Fünftes Kapitel (93. Gegenstand).

Wie man sich nach den Umständen richten soll.

[388] Der mit Geschäften Beauftragte weise den nach Abzug der Auslagen übrig bleibenden Gewinn auf. Und mit der Angabe: »Das ist es. So ist es«1 grenze er genau ab, ob ein Geschäft dem innersten Kreise des Fürsten oder den ihm ferner Stehenden angehört,A1 ob es geheim oder öffentlich ist, ob man sich dabei beeilen muß oder zuwarten darf.

Hängt sein Herr an Jagd, Würfelspiel, Rauschtrank oder Weibern, dann schmiege er sich ihm an. Er sei da in seiner nächsten Nähe und bemühe sich durch Lobeserhebungen seine Laster zu beseitigen.2 Und er bewahre ihn vor den Einflüsterungen, Nasführungen und Hinterlisten anderer.

Und er achte auf seine Gebärden und seinen Gesichtsausdruck. Denn mit Hilfe von Gebärden und Gesichtsausdruck übt zu dem Zweck, den Rat des Herzens zu verbergen, die Umkehrung (Vertauschung) der Gegensätze (d.h. zeigt gerade das Gegenteil des Empfundenen bei): Liebe und Haß, Freude und Traurigkeit, Entschlossenheit und Furcht der Weise.3

An den folgenden Zeichen erkennt man den gnädigen Fürsten:

Beim Anblick des Betreffenden zeigt der König sich gewogen. Seine Rede nimmt er an. Er bietet ihm einen Sitz. Er läßt ihn [388] zu sich, wenn er allein ist. Er argwöhnt nicht zu sehr, wo ein Argwohn möglich ist. Er freut sich seiner Unterhaltung. Bei Dingen, die er ihm (sonst) zur Kenntnis bringen müßte, sieht er selber zu.4 Er nimmt es hin, wenn er ihm Heilsames (aber Unangenehmes) sagt. Er gibt ihm unter Lächeln Aufträge. Er berührt ihn mit der Hand. Er rühmt ihn, wo etwas zu rühmen ist. Er lacht ihn nicht aus bei seinen Schwächen.5 Er verkündet seine verborgene Tugend. Gibt es Kuchen, dann denkt er an ihn. Er geht mit ihm zu Vergnügungen. Er springt ihm bei im Unglück.6 Seine Getreuen ehrt er. Er sagt ihm Geheimnisse. Er mehrt seine Ehre. Er fördert seinen Vorteil. Er hindert seinen Schaden.

Gerade das Gegenteil findet sich beim Ungnädigen. Doch wir wollen das ausführlich darlegen:

Er ärgert sich bei seinem Anblick. Er hört nicht auf seine Rede oder verwehrt sie ihm. Er gewährt ihm weder Sitz noch Blick. Er wechselt Farbe und Ton der Stimme. Er verzieht ein Auge, die Brauen und die Lippen. Er fängt ohne Anlaß zu schwitzen, zu schnaufen oder zu lächeln an. Er hat keinen Spruch für ihn.7 Er geht unversehens weg. Er fördert den anderen. [389] Er kratzt am Boden und an seinen Gliedern.8 Er stachelt einen anderen gegen ihn auf. Er schmäht seine Wissenschaft, Kaste oder Heimat. Er tadelt an ihm die Fehler, die er mit anderen teilt. Er tadelt an ihm die besonderen Fehler.9 Er preist die, die ihm zuwider und wider ihn sind. Er hat kein Auge für seine guten Taten. Er posaunt seine bösen Taten aus. Er beachtet ihn nicht, wenn er eingetreten ist.10 Er übt gar keine Rücksicht auf ihn. Er redet ihn ungebührlich an.11 Und die, die beim Könige Zutritt haben, [390] ändern gegen ihn ihr Betragen, und sogar an den Tieren mag er den bösen Wechsel in ihrem Verhalten gegen ihn beachten.12

»Dieser gießt übermäßig«.13 Also Kātyāyana (von dem Diener des Königs, der das kühlende Maß allzuheftig goß?) und ging davon.

