II. Akkmulation und Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter

[82] Da die Proportionen, worin der Produktionsprozeß erweiterbar, nicht willkürlich, sondern technisch vorgeschrieben sind, so kann der realisierte Mehrwert, obgleich zur Kapitalisierung bestimmt, oft erst durch die Wiederholung[82] verschiedner Kreisläufe zu dem Umfang heranwachsen (muß also bis dahin aufgehäuft werden), worin er wirklich als zuschüssiges Kapital fungieren oder in den Kreislauf des prozessierenden Kapitalwerts eingehn kann. Der Mehrwert erstarrt also zum Schatz und bildet in dieser Form latentes Geldkapital. Latent, weil es, solange es in der Geldform verharrt, nicht als Kapital wirken kann.10 So erscheint hier die Schatzbildung als ein innerhalb des kapitalistischen Akkumulationsprozesses einbegriffnes, ihn begleitendes, aber zugleich wesentlich von ihm unterschiednes Moment. Denn durch die Bildung von latentem Geldkapital wird der Reproduktionsprozeß selbst nicht erweitert. Umgekehrt. Latentes Geldkapital wird hier gebildet, weil der kapitalistische Produzent die Stufenleiter seiner Produktion nicht unmittelbar erweitern kann. Verkauft er sein Mehrpro dukt an einen Gold- oder Silberproduzenten, der neues Gold oder Silber in die Zirkulation hineinwirft, oder, was auf dasselbe hinauskommt, an einen Kaufmann, der für einen Teil des nationalen Mehrprodukts zuschüssiges Gold oder Silber vom Ausland importiert, so bildet sein latentes Geldkapital ein Inkrement des nationalen Gold- oder Silberschatzes. In allen andren Fällen haben z.B. die 78 Pfd. St., die in der Hand des Käufers Zirkulationsmittel waren, in der Hand des Kapitalisten nur die Schatzform angenommen; es hat also nur andre Verteilung des nationalen Gold- oder Silberschatzes stattgefunden.

Fungiert das Geld in den Transaktionen unsres Kapitalisten als Zahlungsmittel (in der Art, daß die Ware erst in kürzrem oder längrem Termin vom Käufer zu zahlen), so verwandelt sich das zur Kapitalisation bestimmte Mehrprodukt nicht in Geld, sondern in Schuldforderungen, Eigentumstitel auf ein Äquivalent, das der Käufer vielleicht schon im Besitz, vielleicht erst in Aussicht hat. Es geht nicht in den Reproduktionsprozeß des Kreislaufs ein, so wenig wie Geld, das in zinstragenden Papieren etc. angelegt, obgleich es in den Kreislauf andrer industriellen Einzelkapitale eingehn kann.

Der ganze Charakter der kapitalistischen Produktion ist bestimmt durch die Verwertung des vorgeschoßnen Kapitalwerts, also in erster Instanz durch Produktion von möglichst viel Mehrwert; zweitens aber (siehe Buch I,[83] Kap. XXII) durch Produktion von Kapital, also durch Verwandlung von Mehrwert in Kapital. Die Akkumulation oder Produktion auf erweiterter Stufenleiter, die als Mittel zu stets ausgedehnterer Produktion von Mehrwert, daher Bereicherung des Kapitalisten, als persönlicher Zweck des letztren erscheint, und eingeschlossen ist in die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion, wird aber weiter, wie im ersten Buch gezeigt, durch ihre Entwicklung eine Notwendigkeit für jeden individuellen Kapitalisten. Die stete Vergrößrung seines Kapitals wird Bedingung der Erhaltung desselben. Doch haben wir nicht weiter auf das früher Entwickelte zurückzukommen.

