründungssumme geben, wie die schon Verheirateten empfangen haben; ebenso den Töchtern, was nötig ist zu deren Verheiratung.A7

Schulden und Vermögen sollen gleich geteilt werden.

»Sogar die Wassergefäße sollen die verteilen, die nichts haben.« So die Lehrer.

Das ist eine Wortgaukelei. Also Kauṭilya. Vorhandenes Gut wird verteilt, nicht aber nicht vorhandenes. »Soviel ist das gemeinsame Gut. Davon ist so viel Vorweganteil (Präzipuum)«, so soll man, nachdem man (das Verzeichnis) vorgelesen hat, sprechen und die Teilung vor Zeugen vornehmen lassen.

Ist schlecht Verteiltes, einander Gestohlenes, Verstecktes oder vorher Unbekanntes und dann Aufgetauchtes vorhanden, so soll hoch einmal geteilt werden.

Gut, für das kein Erbe da ist, soll der König nehmen, außer dem, was Frauenunterhalt ist, und dem, was ausgegeben werden muß für die Totenbräuche;4 aber nur, wo es sich nicht um das Eigentum eines vedagelehrten [256] Brahmanen handelt. Dieses soll er solchen geben, die in den drei Wissenschaften zu Hause sind.

Der Entkastete, der von einem Entkasteten Gezeugte und der Impotente erben nicht, auch nicht der Blödsinnige, Wahnsinnige, Blinde und Aussätzige. Nehmen sie ein Eheweib,5 so sollen (bei all diesen) deren Nachkommen, falls sie nicht ebenso sind, ihr Erbteil bekommen, Essen und Kleidung aber die anderen, mit Ausnahme der Entkasteten (die zu nichts berechtigt sind).A8

Und wenn die Genannten geheiratet haben und die Zeugungskraft bei ihnen gemangelt hat, sollen ihre Verwandten ihnen Söhne erwecken und diesen soll man ihren Anteil verschaffen.A9

Fußnoten

1 Da bekommt dann nach Manu IX, 210 keiner der Söhne einen Voranteil. Über die »Wiedervereinigten« und die ganze Stelle vgl. Jolly, Recht und Sitte S. 77, 89.


2 Ich lese arthagrāhiṇam und finde dieses nachträglich in Sham.'s zweiter Ausgabe als var. lect., weiß aber nicht, ob nicht ardha- hier doch richtig ist, so oft auch dh und th verwechselt werden. Vgl. 163, 1 wo der jüngste Sohn oder der mittlere die Hälfte vom Präzipuum des ältesten bekommt, wenn dieser untüchtig ist. Weiter lese ich pūrve 'vidyamāne cāparam und ergänze avidyamāne vor jyeshṭhe. Nāparam gäbe zwar denselben Sinn, aber nicht ohne Künstelei: »so sind sie von keinem anderen (als eben dem vorhandenen nachfolgenden) abhängig«. Oder auch: »dann sind sie (die vorhandenen) von sonst niemand abhängig«, d.h. ihr eigener Herr. Siehe die Nachträge.A10


3 Oder: »nach Abzahlung dessen, was an Abgaben da ist«. Vgl. z.B. 99, 7 sarvadeyaviçuddham. Also neben der Schuldenbegleichung wohl auch Erbschaftssteuer. Natürlich ist ā vyavahāraprāpaṇāt zu lesen.A11


4 Besonders natürlich für die Bestattung. Lies pretakarmadeya statt des sinnlosen pretakadarya und vgl. Jolly, Recht und Sitte, S. 86.A12


5 Manu IX, 203, wonach es hieße: »Begehren sie ein Eheweib«, hat wohl diese oder eine ähnliche Stelle mißverstanden. Bhāryārtha »Gattinsache« ist wahrscheinlich = Ehe. Vgl. bhāryāvrata Ehegelübdes, eheliche Treue (des Mannes). MBh. XII, 269, 27.