»Der Brachvogel ist nach links hin gegangen!«14 So Kaṇinka Bhāradvāja.

»Ja, das Stroh (das Gras)!« So Dīrgha Cārāyaṇa.

»Kalt ist das Badegewand!« So Ghoṭamukha.15

»Der Elefant hat mich mit Wasser vollgespritzt!« So Kiñjalka.

»Er pries das Wagenpferd!« So Piçuna.16

[391] »An dem Anbellen durch den Hund (sehe ich's, wie es steht)!« So der Sohn des Piçuna.17

Und ist Vorteil und Ehre ihm entrissen, dann soll er (einen solchen Fürsten) verlassen. Oder er möge, nachdem er hinter seines Herrn Charakter und die Kränkung seiner selbst18 gekommen ist, der Sache durch Gegenmittel abhelfen. Oder er mag sich zu einem Freunde von ihm (dem Fürsten), den er an sich gezogen hat, begeben.

Dort weiland möge er mit Hilfe der Freunde daran arbeiten, die Fehler, die an seinem Herrn sind, zu beseitigen, und von dort bei Lebzeiten des Herrn oder nach dessen Tod zurückkehren.A2

Fußnoten

1 Oder: »dieses ist so (jenes so«).


2 Er soll dem Könige dadurch, daß er ihm ein ruhmwürdiges Bild seiner selbst vorhält, zugleich ein Ideal vorhalten. Denn dieser wird schon fühlen, daß er das Lob nicht verdient, sich schämen und sich bessern. An dem Höfling liegt es freilich, so zu rühmen, daß das Lob nicht einfach ein gierig genossner Zucker sei, sondern wirksame Arznei gegen die fürstlichen Laster in sich schließe. Was Kauṭ. in diesen Sätzen verlangt, hat wohl niemand besser geleistet als der junge Goethe in seinem Verhalten zu dem unreifen Karl August von Weimar.


3 Ich lese .... ācarati prājñaḥ. Darçane usw. Vgl. saṃdarçane kopaḥ in Zeile 18. Wenn die Menschen mit Hilfe ihrer Gebärden (iṅgita die unwillkürlichen Bewegungen) und ihres Gesichtsausdrucks (ihres Aussehens ākāra) ihre Gedanken und Absichten (mantra) verbergen, ja wenn sie so des Gegenteil von dem zur Schau tragen, was sie fühlen, wie vermag da jemand gerade aus ihren Gebärden und ihrem Mienenspiel ihr Seelenleben abzulesen? Man erwartet also den Hinweis, daß die Leute so sich selber verraten. Aber es ist unmöglich, Sham.s Text derart zurechtzuquetschen, daß er diesen Sinn ausdrückt, obwohl Sham. das Kunststück auch hier getrosten Mutes unternimmt. Nun gibt es aber Sterbliche, die wirklich die hier von Kauṭ. genannte Verstellungskunst besitzen. Das sind eben die, von denen er hier redet, nämlich Höflinge, die diesen Namen wirklich verdienen. B. liest ācaranti, und Çaṃk. zitiert zu Kām. V, 34 zwar unvollständig und gewiß aus dem Gedächtnis: Prajñā hi mantrasaṃvaraṇārthaṃ rāgadveshaviparyāsam iṅgitākārābhyām ācarantiA3. So bekämen wir: »Denn mit Hilfe von Gebärde und Gesichtsausdruck das Gegenteil (des Gefühlten) bei den Gegensätzen: Liebe und Zorn, Freude und Traurigkeit, Entschlossenheit und Furcht zeigen (nur) die Weisen.« Nicht aber Menschen wie die »Könige von der Götter Gnaden«, d.h. von der Gnade solcher »Erdengötter« wie z.B. der Brahmane Kauṭ., der öfters im Arthaçāstra, manchen Vorgängern ähnlich, es klar ausspricht, daß der Fürst ohne seine Berater nichts ist; daß er bis an sein Lebensende demütig eifriger Schüler der Weisen, eben unserer prājñās, bleiben muß. Dem König also kann so ein kluger Höfling ganz gut ansehen, was in seinem Innern vorgeht. Wie sehr solch ein Tropf alle Gemütsregungen offenbart, das stellt uns ja Kauṭ. im folgenden eingehend und lebhaft vor Augen.


