Unendlichkeit des Weltalls

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Irgendein Ende. So hab' ich's gelehrt, wie die Sache auch selber

Für sich spricht; so wird die Natur des Unendlichen deutlich.

Also muß wohl auch dies ganz unwahrscheinlich erscheinen,

Daß, da leer sich der Raum in das Unermeßliche dehnet,

Und unzählige Keime in endloser Tiefe des Weltraums

Mannigfach schwirren umher, von der ew'gen Bewegung ergriffen,

Dieser einzige Himmel entstünd' und ein einziger Erdkreis,

Während so viele Atome des Urstoffs außerhalb feiern!

Überdies ist die Schöpfung der Welt ein natürlicher Vorgang,

Da sich die Keime der Welt von selbst und durch Zufall begegnen.

Vielfach trieben sie völlig vergeblich und fruchtlos zusammen,

Bis sich dann endlich die plötzlich geeinigten Teilchen verschmolzen

Und dann jedesmal wurden zum Anfang großer Gebilde,[91]

Wie von der Erde, vom Meere, vom Himmel und lebenden Wesen.

So mußt immer aufs neue du dies mir bestätigen, daß sich

Anderswo andre Verbindung des Urstoffs bildet wie unsre

Welt, die der Äther so fest mit brünstigen Armen umklammert.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 91-92.
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