A1 Lies: »der Teilung der Vatersgüter« (statt: »des Erbes«). Auch die Smṛiti schreibt vor: Was einer der Söhne durch eigene Arbeit oder sein Wissen erworben hat, ohne daß daran das väterliche Vermögen beteiligt war, oder was er von einem Freund oder durch eine Heirat oder durch die besondere Gunst des Vaters oder der Mutter oder anderer, oder was einer am väterlichen Gut, das durch Räuber, Diebe oder sonstwie verloren war, wieder erringt, das soll nicht den Miterben, sondern ihm allein zustehen. N. XIII, 6, 7, 11; M. IX, 206, 208; G. XXVIII, 30; Vish. XVIII, 42f.; Y. II, 118f., 123; Mahānirvāṇat. XII, 97, 111. Vgl. Bṛ. XXV, 78; Çukran. IV, 5, 599f. Sogar am Selbsterworbenen des Vaters haben die Söhne ohne dessen Willen keinen Teil. M. IX, 209; Bṛ. XXV, 2f.; Vish. XVII, 1. Wegen der verschiedenen Weisen, Gut zu erwerben, siehe N. I, 44ff.; besonders 51–54; M. X, 115f.; G. X, 39–42; Bṛ. IX, 1–2. Dennoch verlangt das indische Volksbewußtsein, daß jemand, der sich Reichtum gesammelt hat, mit heruntergekommenen Brüdern teile, ja so sogar mit deren Nachkommen, wenn jene selber tot sind. Dubois-Beauchamp, Hindu Manners usw. 3d ed. S. 374f. Vgl. Chavannes, Cinq cents contes III, S. 49ff.


A2 »Bei des Vaters Tod« (in Zeile 13) wird besser gestrichen Statt »sollen« wäre »mögen« vielleicht vorzuziehen. Wegen dieser »neuen Erbvereinigung« vgl. besonders N. XIII, 24–27, 44; M. IX, 210ff.; G. XXVIII, 28; Vish. XVII, 17; XVIII, 41; Y. II, 138; Bṛ. XXV, 73ff. Statt ṛiddhyamçaṃ lesen Jolly und Gaṇ. dvyaṃçaṃ: Der doppelte Anteil für den Bruder, der selbständig Gut erworben hat, findet sich auch in Vas. XVII, 51; Bṛ. XXV, 77. Dyaṃçaṃ bei Kauṭ. kann Schlimmbesserung nach der Smṛiti sein. Dem auf jeden Fall sehr vernünftigen ṛiddhyaṃçam in Sham.'s Text entsprächen Bṛ. XXV, 78 und die Parallelen dazu.


A3 Es müßte wenigstens heißen: »den ihm ... zustehenden einen Teil bekommen.« Aber Gaṇ. wird Recht haben. Nach ihm muß man übersetzen: »Vaterlos Gewordene und zugleich auch mehrfacher Art Angehörige (d.h. vaterlose Söhne, die zugleich von verschiedenen Müttern stammen), sowie auch Brüder und Söhne (die zusammen Ansprüche haben) sollen einen Vatersteil bekommen.« Er erläutert: Es sind z.B. drei Brüder, die nicht geteilt hatten, gestorben. Unter diesen hatte der älteste drei Söhne, der mittlere zwei, der jüngste einen. Da werden nun drei Teile des Gesamtvermögens gemacht, von denen die drei Söhne des ältesten einen bekommen,die zwei des mittleren einen, der eine des jüngsten einen. Oder: Von zwei Brüdern, die nicht geteilt haben, ist einer gestorben. Vom Toten sind drei Söhne da. Da wird das Gesamtvermögen in zwei Teile geteilt. Einen erhalten die drei Söhne, einen der überlebende Bruder.


A4 Ebenso wie Kauṭ. auch M. IX, 191; Vish. XVII, 23; Y. II, 120. Bei M. wird das etwas schwierige striyā, das man am besten als Gen. faßt und zu jātau zieht, durch striyāṃ ersetzt werden müssen.


