I. Arbeitsperiode gleich der Zirkulationsperiode

[269] Dieser Fall, obgleich in der Wirklichkeit nur zufällige Ausnahme, muß als Ausgangspunkt für die Betrachtung dienen, weil hier die Verhältnisse sich am einfachsten und handgreiflichsten darstellen.

Die zwei Kapitale (Kapital I, das für die erste Arbeitsperiode vorgeschossen, und Zusatzkapital II, das während der Zirkulationsperiode von Kapital I fungiert) lösen sich in ihren Bewegungen ab, ohne sich zu durchkreuzen. Mit Ausnahme der ersten Periode ist daher auch jedes der beiden Kapitale nur für seine eigne Umschlagsperiode vorgeschossen. Die Umschlagsperiode sei, wie in den folgenden Beispielen, 9 Wochen, Arbeitsperiode und Umlaufsperiode also je 4 1/2 Woche. Dann haben wir folgendes Jahresschema:


[269] Tabelle I

Kapital I / Kapital II


{titel}Tabelle I
Kapital I
Umschlagsperioden Arbeitsperioden Vorschuß Zirkulationsperioden
Woche Woche Pfd. St. Woche
————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————
I. 1. - 9. 1. - 41/2. 450 41/2. - 9.
II. 10. - 18. 10. - 131/2. 450 131/2. - 18.
III. 19. - 27. 19. - 221/2. 450 221/2. - 27.
IV. 28. - 36. 28. - 311/2. 450 311/2. - 36.
V. 37. - 45. 37. - 401/2. 450 401/2. - 45.
VI. 46. -(54.) 46. - 491/2. 450 491/2. -(54.)*
Kapital II
Umschlagsperioden Arbeitsperioden Vorschuß Zirkulationsperioden
Woche Woche Pfd. St. Woche
—————————————————————————————————————————————————————————————————————————————————
I. 41/2. - 131/2. 41/2. - 9. 450 10. - 131/2.
II. 131/2. - 221/2. 131/2. - 18. 450 19. - 221/2.
III. 221/2. - 311/2. 221/2. - 27. 450 28. - 311/2.
IV. 311/2. - 401/2. 311/2. - 36. 450 37. - 401/2.
V. 401/2. - 491/2. 401/2. - 45. 450 46. - 491/2.
VI. 491/2. -(581/2.) 491/2. -(54.) 450 (55. - 581/2.)
* Die in das zweite Umschlagsjahr fallenden Wochen sind in Klammern gesetzt.

Innerhalb der 51 Wochen, die wir hier als Jahr annehmen, hat Kapital I sechs volle Arbeitsperioden absolviert, also für 6 * 450 = 2700 Pfd. St., und Kapital II in fünf vollen Arbeitsperioden für 5 * 450 = 2250 Pfd. St. Waren produziert. Dazu hat Kapital II in den letzten 1 1/2 Wochen des Jahrs (Mitte der 50. bis Ende der 51. Woche) noch für 150 Pfd. St. produziert – Gesamtprodukt in 51 Wochen: 5100 Pfd. St. In bezug auf unmittelbare Produktion von Mehrwert, der nur während der Arbeitsperiode produziert wird, hätte das Gesamtkapital von 900 Pfd. St. also 5 2/3mal umgeschlagen (5 2/3 * 900 = 5100 Pfd. St.). Aber wenn wir den wirklichen Umschlag betrachten, so hat Kapital I 5 2/3mal umgeschlagen, da es am Ende der 51. Woche noch 3 Wochen seiner sechsten Umschlagsperiode zu absolvieren hat; 5 2/3 * 450 = 2550 Pfd. St.; und Kapital II 5 1/6mal, da es erst 1 1/2 Woche seiner sechsten Umschlagsperiode vollendet hat, also noch 7 1/2 Woche davon ins nächste Jahr fallen; 5 1/6 * 450 = 2325 Pfd. St.; wirklicher Gesamtumschlag = 4875 Pfd. St.[270]

Betrachten wir Kapital I und Kapital II als zwei gegeneinander ganz selbständige Kapitale. In ihren Bewegungen sind sie ganz selbständig; diese Bewegungen ergänzen sich nur, weil ihre Arbeits- und Zirkulationsperioden einander direkt ablösen. Sie können als zwei ganz unabhängige, verschiednen Kapitalisten gehörige Kapitale betrachtet werden.

