Wirkung der Epilepsie

[110] Ja, oft stürzt urplötzlich ein Mensch wie vom Blitze getroffen,

Wenn ihn die Krankheit packt, vor unseren Augen zu Boden;

Schaum tritt ihm vor den Mund, tief stöhnt er, ihm zittern die Glieder;

Ohne Bewußtsein, die Muskeln gespannt wie gefoltert, so keucht er

Ungleichmäßig und schleudert die Glieder, bis daß er ermattet.

Weil durch der Krankheit Kraft sich die Seele zerstreut in den Gliedern,

Wird sie in Aufruhr versetzt und schäumet empor wie die Wogen,

Die in dem salzigen Meere des Sturmwinds Wüten emporpeitscht.

Ferner das Stöhnen entringt sich der Brust, weil die Glieder von Schmerzen

Werden ergriffen und dann überhaupt, weil die Stimmelemente

Ausgepreßt und im Munde geballt sich nach außen entladen,

Wo ihr Weg ist gebahnt und wo sie es gleichsam gewähnt sind.

Ferner, Bewußtsein fehlt, weil die Kraft des Geists und der Seele

In Verwirrung gerät und weit auseinander gerissen

Durch das nämliche Gift, wie ich zeigte, vertrackt und getrennt wird.

Sind dann der Krankheit Quellen versiegt und die ätzenden Säfte,

Welche den Körper verseuchten, zurück in den Winkel gekrochen.

Dann erhebt sich der Kranke zuerst wie im Taumel und mählich

Kehrt die Besinnung ihm wieder zurück und die volle Beseelung.

Wenn nun im Körper bereits solch Leiden die Kräfte der Seele

Zur Erschütterung bringt und erbärmlich zersplittert und abquält,

Weshalb soll sie denn ohne den Leib und frei in den Lüften

Mit den gewaltigen Winden ihr Leben zu fristen vermögen?

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 110-111.
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