4 D. h. er kommt den Wünschen zuvor. Der Diener muß ihn namentlich nicht auf des Leibes Nahrung und Notdurft aufmerksam machen; der Fürst sorgt von selber für ihn, wenn er etwas nötig hat. Am Ende aber doch einfach: »Bei Angelegenheiten, die er ihm unterbreiten muß, achtet er auf ihn.«A4


5 Sind die Worte des Textes, wie sie dastehen, richtig, dann fehlt etwas. Nach Kām. V, 37 und Daçak. 198, 6–7 setze ich zwischen çlāghye und nopahasati ein: çlāghate. Marmaṇi. Oder man muß açlāghye lesen: »Bei unrühmlichen Dingen lacht er ihn nicht aus«.A5


6 Abhyavapadyate wie Rām. III, 59, 18; 67, 17; 68, 22; V, 26, 17; VI, 100, 24. Dagegen = sich zu jemand begeben, sich ihm ergeben Kauṭ. 380, 12, 14; 386, 13. Oder sollte einfach ein Beileidsbesuch gemeint sein (vyasane paritapyate sive anutapyate Kām. V, 39; vyasaneshv anukampate Daçak. 198, 1)?


7 Ich lese Svedapraçvāsasmitānām asthānotpattiḥ. Aparimantraṇaṃ. Parimantrayati heißt sonst: mit einem Spruch oder Zauber besprechen. Es mag also an die unheilabwehrenden Sprüche und Formeln gedacht sein, die in Indien bei so vielen Anlässen nötig sind. Diese wendet der König gegenüber dem ihm Mißliebigen weder selbst an noch läßt er sie anwenden. Um nur etwas alltägliches zu nennen, so muß man z.B. dem Niesenden zurufen: jīva (lebe, bleib am Leben), sonst geht es ihm leicht schlimm, wie schon aus Jātaka Nr. 155 (vgl. Kathās. Kap. 28) bekannt ist – ein ja an gar manchen Orten vorkommender und wiederholte Male besprochener Aberglaube. Oder ist parimantraṇa dasselbe wie nimantraṇa (»er lädt ihn nicht ein«)? Das stünde dem ganzen Zusammenhang und dem Daçak. nach am nächsten. Oder wäre möglich: »er spricht um ihn herum, d.h. er redet an ihm vorbei«? Wohl kaum. Mantrayati heißt nicht einmal sprechen. Dann schon eher: »berät sich ohne ihn«. Aber auch das verdient wenig Vertrauen. Eher wird paramantraṇam zu lesen sein: »Er berät sich mit andern (oder: mit seinen Feinden).«A6


8 Fast scheint es, als müsse man übersetzen: »Er scharrt mit den Füßen am Boden.« Das geschieht aus Verlegenheit, Scham, usw. oft in der altind. Lit. Vgl. meine Anm. zur Übers, des Kuṭṭanīmatam Str. 467. Gātra wäre ja eigentlich Werkzeug des Gehens, also Bein, Fuß. Aber es wird sonst für »Glied« gebraucht. Zwar muß ja nun in England das leg unter dem Deckmantel der Prüderie verborgen bleiben; für die Öffentlichkeit gibt es nur ein »limb«, gerade wie der Bauch in England nur als »stomach« und bei uns als »Leib« maskiert in die gute Gesellschaft zugelassen wird. Aber solche zarte Keuschheit kannten die altindischen Heiden nicht. Also wird es wohl trotz des von Jolly hierher gestellten bhūmiṃ likhate pādābhyām (Nār. I, 194) bei meiner Übersetzung bleiben müssen.