Das Kapital I hat fünf vollständige und zwei Drittel seiner sechsten Umschlagsperiode zurückgelegt. Es befindet sich am Ende des Jahres in der Form von Warenkapital, dem zu seiner normalen Realisierung noch 3 Wochen erforderlich sind. Während dieser Zeit kann es nicht in den Produktionsprozeß eingehn. Es fungiert als Warenkapital: es zirkuliert. Von seiner letzten Umschlagsperiode hat es nur 2/3 zurückgelegt. Dies wird so ausgedrückt: es hat nur 2/3mal umgeschlagen, nur 2/3 seines Gesamtwerts haben einen vollständigen Umschlag zurückgelegt. Wir sagen: 450 Pfd. St. legen ihren Umschlag in 9 Wochen zurück, also 300 Pfd. St. in 6 Wochen. Bei dieser Ausdrucksweise werden die organischen Verhältnisse zwischen den beiden spezifisch verschiednen Bestandteilen der Umschlagszeit vernachlässigt. Der exakte Sinn davon, daß das vorgeschoßne Kapital von 450 Pfd. St. 5 2/3 Umschläge gemacht, ist nur, daß es fünf Umschläge ganz und vom sechsten nur 2/3 zurückgelegt hat. Dagegen hat der Ausdruck, daß das umgeschlagne Kapital = 5 2/3mal das vorgeschoßne Kapital, also im obigen Fall = 5 2/3 * 450 Pfd. St. = 2550 Pfd. St., das Richtige, daß, wenn dies Kapital von 450 Pfd. St. nicht ergänzt wäre durch ein andres Kapital von 450 Pfd. St., in der Tat ein Teil davon sich im Produktionsprozeß, ein andrer im Zirkulationsprozeß befinden müßte. Soll die Umschlagszeit in der Masse des umgeschlagnen Kapitals ausgedrückt werden, so kann sie immer nur in einer Masse von vorhandnem Wert (in der Tat von fertigem Produkt) ausgedrückt werden. Der Umstand, daß das vorgeschoßne Kapital sich nicht in einem Zustand befindet, worin es den Produktionsprozeß von neuem eröffnen kann, drückt sich darin aus, daß nur ein Teil davon sich im produktionsfähigen Zustand befindet, oder daß, um sich im Zustand kontinuierlicher Produktion zu befinden, das Kapital geteilt werden müßte in einen Teil, der sich beständig in der Produktionsperiode und einen andern Teil, der sich beständig in der Zirkulationsperiode befände, je nach dem Verhältnis dieser Perioden zueinander. Es ist dasselbe Gesetz, das die Masse des beständig fungierenden produktiven Kapitals bestimmt durch das Verhältnis der Umlaufszeit zur Umschlagszeit.

Von Kapital II sind Ende der 51. Jahreswoche, die wir hier als Jahresschluß annehmen, vorgeschossen 150 Pfd. St. in der Produktion von unfertigem Produkt. Ein fernerer Teil befindet sich in der Form von flüssigem[271] konstantem Kapital – Rohstoff etc. –, d.h. in einer Form, worin es als produktives Kapital im Produktionsprozeß fungieren kann. Aber ein dritter Teil befindet sich in Geldform, nämlich zum mindesten der Betrag des Arbeitslohns für den Rest der Arbeitsperiode (3 Wochen), der aber erst Ende jeder Woche bezahlt wird. Obgleich nun dieser Teil des Kapitals am Anfang des neuen Jahrs, also eines neuen Umschlagszyklus, sich nicht in der Form von produktivem Kapital befindet, sondern in der von Geldkapital, in der es nicht in den Produktionsprozeß eingehn kann, so befindet sich dennoch bei Eröffnung des neuen Umschlags flüssiges variables Kapital, d.h. lebendige Arbeitskraft, im Produktionsprozeß tätig. Diese Erscheinung kommt daher, daß die Arbeitskraft zwar am Anfang der Arbeitsperiode, sage per Woche, gekauft und verbraucht, aber erst Ende der Woche gezahlt wird. Das Geld wirkt hier als Zahlungsmittel. Es befindet sich daher einerseits als Geld noch in der Hand des Kapitalisten, während andrerseits die Arbeitskraft, die Ware, worin es umgesetzt wird, sich schon im Produktionsprozeß tätig befindet, derselbe Kapitalwert hier also doppelt erscheint.