Wir betrachteten zuerst die einfache Reproduktion, wobei unterstellt wurde, daß der ganze Mehrwert als Revenue verausgabt wird. In der Wirklichkeit muß unter normalen Verhältnissen immer ein Teil des Mehrwerts als Revenue verausgabt und ein andrer Teil kapitalisiert werden, wobei es ganz gleichgültig, ob innerhalb bestimmter Perioden produzierter Mehrwert bald ganz verzehrt, bald ganz kapitalisiert wird. Im Durchschnitt der Bewegung – und die allgemeine Formel kann nur diesen darstellen – findet beides statt. Um die Formel nicht zu komplizieren, ist es indes besser anzunehmen, daß der ganze Mehrwert akkumuliert wird. Die Formel P... W' – G' – W' ‹ A+Pm ... P' drückt aus: produktives Kapital, das auf größrer Stufenleiter und mit größrem Wert reproduziert wird, und als angewachsnes produktives Kapital seinen zweiten Kreislauf beginnt, oder, was dasselbe, seinen ersten Kreislauf erneuert. Sobald dieser zweite Kreislauf beginnt, haben wir wieder P als Ausgangspunkt; bloß ist P ein größres produktives Kapital als das erste P war. So, wenn in der Formel G... G' der zweite Kreislauf mit G' beginnt, fungiert G' als G, als vorgeschoßnes Geldkapital von bestimmter Größe; es ist größres Geldkapital als das, womit der erste Kreislauf eröffnet ward, aber alle Beziehung auf sein Angewachsensein durch Kapitalisierung von Mehrwert ist verschwunden, sobald es in der Funktion von vorgeschoßnem Geldkapital auftritt. Dieser Ursprung ist ausgelöscht in seiner Form als Geldkapital, das seinen Kreislauf beginnt. Ebenso mit P', sobald es als Ausgangspunkt eines neuen Kreislaufs fungiert.

Vergleichen wir P... P' mit G... G' oder dem ersten Kreislauf, so haben sie durchaus nicht dieselbe Bedeutung. G... G', für sich genommen als vereinzelter Kreislauf, drückt nur aus, daß G, das Geldkapital (oder das industrielle Kapital in seinem Kreislauf als Geldkapital), Geld heckendes Geld, Wert heckender Wert ist, Mehrwert setzt. Im Kreislauf von P dagegen ist der Verwertungsprozeß selbst mit Ablauf des er sten Stadiums, des[84] Produktionsprozesses, bereits vollzogen, und nach Durchlaufen des zweiten Stadiums (des ersten Zirkulationsstadiums) W' – G' existieren Kapitalwert + Mehrwert bereits als realisiertes Geldkapital, als G', welches als letztes Extrem im ersten Kreislauf erschien. Daß Mehrwert produziert worden, ist in der zuerst betrachteten Form von P... P dargestellt (siehe explizite Formel S. 47) durch w – g – w, das in seinem zweiten Stadium außerhalb der Kapitalzirkulation fällt und die Zirkulation des Mehrwerts als Revenue darstellt. In dieser Form, wo sich die ganze Bewegung in P... P darstellt, also keine Wertdifferenz zwischen den beiden Endpunkten stattfindet, ist also die Verwertung des vorgeschoßnen Werts, die Erzeugung von Mehrwert, ebenso dargestellt wie in G... G'; nur erscheint der Akt W' – G' als letztes Stadium in G... G', und als zweites des Kreislaufs, erstes der Zirkulation in P... P.

In P... P' drückt P' aus, nicht daß Mehrwert produziert, sondern daß der produzierte Mehrwert kapitalisiert, also Kapital akkumuliert worden ist, und daher P', gegenüber P, aus dem ursprünglichen Kapitalwert plus dem Wert von durch dessen Bewegung akkumuliertem Kapital besteht.