A5 Die genau entsprechende Regel des Kāty., natürlich nur eine Versifizierung nach dem Arthaç., hat schon Jolly beigebracht (ZDMG. 67, S. 57). Y. II, 114f. dagegen sagt, der Vater solle in diesem Fall die Söhne nach Belieben bedenken oder den Ältesten mit dem Anteil des Ältesten, oder alle gleich, dann aber auch die frauengutlose Gattin. Vgl. N. XIII, 4; Vish. XVII, 1. Nach Ā. II, 6, 14, 15 soll der Vater den Sohn, der in unrechter Weise das Geld verausgabt, enterben, und G. XXVIII, 40 gibt als Lehre »einiger«: »Sogar der Sohn von einer Frau gleicher Kaste mit dem Gatten soll nichts bekommen, wenn er nicht wandelt, wie es sich gehört.« Vgl. Bṛ. XXV, 42. Nach Hamurabi § 168f. muß der Sohn da erst ein schweres Verbrechen begangen haben, und auch das muß ihm der Vater das erstemal verzeihen. Mit dem folgenden Satze vgl. M. IX, 105, 108–11; G. XXVIII, 3; Vish. XV, 28–30. Freilich handelt es bei diesen um einen Toten mit Vermögen, ebenso bei N. XIII, 5. Dieser lehrt: »Der Älteste mag seine Brüder (die dann nichts bekommen) wie ein Vater erhalten, oder auch der Jüngste, wenn er tüchtig (çakta) ist; denn von der Tüchtigkeit hängt das Gedeihen in einer Familie ab«, was ganz in Übereinstimmung steht mit anderen Stellen der Smṛiti, z.B. B. II, 2, 12f und mit Kauṭ.


A6 vgl. B. II, 37 (= II, 2, 3, 36): »Das Erbteil der noch nicht handlungsfähigen Söhne soll man samt dem Zuwachs (an Zinsen usw.) wohl verwahren, bis sie handlungsfähig werden.« Ähnlich Vas. XVI, 8f.; M. VIII, 27; G. X, 48; Vish. III, 65; Çukran. V, 139 (wo überall der König verpflichtet wird, das Gut von Minderjährigen, bzw. von Vedaschülern, bis zur Volljährigkeit oder zur Heimkehr vom Lehrer zu bewahren).


A7 Vgl. N. XIII, 33f.; M. IX, 118; Vish. XV, 31; Bṛ. XXV, 21; Y. II, 124.


