Begriff der Ewigkeit unvereinbar mit der Seele

[120] Ferner muß alles, was ewig besteht, Trotz bieten den Stößen,

Weil entweder sein Körper durchaus massiv und solid ist

Und nicht duldet, daß irgendein fremdes Wesen sich eindrängt,

Welches die enge Verbindung der Teile zu lockern vermöchte,

(Der Art sind, wie ich früher gezeigt, die Atome des Urstoffs),[120]

Oder es kann auch etwas in alle die Ewigkeit dauern,

Weil es kein Schlag je trifft (so steht's mit dem stofflosen Leeren,

Das kein Stoß je trifft, das unantastbar verharret),

Oder es gibt auch ein Etwas, das ringsum ohne den Raum ist,

In den sonst sich der Dinge Bestand verflüchtigt und auflöst.

So ist das ewige All; denn es dehnt sich da weder nach außen

Irgendein Raum zum Entweichen der Dinge noch gibt es da Körper,

Die es durch kräftigen Schlag beim Hineinfall könnten zertrümmern.

Wollte man aber vielleicht die unsterbliche Seele noch retten,

Dadurch, daß man sich stützt auf die schützenden Lebenskräfte,

Weil entweder, was schadet dem Leben, sich gar nicht heranwagt

Oder weil das, was sich etwa genaht, noch bevor wir den Schaden

Fühlen, schon irgendwie sich nach rückwärts wendet und abprallt,

[Läßt sich doch nichts hieraus für das Wesen der Seele gewinnen.]

Spricht doch außer den Leiden des Körpers, an denen sie teilnimmt,

Auch die marternde Angst vor der Zukunft kräftig dagegen,

Welche die Seele bedrängt und durch nagende Sorgen ermattet,

Wie die Gewissensbisse ob früherer Sündenverstrickung.

Hierzu kommen noch weiter die eigentlich seelischen Leiden:

Tollheit, Gedächtnisschwund und die dunkle Woge der Schlafsucht.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 120-121.
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