G', als bloßer Schluß von G... G', sowohl wie W', wie es innerhalb aller dieser Kreisläufe erscheint, drücken für sich genommen nicht die Bewegung aus, sondern ihr Resultat: die in Warenform oder Geldform realisierte Verwertung des Kapitalwerts, und daher den Kapitalwert als G + g oder als W + w, als Verhältnis von Kapitalwert zu seinem Mehrwert, als seinem Abkömmling. Sie drücken dies Resultat aus als verschiedne Zirkulationsformen des verwerteten Kapitalwerts. Aber weder in der Form W' noch in der Form G' ist die stattgefundene Verwertung selbst eine Funktion, sei es des Geldkapitals, sei es des Warenkapitals. Als besondre, verschiedne Formen, Daseinsweisen, die besondren Funktionen des industriellen Kapitals entsprechen, kann Geldkapital nur Geldfunktionen, Warenkapital nur Warenfunktionen vollziehn, ist ihr Unterschied voneinander nur der von Geld und Ware. Ebenso kann das industrielle Kapital, in seiner Form als produktives Kapital, nur aus denselben Elementen bestehn, wie jeder andre produktbildende Arbeitsprozeß: einerseits gegenständlichen Arbeitsbedingungen (Produktionsmitteln), andrerseits sich produktiv (zweckgemäß) betätigender Arbeitskraft. Wie das industrielle Kapital innerhalb der Produktionssphäre nur in der dem Produktionsprozeß überhaupt, also auch dem nichtkapitalistischen Produktionsprozeß, entsprechenden Zusammensetzung existieren kann, so kann es in der Zirkulationssphäre nur[85] existieren in den beiden ihr entsprechenden Formen von Ware und Geld. Wie aber die Summe der Produk tionselemente von vornherein dadurch sich als produktives Kapital ankündigt, daß die Arbeitskraft fremde Arbeitskraft ist, die der Kapitalist gekauft hat von ihrem eignen Inhaber, ganz wie er seine Produktionsmittel von andren Wareninhabern gekauft; wie daher auch der Produktionsprozeß selbst als produktive Funktion des industriellen Kapitals auftritt, so Geld und Ware als Zirkulationsformen desselben industriellen Kapitals, also auch ihre Funktionen als seine Zirkulationsfunktionen, die die Funktionen des produktiven Kapitals entweder einleiten oder daraus entspringen. Nur durch ihren Zusammenhang als Funktionsformen, die das industrielle Kapital in den verschiednen Stadien seines Kreislaufprozesses zu verrichten hat, sind hier Geldfunktion und Warenfunktion zugleich Funktion von Geldkapital und Warenkapital. Es ist also verkehrt, die das Geld als Geld und die Ware als Ware charakterisierenden, spezifischen Eigenschaften und Funktionen aus ihrem Kapitalcharakter herleiten zu wollen, und ebenso verkehrt ist es, umgekehrt die Eigenschaften des produktiven Kapitals aus seiner Existenzweise in Produktionsmitteln abzuleiten.

Sobald G' oder W' fixiert werden als G + g, W + w, d.h. als Verhältnis des Kapitalwerts zum Mehrwert als seinem Sprößling, ist dies Verhältnis in beiden ausgedrückt, das eine Mal in Geldform, das andre Mal in Warenform, was an der Sache selbst nichts ändert. Dies Verhältnis entspringt daher weder aus Eigenschaften und Funktionen, die dem Geld als solchem, noch der Ware als solcher zukommen. In beiden Fällen ist die das Kapital charakterisierende Eigenschaft, Wert heckender Wert zu sein, nur als Resultat ausgedrückt. W' ist stets das Produkt der Funktion von P, und G' ist stets nur die im Kreislauf des industriellen Kapitals verwandelte Form von W'. Sobald daher das realisierte Geldkapital seine besondre Funktion als Geldkapital wieder beginnt, hört es auf, das in G' = G + g enthaltne Kapitalverhältnis auszudrücken. Wenn G... G' durchlaufen ist, und G' den Kreislauf von neuem beginnt, figuriert es nicht als G', sondern als G, selbst wenn der ganze in G' enthaltne Mehrwert kapitalisiert wird. Der zweite Kreislauf beginnt in unserm Fall mit einem Geldkapital von 500 Pfd. St., statt wie der erste mit 422 Pfd. St. Das Geldkapital, das den Kreislauf eröffnet, ist um 78 Pfd. St. größer als vorher; dieser Unterschied existiert in der Vergleichung des einen Kreislaufs mit dem andren; aber diese Vergleichung existiert nicht innerhalb jedes einzelnen Kreislaufs. Die als Geldkapital vorgeschoßnen 500 Pfd. St., wovon 78 Pfd. St. früher als Mehrwert existierten, spielen keine andre Rolle, als 500 Pfd. St., womit ein[86] andrer Kapitalist seinen ersten Kreislauf eröffnet. Ebenso im Kreislauf des produktiven Kapitals. Das vergrößerte P' tritt beim Wiederbeginn als P auf, so gut wie P in der einfachen Reproduktion P... P.

Im Stadium G' – W' ‹ A+Pm ist die angewachsne Größe nur durch W' angezeigt, aber nicht durch A' und Pm'. Da W die Summe von A und Pm, ist schon durch W' angezeigt, daß die Summe der in ihm enthaltnen A und Pm größer ist als das ursprüngliche P. Zweitens aber wäre die Bezeichnung A' und Pm' falsch, weil wir wissen, daß mit dem Wachstum des Kapitals eine Änderung seiner Wertzusammensetzung verbunden ist, im Fortschritt derselben der Wert von Pm wächst, der von A stets relativ abnimmt, oft absolut.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 82-87.
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