A8 Aus der Smṛiti kommen zu Kauṭ.'s Erbunfähigen hinzu: den Vater Hassende, mit einer der nach den großen Todsünden kommenden Vergehen Beladene (?), mit unheilbarer oder schlimmer Krankheit Behaftete, Taube, Stumme, Lahme, an irgendeinem Organ Verkürzte (nirindriya), Defekte (vikala), solche, die Waldsiedler, Wanderasketen oder ewige Vedaschüler geworden sind, nicht mehr Handlungsfähige (d.h. zu Alte, über die 70 Jahre Hinausgerückte), in Unglück oder Laster Versunkene (vyasanin), Arbeitsunfähige oder ihre religiösen Pflichten nicht Erfüllende (akarmin). G. XXVIII, 23; M. IX, 144 und N. XIII, 19 nennen noch den in ungehöriger Vikariatzeugung Entstandenen und Vish. XV, 37f. den »wider den Strich« Gezeugten samt dessen Sohn. Erhalten werden aber müssen alle die Aufgeführten mit Ausnahme des entkasteten Mannes. B. II, 2, 38–41 schließt auch den Sohn des aus der Kaste Gestoßenen aus. Nicht in Frage kommen natürlich da die ewigen Vedaschüler, die Waldsiedler und die Wandermönche. Siehe B. II, 2, 38–41; Ā. II, 6, 14, 1, 15; Vas. XVII, 52ff.; N. XIII, 21f.; M. IX, 201–204, 214; G. XXVIII, 23, 40, 43f.; Vish. XV, 32–39; Y. II, 140f. Der Sohn eines entkasteten Vaters erbt dessen Kastenlosigkeit, jedenfalls wenn er nach dem Sündenfall gezeugt worden ist, wie Vish. XV, 36 ausdrücklich angibt, nicht aber die Tochter; denn sie geht ja durch die Ehe auf einen anderen, in eine andere Familie, über. Sie mag man heiraten, aber ohne Vermögen. So Vas. XIII, 51ff. Vgl. Y. III, 261. Eine noch freiere und menschlichere Anschauung vertreten die zwei ältesten Smṛiti. Die abhiçasta sind, wie wir gehört haben, eines schweren Vergehens, besonders der Brahmanentötung und ihr gleichstehender Frevel beschuldigte Menschen. Sie wohnen in Kolonien, in regelrechten Gemeinwesen, beisammen wie Aussätzige. Daß diese »Verfehmten« ihre Kaste verloren haben, geht schon daraus hervor, daß B. in der nun folgenden Stelle (II, 1, 49 = II, 1, 2, 18ff.) sie patita nennt, während auch Ā. I, 10, 29, 8 abhiçasta beibehält. B. schreibt: »Die Entkasteten nun sollen sich zusammentun und ihren Pflichten nachleben, für einander opfernd, einander unterrichtend, sich untereinander verheiratend. Haben sie Söhne erzeugt, dann sollen sie zu ihnen sprechen: ›Zieht in die Welt hinaus, weg von uns. So werdet ihr hier wohl auch zu Ārya gelangen‹. Nun ›fällt‹ ja ein Mensch nicht zusammen mit seinen Organen (d.h. seine Organe werden nicht von der Entkastung mitbetroffen, also auch nicht das Zeugungsorgan). Dies kann daraus erkannt werden: einer, dem ein Glied fehlt oder mangelhaft ist, erzeugt einen Sohn mit allen und vollkommenen Gliedern.« Fast ganz gleich Ā. Aber beide fügen hinzu, der alte Lehrer Hārīta erkläre dies für falsch, und melden, wie er seinen Widerspruch begründet. Hārītas Anschauung hat natürlich gesiegt.


A9 Y. II, 141 lehrt: »Ihre (der erbunfähigen) Söhne, ob nun leibliche oder durch stellvertretende Zeugung entstanden, bekommen ihr Erbe, wenn sie fehlerfrei sind.« Vish. XV, 34ff. läßt nur ihre leiblichen Söhne erben und schließt auch den Sohn des Entkasteten aus, wenn er nach der Entkastung, bzw. dem betr. Vergehen, gezeugt ist; M. IX 203 scheint voll so milde zu sein wie Y.; er nennt keine Einschränkung, weder was die Väter, noch die Art der Söhne betrifft. Nur Nachlässigkeit wird es sein, wenn G. XXVIII, 44 einzig den Sohn des Blödsinnigen (jaḍa) als erbberechtigt aufführt. Wegen der Pflicht der Vikariatszeugung und der Übergebung des Vermögens vgl. M. IX, 146, 190.


