Unendlich viele Welten

[92] Wenn zudem noch der Stoff in gewaltiger Menge sich findet,

Wenn auch der Raum zureicht, kein Ding und kein Grund sich entgegen

Stellt, dann muß doch entstehn ein Weben und Leben der Wesen.

Wenn nun die Menge der Keime so groß ist, daß sie zu zählen

All die Lebenszeit der lebenden Wesen nicht reichte,

Und darin die Natur sich erhält, die in ähnlicher Weise

Überallhin zu verbringen vermag die Keime der Dinge,

Wie sie sie hierher brachte, so mußt du wieder bekennen,

Daß noch andere Erden in anderen Welten bestehen

Mit verschiedenen Rassen von Menschen und Sippen der Tiere.

Hierzu kommt, daß im Ganzen kein einziges Wesen sich findet,

Das als einz'ges entstünd' und allein und einzig erwüchse,

Ohne zu einem Geschlecht zu gehören, in welchem noch viele

Gleicher Gattung sich fänden. Die lebenden Wesen vor allem

Sind zu beachten. Da findest du bergebewohnende Tiere,

Ferner der Menschen erzeugtes Geschlecht, und endlich die stumme,

Schuppige Herde der Fische und alle die Vogelgestalten,

Darum darf man behaupten, daß ähnlich wie diese der Himmel,

Erde und Meer, auch Sonne und Mond und die übrigen Dinge

Nicht in der Einzahl dürfen vorhanden sein, sondern in Unzahl,

Da ihr Leben nicht minder der grundtief ruhende Markstein

Abgrenzt und sie nicht minder aus sterblichem Körper bestehen

Als das gesamte Geschlecht, das hienieden nach Arten gedeihet.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 92.
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