Gestirnbewegung

[183] Jetzo besinge mein Lied, weshalb sich die Sterne bewegen!

Erstens, sobald sie sich dreht, die mächtige Sphäre des Himmels,[183]

Drückt (so darf man behaupten) die Luft auf den Nord- und den Südpol,

Um sie von außen zu halten und beiderseits zu begrenzen.

Dann strömt drüber ein andrer genauso gerichteter Luftstrom

Wie die funkelnden Sterne am ewigen Himmel sich drehen.

Oder ein anderer Strom treibt unterschlächtig die Sphäre,

Wie wir ja sehn, daß die Flüsse die Schöpfmaschinen betreiben.

Immerhin ist es auch möglich, das ganze Gewölbe des Himmels

Ruhend zu denken, dagegen die leuchtenden Sterne sich drehend,

Sei es, daß reißende Wellen des eingeschlossenen Äthers

Ausgang suchend sich drehn und dessen feurige Lichter

Mit sich wälzen im Kreis durch die endlosen Räume des Himmels,

Oder daß irgendwoher von außen ein anderer Luftstrom

Jene Gestirne beschwingt. Vielleicht auch können sie selber

Dahin wandeln, wohin sie die Nahrung lockt auf dem Wege,

Um auf der himmlischen Weide die flammenden Leiber zu letzen.

Freilich es ist recht schwer in der Welterklärung das Sichre

Auszumachen; nur das, was möglich im All ist und vorkommt

Bei den verschiedenen Welten und ihrer verschiednen Entstehung,

Lehr' ich, und will in der Folge auch mehrere Ursachen nennen,

Die mir als möglich erscheinen für Sternenbewegung im Weltall.

Freilich muß eine auch hier die Ursache sein, die in Wahrheit

Jene Bewegung erregt, doch welche nun unter den vielen,

Dies zu entscheiden verschmäht, wer Schritt für Schritt will vorangehn.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 183-184.
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