A10 Gaṇ. liest arthagrāhiṇaḥ, wohl durch Konjektur; er sagt: Ihārthagrāhiṇam ity apapāṭhaḥ pratibhāti. Es wäre hier also von Schuldenbezahlung für einen Toten die Rede und der Sinn dieser: »Ist (in der Reihe:) Vater, Bruder, Sohn der jeweils Vorangehende vorhanden, dann halten sich Leute, die Geld zu bekommen haben (also Schuldherren) nicht an den jeweils folgenden (sondern immer an den vorhergehenden), und ist ein Älterer vorhanden, nicht an einen Jüngeren.« Lebt der Vater, so muß er bezahlen; leben Brüder von ihm, dann sie und nicht Söhne des Verstorbenen usw. Natürlich kämen hier nur »Zusammenwohnende« in Frage. Bei dieser Lesart schiene jyeshṭhe na (oder ca na) besser zu sein. So wird der Satz an sich glatter, wenn auch nicht anstoßlos. In den Zusammenhang freilich fügt er sich nicht so gut ein wie bei meiner Auffassung im Text. Auch lägen arthagrāhin Geldaufnehmer, Schuldner wohl weit näher, wenigstens nach riṇagrahaṇa Aufnehmen einer Schuld (147, 16) und sahagrāhin Mitaufnehmer einer Schuld (174, 18), sowie grahaṇa Borgen in N. XIII, 38. So möchte vielleicht doch arthagrāhiṇam auch bei dieser Auslegung richtig sein: »dann hält man sich (wenn man eine Schuld einzufordern hat) nicht an einen jeweils folgenden, und lebt ein älterer, nicht an einen jüngeren Schuldner.« Grammatisch wäre dies gewiß besser. Auf jeden Fall aber wäre auch avalambate in ungewöhnlicher, obschon nicht unwahrscheinlicher Bedeutung gebraucht.


A11 Nach Kauṭ. 161, 9; N. XIII, 32; M. VIII, 166; IX, 218; Y. II, 117 schiene nur an die Schuldenbezahlung gedacht zu sein. Aber es werden wahrscheinlich auch sonstige Ausgaben, wie z.B. für die Bestattung und die Totenopfer in Betracht kommen.


A12 Gaṇ. liest pretakāryavarjam. Ähnlich heißt es in Bṛ. XXV, 60f., wenn ein Mann weder Gattin, noch Brüder, noch Vater, noch Mutter hinterlasse, sollten alle sapiṇḍa sein Gut teilen, aber erst nachdem sie die Hälfte davon für des Verblichnen çrāddha oder Seelenopfer auf die Seite getan hätten. Auch nach der gesamten Smṛiti fällt völlig erbenloses Gut dem König zu, abgesehen von dem eines Brahmanen; denn dies muß der Fürst Vedagelehrten übermachen. Nur fehlt da Kauṭ.'s vorsorgliche Einschränkung wegen des Frauenunterhalts und der Auslagen für den Toten. Bloß N., der ja gemäß dem älteren Recht die Witwe vom Erbe des Gatten ausschließt, sagt wenigstens, der Fürst müsse dann dem Frauenvolk, das von dem Dahingegangenen abhing, den Lebensunterhalt gewähren (XIII, 52). Ebenso Bṛ. XXV, 68ff., obgleich bei ihm die Witwe den Sohnlosen beerbt. Im Leben ist es freilich allzu oft zugegangen wie in jenem kaschmirischen Märchen aus neuerer Zeit: Ein Mann ohne Brüder oder Kinder stirbt, sein Eigentum wird dem König übergeben; die Frau kriegt nichts. Knowles, Folk-Tales of Kashmir S. 460. Vgl. auch Jolly, Recht und Sitte, 86 unten bis 87. Wegen des Königs als Erben siehe B. I, 5, 100ff. (= I, 5, 11, 14); Ā. II, 6, 14, 5 (hier ohne die Klausel vom Brahmanengut); Vas. XVII, 83ff.; N. XIII, 51f.; G. XXVIII, 41–42; M. IX, 189; Vish. XVII, 13f.; Bṛ. XXV, 67ff. Befremdend wirkt G. XXVIII, 41–42: Çrotriyā brāhmaṇasyānapatyasya rikthaṃ bhajeraṇ. Rājetareshām. Vgl. 21. Ist da anapatyasya Ungeschicklichkeit für adāyādasya? Oder hat sich da ein Trümmerstück aus älteren, roheren Zuständen oder aus dem wirklichen Leben in dieses ziemlich junge und dabei höchst brahmanenfreundliche Werk hinübergerettet? Vgl. Kauṭ. 61, 11–12; Übers. 84, 9–13 und die Zusatzanm. zu 84, 44.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 254-257.
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