9 Vgl. Daçak. 198, 6: matsamānadoshān vigarhati, was heißen kann: »er tadelt an mir Fehler, wie sie jedermann hat« (wörtl. gemeinsame, gewöhnliche, alltägliche Fehler) oder: »er tadelt die, die dieselben Fehler haben wie ich«. Ebenso wäre dann für unser samadoshanindā natürlich denkbar: »Tadel derer, die die gleichen Fehler haben«. Pratidosha, »Gegenfehler, die entgegengesetzten Fehler« (oder: »die dem einzelnen entsprechenden Fehler?«), also die individuellen Fehler.


10 Ich lese pravishṭānavadhānaḥ. Der Text hieße: »er achtet auf jeden, der eingetreten ist« (aber nicht auf ihn). Die vielleicht richtige Lesart von B pṛishṭhāvadhānaḥ ergibt: »er wendet die Aufmerksamkeit seinem Rücken zu« (schaut ihn aber nicht ins Gesicht, beachtet ihn nicht).


11 Ist der Text richtig, dann bieten sich mir folgende Auffassungen: 1. Er meidet ihn allzusehr, entläßt ihn zu früh, läßt ihn zu viel allein stehen; 2. er läßt sich ihm gegenüber allzu sehr gehen. Tyāga als Gegensatz zu saṃyama oder Zügelung haben wir nämlich 256, 1. Meine farblose Übersetzung sucht diese Möglichkeiten zu vereinigen. Mithya aber gebraucht Kauṭ. sonst nur in der Bedeut. »falsch, lügenhaft«. Daher möchte ich schier meine obige Übertragung (oder: »falsch, unrichtig anreden«) mit Verdacht entlassen und atityāgo mithobhibhāshaṇānāṃ (oder mithobhibhāskaṇasya) lesen: »allzusehr (allzu deutlich) meidet er, mit ihm unter vier Augen zu reden«.A7


12 Die von hier an folgenden rätselhaften Sätze fasse ich als Beispiele, wie namentlich die Diener und die Tiere, die um den König sind, durch ihr Gebahren verraten, daß ihr Herr seine Ungnade auf den Betreffenden geworfen habe. Allem Anschein nach handelt es sich jedesmal um einen verschiedenen Fall, nicht aber um eine einzige Erzählung, wie Sham. in seiner Übers, meint. In der zweiten Textauflage teilt er nun Geschichtchen mit, von denen unsere Stichworte herkommen sollen (S. XXf.). Aber sie helfen sehr wenig, höchstens könnten sie nach dem Arthaçāstra zurechtgemacht worden sein, auf keinen Fall aber kann sich Kauṭ. auf sie beziehen. Eine dieser Anekdoten, die natürlich nichts mit unserer Textstelle zu tun hat, sei hier mitgeteilt. Ein Elefant, den der König sehr liebte, war am Absterben. Der Fürst ließ ihn in ein Dorf bringen und den Dörflern melden: »Untersteht euch nicht, mir die Kunde zu bringen, daß der Elefant gestorben sei. Täglich aber müßt ihr mir Nachricht zukommen lassen, wie es ihm geht«. Trotz sorgsamer Hut starb der Elefant. Die Dörfler meldeten dem König: »Majestät, heute setzt sich der Elefant nicht nieder, er steht nicht auf, er nimmt kein Futter zu sich, er gibt keine Ausscheidung von sich. Er atmet nicht aus, er atmet nicht ein. Wozu viel Worte: er tut nicht, was ein lebendiges Wesen tut«. Der König rief: »Was Teufels, der Elefant ist verreckt?« Darauf sprachen die Dorfleute: »Eure Majestät haben geruht, das zu sagen. Wir haben es nicht gesagt«. Da schwieg der König und die Dörfler gingen heim. Diese Erzählung könnte z.B. sehr wohl im 546. Jātaka stehen (im Mahāummaggajātaka), das Motiv selber, das in mancherlei Formen vorhanden ist, dürfte aus Fontanes Gorm Grymme am bekanntesten sein. Vgl. Zachariae, Kl. Schriften S. 182ff.; 391.