Betrachten wir bloß die Arbeitsperioden, so hat


Kapital I produziert 6 * 450 = 2.700 Pfd. St.
" II " 5 1/3 * 450 = 2.400 " "
—————————————————————————————————
also zusammen 5 2/3 * 900 = 5.100 Pfd. St.

Das vorgeschoßne Gesamtkapital von 900 Pfd. St. hat also 52/3mal im Jahr als produktives Kapital fungiert. Ob stets 450 Pfd. St. im Produktionsprozeß und stets 450 Pfd. St. im Zirkulationsprozeß abwechselnd, oder ob 900 Pfd. St. während je 41/2 Wochen im Produktionsprozeß und während der folgenden 41/2 Wochen im Zirkulationsprozeß fungieren, ist für die Produktion von Mehrwert einerlei.

Betrachten wir dagegen die Umschlagsperioden, so hat


Kapital I 5 2/3 * 450 = 2.550 Pfd. St.
" II 5 1/6 * 450 = 2.325 " "
——————————————————————————————————
also das Gesamtkapital 5 5/12 * 900 = 4.875 Pfd. St.

umgeschlagen. Denn der Umschlag des Gesamtkapitals ist gleich der Summe der von I und II umgeschlagnen Beträge, dividiert durch die Summe von I und II.

Es ist zu bemerken, daß Kapital I und II, wenn sie selbständig gegeneinander wären, doch nur verschiedne selbständige Teile des in derselben[272] Produk tionssphäre vorgeschoßnen gesellschaftlichen Kapitals bilden würden. Bestände also das gesellschaftliche Kapital innerhalb dieser Produktionssphäre nur aus I und II, so würde für den Umschlag des gesellschaftlichen Kapitals in dieser Sphäre dieselbe Rechnung gelten, die hier für die beiden Bestandteile I und II desselben Privatkapitals gilt. Weiter ausgedehnt kann jeder in einer besondern Produktionssphäre angelegte Teil des gesamten Gesellschaftskapitals so berechnet werden. Schließlich aber ist die Umschlagszahl des gesamten gesellschaftlichen Kapitals gleich der Summe des in den verschiednen Produktionssphären umgeschlagnen Kapitals, dividiert durch die Summe des in diesen Produktionssphären vorgeschoßnen Kapitals.

Es ist ferner zu bemerken, daß, wie hier in demselben Privatgeschäft die Kapitale I und II, genau genommen, verschiedne Umschlagsjahre haben (indem der Umschlagszyklus von Kapital II 4 1/2 Woche später beginnt als der von Kapital I, das Jahr von I daher 4 1/2 Woche früher abläuft als das von II), so auch die verschiednen Privatkapitale in derselben Produktionssphäre ihre Geschäfte in ganz verschiednen Zeitabschnitten beginnen und ihren Jahresumschlag daher auch zu verschiednen Zeiten im Jahr vollenden. Dieselbe Durchschnittsrechnung, die wir oben für I und II anwandten, reicht auch hier aus, um die Um schlagsjahre der verschiednen selbständigen Teile des gesellschaftlichen Kapitals auf ein einheitliches Umschlagsjahr zu reduzieren.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1963, Band 24, S. 269-273.
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