13 »So« heißt hier überall: so oder daran erkannte der betreffende die Gesinnung seines Herrn und ging davon. Uccais heftig, übermäßig, wie MBh. IV, 4, 48; V, 137, 32?A8


14 Ein Gehen nach links weissagt in Indien Unglück und bekundet Mangel an Achtung. Daher haben wir sogar apasavyaṃ vacas eine unglückweissagende Rede oder eine widrige Rede. MBh. V, 138, 27 (vgl. 143, 17). Der Vogel ist ein Lieblingstier des Fürsten.


15 Snānaçāti heißt das für das Bad im Hause gebrauchte Gewand. MBh. XIII, 20, 1ff. Im Winter z.B. mag ein zu kaltes unangenehm werden.


16 Der König hat wohl das Wagenpferd selber geschenkt. Nicht der Minister, sondern die eigene Freigebigkeit bekommt also das Lob, vielleicht mit dem durchklingenden Bedauern, daß sie an einen Unwürdigen verschwendet worden sei. Auf jeden Fall wird irgendwie dem Minister durch das Lob der Tiere ein Dolchstich versetzt.


17 Çunām »durch die Hunde« steht çūnam näher; Dennoch habe ich diese meine ursprüngliche Besserung dann dem pratiravaṇe çunaḥ von B zuliebe aufgegeben. Der Sache nach ist der eine Hund besser. Das Motiv vom bellenden Hunde, der die Ungnade seines Herrn oder seiner Herrin offenbart, findet sich ja in mehrfachen Formen.


18 Wörtlich: »die Versündigung an ihm selber«. Der Gen. scheint absichtlich statt ātmakilbisham gewählt zu sein, um den Unterschied gegen svāmiçīlam hervortreten zu lassen. Also kaum: »seine eigene Versündigung«. Ja, kilbisha selber bedeutet auch »Kränkung«. So MBh. II, 14, 53; 21, 45; V, 192, 32.


A1 Ich habe lange geschwankt, ob nicht nach der bei Kauṭ. gewöhnlichsten Bedeutung von bāhya, und ābhyantara zu übersetzen sei: »ob ein Geschäft dem Lande draußen oder der Residenzstadt drinnen angehöre.« Aber der Sache nach scheint mir die endlich von mir in den Text gesetzte Auffassung entschieden besser zu sein. Anders denkt Gaṇ. Mit unserem samayācārika vgl. samayānucara »sich nach den Zeitumständen richtend« in Çukran. IV, 7, 581; das gleichbedeutende kālacāri in Aṅgutt.-Nik. III, p. 145; samaya die Zeitumstände, der Fall in Majjh.-Nik. I, 438f.


A2 Gaṇ. liest jīved statt jīve »... beseitigen. Darauf (wenn dies gelungen ist) möge er wieder bei seinem Herrn leben oder (wenn dessen Sinnesänderung nicht erfolgt) nach dessen Tod zurückkehren.«


A3 Hinter ācaranti füge ein: Auch Nītiv. 29, 3–4 zeugt für den Plur.: »Aus den Veränderungen im Gesicht und dem Gebaren mit den Händen (karābhinaya) oder dem Ton der Stimme (pratidhvāna) erschließen die Klugen (vicakshaṇāḥ) sogar die Absicht, die einer im Herzen hegt.« Gaṇ. hat ebenfalls ācaranti prajñāḥ.


A4 Gaṇ liest parajñapyeshu: »bei Dingen, die ihm andere unterbreiten müssen, berücksichtigt er ihn.« Dies bedeutet nach ihm: wenn ihm andere ein nötiges Geschäft vorlegen, begehrt er dabei den Beistand des betreffenden.


A5 Gaṇ. hat Çlāghyenopahasati. Parokshe quṇaṃ bravīti »Wenn er etwas Rühmenswertes getan hat, lacht er ihn an. In seiner Abwesenheit redet er von seinen Vorzügen« So nach Gaṇ.'s Erklärung. Aber soviel ich weiß, heißt upahasati nur: er lacht ihn aus. Zum Ganzen vgl. auch MBh. XII, 104, 45ff.


A6 So nach Gaṇ.'s Glosse, der ebenfalls parimantraṇam liest. Aber dies hat kaum den Sinn. Im Prākrit heißt mantrayati übrigens sprechen. Auch Gaṇ. liest svectaç ca. Aber ca ist zu sonderbar. Außerdem hätte Kauṭ. çvāsasmitayor, wenn svedaç ca richtig wäre.


A7 Atityāga bedeutet nach Gaṇ.: »wenn er von einer Sendung zurückgenommen ist, schickt er ihn gleich auf eine andere weg.«


A8 Es muß vielleicht heißen: »Er gießt von oben.« Nach Gaṇ.'s Mitteilung liegen folgende Geschichten zugrunde. Der König Somadatta im Pauṇdraland hatte einen bösen Verdacht gegen seinen Minister Kātyāyana. Er befahl, ihn zu töten. Ein Diener, der davon erfuhr und sonst immer den Minister sachte von unten (?) zu begießen pflegte, begoß ihn nun heftig von oben her. Der Minister merkte da, was die Uhr geschlagen hatte. Kanimka Bhāradvāja stand im Dienste des Königs Paramtapa von Koçala. Einmal wurde dieser sehr zornig über den Weisen und schalt auf ihn. Sein Lieblingsbrachvogel hörte das und ging beim nächsten Mal, wo der Minister den König aufwartete, nach links hin dem Gaste aus dem Weg, während er sonst nach rechts um ihn herumgegangen war. Der junge König von Magadha nahm es krumm, daß seine Mutter seinen Lehrer Dirgha Cārāyaṇa so sehr ehrte. Als sie eines Tages dem Minister wieder mit Essen aufwartete, streute er Stroh darüber und reichte ihm das Gericht Ghoṭamukha unterrichtete den Sohn des Königs Amçumant von Avanti. Aus irgendeinem Grunde geriet der Vater in Wut über ihn. Sein Schüler, der den Lehrer liebte, erfuhr es, und als er vom Bade kam, ging er mit freiem Halse daher, während er sonst jedesmal das Badegewand ausgewunden und um den Hals geschlungen getragen hatte, und er sagte: »Das Gewand ist kalt.« Wenn der gelehrte Kinjalka zu seinem Herrn, dem Fürsten der Vanga, ging, liebkoste er immer den ihn zärtlich bewillkommnenden Reitelefanten des Königs. Aber eines Tages faßte der Herrscher, als er auf diesem Tiere saß, einen bösen Ratschluß gegen Kinjalka. Das hörte der Elefant, und als das nächste Mal der Weise zum Zweck der Liebkosung vor ihm stillstand, begoß er ihn mit Wasser. Piçuna lebte am Hofe des Pradyota von Ujjayini als Lehrer von dessen Sohn Palaka. Als die Lehrzeit zu Ende war, wollte der Purst dem Magister sein Gut rauben. Aber der junge Mensch rettete den teuren Lehrer: er fuhr ihm entgegen, hielt an und sagte: »Dies Pferd kann an einem Tage 30 yojana laufen.« Wie all die anderen genannten roch auch er als Kluger da Lunte – er hörte die Mahnung heraus, selber zu laufen, so rasch er könne, und setzte den Gedanken sofort in die Tat um. Der Sohn dieses Piçuna hatte eine nicht minder feine Witterung. Schon in zartem Alter war er im Nitiçastra gründlich beschlagen, konnte aber seiner Jugend halber nicht zum Minister gemacht werden. Darum beschloß sein Fürst, ihn einzusperren, bis er alt genug sei; denn er fürchtete, sonst möchte dieser kostbare Schatz ihm entschlüpfen und einem anderen zuteil werden. Des Königs Hund hörte von dem Plan und bellte darum den Knaben heftig an. Da machte sich Piçunas Sohn eilig aus dem Staub.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 388-392.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon